Nightmare Before Christmas

Animation | USA 1993 | 76 Minuten

Regie: Henry Selick

Die liebenswert-häßlichen Quälgeister aus dem Halloween-Land entdecken das Weihnachtsfest, dessen eigentlicher Sinn ihnen freilich verborgen bleibt. Sie entführen den Weihnachtsmann und basteln makabre Geschenke für die damit gar nicht glücklichen Kinder. Ein in ebenso düsterer und romantischer wie bewegender und komischer Atmosphäre angesiedelter Puppentrickfilm von außergewöhnlich reicher Bildfantasie. Unter Nutzung aller technischen wie autoriellen Möglichkeiten entstand (im Original) ein kleines Meisterwerk des surrealen Kinos. Ursprünglich in 2-D produziert, wurde der Film 2006 zur erneuten Auswertung in 3-D konvertiert. - Sehenswert ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Touchstone
Regie
Henry Selick
Buch
Caroline Thompson
Kamera
Pete Kozachik
Musik
Danny Elfman
Schnitt
Stan Webb
Darsteller
Alexander Goebel (Stimme Jack Skellington) · Nina Hagen (Stimme Sally) · Fred Maire (Stimme Dr. Finkelstein) · Michael Gahr (Stimme Bürgermeister) · Ron Williams (Stimme Oogie Boogie)
Länge
76 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Animation | Horror | Jugendfilm | Musical | Puppenanimation | Weihnachtsfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die amerikanische Importversion (Touchstone: 20102) enthält neben umfangreichen Extras u.a. ein kommentiertes Feature nicht verwendeter Sequenzen. Zudem sind Tim Burtons frühe Kurzfilme "Vincent" (6 Min.) und "Frankenweenie" (30 Min.) enthalten - letzterer in einer erstmals zugänglichen "Uncut-Version".

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.66:1, DD5.1 engl./dt.); US-Import: Touchstone (DTS engl.)
DVD kaufen

Diskussion
Halloween ist das Fest der bösen Buben. Während man hierzulande den heiligen Martin ehrt, gilt andernorts der Laternenschein weit profanerem Zwecke. "Trick or Treat", wer nichts geben will, der wird schon sehen, was er davon hat. Tim Burtons neuer Film entführt in das Land, in dem die kleinen Quälgeister des Halloween zu Hause sind und sich das ganze Jahr auf dieses, ihr eigenes Fest freuen. Grau und schwarz sind hier die Farben, bestenfalls ein fahles Gelb verklärt die expressive Szenerie, in der sich Doktor Caligari wohl zu Hause fühlte. Wieder einmal war das Fest ein Riesenerfolg, doch der Pumpkin-König, der es organisierte, ist und bleibt ein liebenswerter Melancholiker und freut sich wenig über seinen Triumph. Niedergeschlagen schleicht er durch die Gassen, mitleidig beobachtet von der Lumpenpuppe Sally, die ihr künstliches Herz, das sie eigentlich dem bösen Wissenschaftler Dr. Finkelstein verdankt, längst an ihn verloren hat. Immer weiter zieht es ihn in den finsteren Wald, zu einer rätselhaften Baumgruppe, in die Türen eingearbeitet sind. Eine führt geradewegs nach "Christmastown": Jack ist begeistert vom Lichtermeer, vom Weihnachtsmann, von Schnee und Spielzeugfabrik. Schon herrscht in Halloweentown tiefe Verzweiflung über sein spurloses Verschwinden, da taucht er freudestrahlend wieder auf, um allen vom fröhlichen Fest zu erzählen, das er dort erlebt hat. Mit seinen Plänen, selbst ein Weihnachtsfest auszurichten, erntet er allerdings nur Unverständnis. Allerdings muß er zugeben, daß auch ihm der eigentliche Sinn des Festes bislang verborgen geblieben ist. Nichtsdestotrotz werden die Aufgaben verteilt: Vampire basteln Puppen, Finkelstein einen Schlitten und schließlich das Wichtigste: der Weihnachtsmann wird entführt. Doch obwohl es die liebenswerten Nachtgestalten recht gut meinen, bleiben sie doch ihrem Stil treu: die Kapelle spielt Jingle Bells in Moll, der Weihnachtsmann wird in die Höhle des Oogie Boogie Man gesperrt und die in Halloweentown gefertigten Geschenke an die nicht eben glücklichen Kinder Verschenkt: Während der gutmütige Jack, der fachmännisch die Gaben verteilt, glaubt, dem Weihnachtsmann alle Ehre zu machen, packen die entsetzten Kinder Schlangen und Schrumpfköpfe aus. Allein Sally ahnt das drohende Verhängnis und befreit den echten Weihnachtsmann, der allein Jack noch zurückhalten kann. Dieser befindet sich allerdings bereits unter Beschuß - hat er doch der Menschheit das Weihnachtsfest ruiniert. Noch aber ist es nicht zu spät: Sally und er helfen dem echten Santa Claus auf den Weg und erkennen selbst ihre eigene, gemeinsame Zukunft. Und die liegt in der finsteren, liebenswerten Halloween-Welt.

