Howl - Das Geheul

Biopic | USA 2010 | 85 Minuten

Regie: Rob Epstein

Das epochale Gedicht "Howl" des Beat-Poeten Allen Ginsberg (1926-1997) verursachte in den 1950er-Jahren einen Skandal und zog einen Prozess wegen Obszönität nach sich. Auf vier miteinander verschränkten Erzählebenen beleuchtet der Film das Werk, seine gesellschaftliche und literaturhistorische Wirkung sowie das Leben des Autors. Qualitativ changiert dies von Ebene zu Ebene: Während eine animierte Verfilmung des Gedichts allzu nah am Text bleibt, unterhalten die szenischen Nachstellungen aus dem Prozess sowie aus Ginsbergs Leben. Die künstlerische Kraft des Dichters und seines Werks vermittelt besonders eine eindringliche Lesung des vorzüglichen Hauptdarstellers. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HOWL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Werc Werk Works/RabbitBandini Prod./Telling Pic./Radiant Cool
Regie
Rob Epstein · Jeffrey Friedman
Buch
Rob Epstein · Jeffrey Friedman
Kamera
Edward Lachman
Musik
Carter Burwell
Schnitt
Jake Pushinsky
Darsteller
James Franco (Allen Ginsberg) · Todd Rotondi (Jack Kerouc) · Jon Prescott (Neal Cassady) · Aaron Tveit (Peter Orlovsky) · David Strathairn (Ralph McIntosh)
Länge
85 Minuten
Kinostart
06.01.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Biopic | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein ausführliches "Making Of" (40 Min.).

Verleih DVD
Pandora (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Gedichte sind kurz und lassen sich nicht verfilmen. Das haben sie Romanen voraus. Schon so mancher literarische Geniestreich geriet unter die Räder eines Films, in dem die Handlung zwar rechtschaffen illustriert, der Geist der Erzählung aber nicht annähernd eingefangen wurde. „Howl – Das Geheul“ bildet hier eine doppelte Ausnahme: Die Filmemacher bringen mit Allen Ginsbergs „Howl“ ein ausuferndes, sich über dutzende Seiten erstreckendes Poem auf die Leinwand und nähern sich ihrer Vorlage sozusagen aus allen vier Himmelsrichtungen. „Howl“ entstand 1955 und wurde schnell zu einem Gründungsdokument der Beatniks. Es ist ein zügelloser, an Walt Whitman geschulter Wortschwall, in dem Ginsberg das Lebensgefühl einer verlorenen Generation beschwört und weder in Sachen Drogenmissbrauch noch Homosexualität ein Blatt vor den Mund nimmt. Der berühmte Auftakt des Gedichts enthält bereits den Kern der apokalyptischen Vision: „I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the Negro streets at dawn looking for an angry fix…“ Ginsbergs Verleger wurde beinahe postwendend wegen Obszönität verklagt und dann in einem Aufsehen erregenden Verfahren freigesprochen. Der Prozess gilt immer noch als Meilenstein der US-Rechtsgeschichte. Diese Zeiten sind lange vorbei; der einstige literarische Skandal zählt in den USA mittlerweile zur akademischen Pflichtlektüre. Die Dokumentarfilmer Epstein und Friedman („Gefangen in der Traumfabrik – The Celluloid Closet“, 1995) versuchen deshalb, die Aufregung, die „Howl“ in den 1950er-Jahren entfachte, wieder aufleben zu lassen. Dazu haben sie ihren Film in vier miteinander verschränkte Episoden aufgeteilt. In einer erlebt man Ginsbergs erste „Howl“-Lesung in einer malerisch verräucherten, von ergriffenen Beatniks bevölkerten Kneipe; in der zweiten rekonstruieren sie den Prozess anhand der überlieferten Gerichtsakten; die dritte Re-Inszenierung gilt einem Interview, das Ginsberg zur Zeit des Prozesses gegeben hat, und schließlich gaben Epstein und Friedman einen digitalen Trickfilm in Auftrag, der „Howl“ beinahe eins zu eins in animierte Bilder fasst. Eric Drookers Trickfilm ist mit Abstand der schwächste Teil. Über den Look mag man streiten; die wortwörtliche Umsetzung dessen, was man ohnehin gerade hört, macht ihm indes endgültig den Garaus. Das Interview ist schon weit besser gelungen, auch wenn man deutlich merkt, dass die Autoren hier vor allem biografische Fußnoten setzen wollen; in schwarz-weißen Aufnahmen flackern Ginsbergs Freundschaften zu den Schriftstellerkollegen Jack Kerouac und Neal Cassady auf, um schließlich von der glücklichen Zweisamkeit mit seinem langjährigen Lebenspartner Peter Orlovsky abgelöst zu werden. Zur literaturhistorischen Einordnung treten in den Gerichtsszenen ausgewählte Experten in den Zeugenstand, während andere die damalige Bigotterie in ihrer ganzen Lächerlichkeit vorführen. Diese Stippvisiten bei Gericht sind höchst unterhaltsames Star-Kino, in dem Jeff Daniels als bornierter Literaturprofessor brilliert, Mary-Louise Parker eine Sonntagsdichterin mimt, die sich rühmt, Goethes „Faust“ von Unrat und Schmutz gesäubert zu haben, und David Strathairn den Staatsanwalt als auf geradezu rührende Weise überforderten Spießbürger porträtiert. Den besten Auftritt hat James Franco als Allen Ginsberg: Er deklamiert das Geheul so mitreißend, dass es einem mitunter kalt den Rücken hinunter läuft.
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