- | USA 1993 | 96 Minuten

Regie: Roger Avary

Ein Tresorspezialist wird in einen chaotischen Bankraub verwickelt, aus dem nur noch eine Prostituierte einen Ausweg weiß. Meisterhafte Mischung aus Gangsterfilm und komödiantischer Farce, dabei zugleich tragisch und in den zahlreichen Gewaltszenen stets dem Thema gewachsen; das Debüt eines begabten Regisseurs.
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Filmdaten

Originaltitel
KILLING ZOE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Samuel Hadida Prod./Davis Films
Regie
Roger Avary
Buch
Roger Avary
Kamera
Tom Richmond
Musik
tomandandy
Schnitt
Kathryn Himoff
Darsteller
Eric Stoltz (Zed) · Julie Delpy (Zoe) · Jean-Hugues Anglade (Eric) · Gary Kemp (Oliver) · Bruce Ramsay (Ricardo)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 18 (Video)
gek.16
(DVD 16 & 18)
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Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (FF P&S, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Zu den ersten Wundertrommeln, die Ende des 19. Jahrhunderts die bewegten Bilder des Kinos auf den Weg brachten, gesellten sich bald ihre verfeinerten Nachfolger, die sogenannten Zoetropen. Zoe, das griechische Wort für Leben, schien der neuen Kunstform gerade angemessen, die vorgab, das Leben selbst wiederzugeben, und auch der Regisseur Francis Coppola nannte seine Tochter Zoe. "Killing Zoe", das heißt: das Leben töten. Eine Tautologie, die aber zugleich das Wesen des Kinos auf den Punkt bringt. Dem Tod bei der Arbeit zuzuschauen, nannte es Cocteau. Das junge amerikanische Kino aus dem Umkreis Quentin Tarantinos (der hier als Mit-Produzent fungiert) interessiert sich brennend für diese Grenzen, für die Feier des Lebens bis an den Abgrund. Fast immer geht es dabei um den Tod als Arbeit und um die Arbeit des Tötens: die der Gangster, der Killer und Bankräuber.

Zed ist ein berühmter amerikanischer Tresorknacker, den es nach Paris verschlagen hat, wo er an einem großen Bankraub teilnehmen soll. Seine unerschütterliche Ruhe wird bald mit dem rasanten Tempo des Films kontrastieren. Nichts verbindet Zed mit seinen hektischen Kollegen, die für die Durchführung des Coups verantwortlich sind. So empfindet er auch zunächst mehr Melancholie als Freude, als man ihm wohlwollend eine junge Prostituierte aufs Zimmer schickt. Die sensible Zoe ist eine blutige Amateurin auf ihrem Gebiet, wie alle, auf die der Professionalist Zed im Laufe des Films treffen wird. Und doch verbindet das Paar bald eine entrückte, platonische Liebesbeziehung. Doch jäh bricht ein irrsinniger Aktionismus die Ruhe. Ein Drogenexzeß der Gangster ist nicht unbedingt die beste Vorbereitung für einen Bankraub, bei dem alles drunter und drüber geht. Nur Zed. der still und schließlich erfolgreich im Tresorkeller tüftelt, bemerkt das Chaos nicht, das derweil im Bankgebäude herrscht. Wenn es dennoch ein glückliches Ende geben wird, dann weil das Märchenhafte überraschend Einzug hält in den Hyperrealismus des Geschehens, und Zoe, das Leben, über den Tod siegen wird. der sie umgibt.

Der Regie-Debütant Roger Avary ist längst ein Profi, der an Tarantinos Drehbüchern zu "Reservoir Dogs - Wilde Hunde" (fd 29 780) und "Pulp Fiction" (fd 31 041) mitgearbeitet hat. Wie grandios er aber auch das Regiefach beherrscht, wie er mit allen Regeln des Gangsterfilms spielt, nur um sie zu brechen, das verlangt Respekt. Obwohl über weite Passagen die humoristischen Elemente überwiegen, banalisiert doch die Ironie niemals den Schrecken oder gar die Gewalt, deren angemessene Darstellung im Kino nur wenige beherrschen. Trotz der zahlreichen Tötungen liegt in ihrer Unvorhersehbarkeit und Willkür eine Tragik, die an die Filme Sam Peckinpahs erinnert. Jede in einem konventionellen Spielfilm als motiviert gezeigte Gewalttat relativiert doch ihre tatsächliche Bedeutung. Avary hingegen gelingt es, ein Bild für das Unfaßliche der Gewalt zu vermitteln und damit ihre Sinnlosigkeit bloßzulegen. Darüber hinaus entwirft er einen geistreichen und gleichwohl sinnlichen, ans Spirituelle rührenden Exkurs über Leben und Tod, an dessen Ende eine Erlösungsutopie steht, die in den Händen eines weniger begabten Filmemachers leicht als haltlose Naivität erschienen wäre. Wenn die Unschuld schließlich doch triumphiert, so nicht als Zugeständnis an die Rührseligkeit von Hollywood-Filmen oder die Mode der Esoterik. So wie am Ende von De Sicas neorealistischem "Wunder von Mailand" die Phantasie in die Wirklichkeit einbrach, hat auch das hyperrealsitische Kino der gegenwärtigen Avantgarde Raum für das Poetische. Nie ist man versucht, die Kunst eines Avary oder Tarantino für die Wirklichkeit selbst zu halten. In seinem Schrecken und in seiner Schönheit ist ihr scheinbar realistisches Kino der Wirklichkeit stets ein gutes Stück voraus.
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