In der düsteren und romantischen, gleichwohl bewegenden und komischen Atmosphäre dieses einzigartigen Films glaubte man leicht einen entschiedenen Kritiker des Disney-Stils am Werk. Dabei verdankt man, man glaubt es kaum, auch diesen Film dem marktbeherrschenden Konzern. Es ist schon eine geniale Strategie: während "Der König der Löwen" sein Publikum rührt, spricht das Unternehmen auch seine Kritiker mit diesem Nachtstück an. Nun gehörte zu Disneys Lebzeiten stets auch die finstere Seite zu seinem "magischen Königreich", man denke nur an "Die Nacht auf dem kahlen Berge" in "Fantasia". Zusehends jedoch geriet dieser Aspekt des Fantastischen in seinem Studio in Vergessenheit. Auch Tim Burton, der seine Karriere Ende der 70er Jahre als Zeichner bei Disney begann, konnte viele seiner düsteren Ideen nicht umsetzen. Aber man finanzierte ihm zwei Kurzfilme, die heute als die frühe Vorwegnahme der Essenz seines Werkes gelten können: "Vincent", einen kurzen Puppentrickfilm und die Frankensteinparodie "Frankenweenie". "Nightmare before Christmas" greift die Puppenfilmtechnik aus "Vincent" auf und perfektioniert sie in atemberaubender Weise. Ein solches Maß an Geschmeidigkeit der Bewegungen ist auf diesem Feld nie erreicht worden.

Es gibt Filme, die Filmgeschichte schreiben, weil sie technische Innovationen etablieren. Andere überzeugen durch künstlerische Qualität und Originalität oder erobern sich wegen ihrer Unterhaltungswerte einen Platz im Gedächtnis. "Nightmare Before Christmas" ist der seltene Fall eines Films, in dem sich Leistungen auf allen Gebieten in überragender Weise ergänzen, weil sie auf den persönlichen Stil eines Autors treffen, der sie zu verbinden versteht. Tim Burton muß nach nur fünf Spielfilmen und zwei Kurzfilmen zu jenen wenigen seines Fachs gerechnet werden, denen es gelingt, sich auf den ersten Blick als Autor zu erkennen zu geben - vergleichbar etwa Fellini oder Greenaway. In den großen Studios Hollywoods aber ist die Ausformung eines solchen Personalstils eine besondere Seltenheit. Obwohl Burton nicht selbst Regie führt, ist dieses sein bislang persönlichster Film, der zurückführt zu seinen frühen Kurzfilmen. Damals entwarf er auch die Skizzen zur Illustration eines selbstverfaßten Weihnachtsgedichts, die nun ihre späte Umsetzung erlebten. Burtons Entwürfe erinnern an Alfred Kubin und die Vorläufer des deutschen Expressionsmus, aber auch Tenniel, der Illustrator von Carrols "Alice im Wunderland", findet sich in ihnen wieder. An die strukturhaften Landschaften Max Ernsts läßt sich denken, und wenn Schatten die Weiten von Burtons Bildräumen strukturieren an Tanguy oder Dalí. Spiralformen, die die Szenerien poetisieren, erinnern an Gaudis Jugendstil. Mehr aber noch, als alle Anklänge an die Kunstgeschichte verweisen die Bildwelten, deren Reichtum sich dem einmaligen Anschauen entzieht, an Burtons suggestive Spielfilme, vor allem an "Edward mit den Scherenhänden" (fd 28 836). Wie Fellini und Greenaway verdankt Burton einen guten Teil seiner Unverwechselbarkeit seinem Komponisten. Danny Elfman hat mit den Songs für dieses Musical sein Meisterwerk geschaffen: halb Oper, halb Swing, stellt es den besten Song-Zyklus dar, der seit Jahren für einen Film geschrieben wurde. "Nightmare Before Christmas" ist ein Meisterwerk des surrealen Kinos, eine Bildfantasie ungeheuren Reichtums.
Kommentar verfassen

Kommentieren