Schattenboxer (1992)

Krimi | Deutschland 1992 | 80 Minuten

Regie: Lars Becker

Ein aus der Haft entlassener junger Mann will gemeinsam mit seinen zwei Komplizen einen Afrikaner aus der Abschiebehaft befreien, wobei sie zufällig in den Besitz von Geld gelangen, das einige Polizisten mit illegalen Drogengeschäften verdient haben. Ein routiniert entwickelter, erzähltechnisch reizvoller Kriminalfilm, frech und nachdenklich, unterhaltsam und böse zugleich erzählt. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Wüste/NDR
Regie
Lars Becker
Buch
Lars Becker
Kamera
Martin Gressmann
Musik
Frank Wulff · Stefan Wulff
Schnitt
Magdolna Rokob
Darsteller
Diego Wallraff (Eddie) · Christian Redl (Rasselin) · Ralph Herforth (Guido) · Hussi Kutlucan (Tayfun) · Alfred Kleinheinz (Timpe)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Ein deutscher Krimi, in dem es nicht um die Aufklärung eines Verbrechens geht, nicht um die Schuld der Täter und die Suche der Polizei. Auch ein Film über ein sehr aktuelles deutsches Thema, Ausländer und Deutsche, Asylrecht und Abschiebungspraxis.

Und ein Film fürs Ohr. Er beginnt mit einer Filmmusik, die einen faszinierenden, unregelmäßigen Takt hat. Man sieht ein Tischtennisspiel im Gefängnis, in dessen Rhythmus sich auch die Erzählstruktur des Films andeutet, die von gemächlichem Ping Pong einzelner Begebenheiten zu einem Kampf mit schnelleren Schlägen wird. Die Partie im Gefängnis beendet ein Häftling, indem er den Ball zertritt. Aber der provozierte Spieler hat noch einen zweiten in der Tasche.

Eisentüren werden geschlossen, Riegel vorgeschoben, eine Klappe geöffnet. Eddie wird aus der Haft entlassen. Ein Kindergeburtstag und eine Tür, die vor der Nase zugeschlagen wird. Rasselin, der Polizist, darf seinen kleinen Sohn nicht sehen. Er klappt eine Schlafcouch zusammen und bespricht einen Deal. Auf dem Spielplatz knurrt ein Kampfhund ein Kind an. Eine Nutte verläßt ihren Freund. Der Hund wird erschossen. Ein Afrikaner im Gefängnis mit einem Schweißbrenner. Der Lärm der Arbeit verstummt. Der Mann soll abgeschoben werden, er könnte sich absichtlich verletzen, um seine Ausreise zu verzögern. Handschellen klicken. Die Herrentoilette des Flughafens. Die Polizisten spritzen dem Afrikaner Beruhigungsmittel, denn die Fluggesellschaft will nur "Freiwillige" transportieren, und die Polizisten wollen ihren Reiseplan - Abschiebungen nach Ghana, Bangkok und in die Türkei -einhalten, damit sie auch den Zeitplan für ihre Nebeneinkünfte einhalten können. Ein Wasserhahn tropft, und ein Überfall findet statt, um die Abschiebung zu verhindern. Eddie und Tayfun entdecken, daß die Polizisten Drogen schmuggeln, sie nehmen das Geld und überfallen sie wieder, nachdem der Afrikaner an einer Überdosis Barbiturate gestorben ist. Eine Tätowierung verrät Guido, dem der Hund gehört hat. Auch er wird erschossen. Ein Messer schnappt auf. Am Ende wird es den Polizisten erstechen. Eddie verläßt seine Heimat und steigt in ein Flugzeug nach Istanbul. Hinter ihm wird ein Mann von zwei Polizisten an Bord gebracht.

Mit seinem Spielfilmdebüt hat Krimibuchautor Lars Becker mit verblüffender Leichtigkeit den deutschen Krimi endlich aus dem Fernsehen ins Kino geholt. "Schattenboxer" transportiert dabei auf angenehme Weise den Stil von Kriminalromanen und ihr typisches Gespür für die Wirklichkeit auf die Leinwand, klebt am Leben, nicht an Verfolgungsjagden oder am Beruf Verbrecher oder Kommissar und liefert sein Zeitbild routiniert und lässig, authentisch, mit spürbarer Freude am Erzählen und Liebe zu den Figuren. Der Film ist frech und nachdenklich, unterhaltsam und böse und kann sich jederzeit auf die überzeugenden Darsteller verlassen. Wo das deutsche Kino sich aufhält, ist weiter offen, aber hier ist schon mal eine Postkarte von der Reise!
Kommentar verfassen

Kommentieren