Gerhard Richter Painting

Dokumentarfilm | Deutschland 2011 | 101 Minuten

Regie: Corinna Belz

Dokumentarfilm über den Maler, Bildhauer und Fotografen Gerhard Richter (geb. 1932), der den Künstler beim Schaffen einiger Werke, aber auch auf dem Parkett des Kunstmarkts begleitet. Dabei lässt er genügend Raum für die Beobachtung des Schaffensprozesses sowie für die sympathischen (Selbst-)Reflexionen Richters, der interessante Einblicke in seine Denkwelt gestattet, sodass sich der Film zu einem spannenden Porträt rundet. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
TERZ Filmprod./zero one film/WDR/MDR/ARTE
Regie
Corinna Belz
Buch
Corinna Belz
Kamera
Johann Feindt · Frank Kranstedt · Dieter Stürmer
Schnitt
Stephan Krumbiegel
Länge
101 Minuten
Kinostart
08.09.2011
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Hier hält der Film, was sein Titel verspricht. Andererseits auch wieder nicht, denn man sieht Gerhard Richter nicht nur beim Malen, sondern auch beim Denken, Sprechen, Sehen, in privatem und auch öffentlichem Rahmen. Bei der Kunst und im Kunstbetrieb. Sehen ihn bei einer Ausstellungseröffnung, im Gespräch mit einer Galeristin, mehreren Kuratoren, einem Kunsthistoriker, seinen Assistenten und seiner Ehefrau. Älteres Archivmaterial aus den 1960er-Jahren fundiert das neue Material historisch – und verdeutlicht die unterschiedlichen medialen Settings: In „Gerhard Richter Paiting“ ist man dem Künstler näher, der Interview-Situationen routiniert und geschickt ins Ungefähre lenkt. Manchmal spricht Richter auch mit der Filmemacherin Corinna Belz, die diesen Film dreht und die die eine oder andere Frage hat. Dann denkt man schon manchmal, man sei versehentlich in eine Folge von „Die Sendung mit der Maus“ geraten, so unbekümmert und naiv sind die Fragen und spontanen Statements der Regisseurin. Gleichzeitig aber verraten der leise Humor und das Understatement, mit denen Richter darauf reagiert, etwas über den Künstler, das den ansonsten vorherrschenden Eindruck des Zweiflers und Grüblers ergänzt. Man könnte sagen: Gerhard Richter fungiert in einem Porträtfilm über sich selbst als Agent der Ideologiekritik am Künstlermythos. Das wäre allerhand. Zumeist aber sieht man Richter beim Malen zu: Es ist eine Serie großformatiger, abstrakter Bilder, die er für einen bestimmten Ausstellungsort produziert. Richter malt stets mehrere Bilder gleichzeitig, lässt sich die Farben von seinen Assistenten mischen und trägt dann mit Pinsel und Rakel Farbe auf, bis sehr spannungsvolle, komplex geschichtete Farbräume entstehen. Bevor ein Bild als „fertig“ gilt und in die Öffentlichkeit entlassen wird, wird es in einem Atelier noch einmal für einige Zeit aufgehängt und auf die Probe gestellt. Aus diesem Verfahren ergibt sich im Film eine eigentümliche Spannung, denn die Bilder entwickeln ein Eigenleben und werden zu Protagonisten. Einer der Assistenten Richters bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass man gut daran tut, kein Bild zu loben, weil gerade dies Lob den Meister nachdenklich mache und dazu führe, dass er sich das Bild noch einmal vornehme. In diesem Sinne ist jedes Bild „unfertig“ und erst „gerettet“, wenn es das Atelier verlassen hat. Malen und verwerfen sind zwei Seiten einer Medaille. Zugleich wird beim Beobachten des Künstlers bei der Arbeit auch deutlich, dass diese Arbeit nicht etwa konzeptionell geprägt ist, sondern – schon durch die Wahl des Arbeitsgeräts – deutlich dem Zufall geschuldet ist. Es lässt sich nicht zuverlässig steuern, wo der Rakel Farben verschmiert oder ältere Farbschichten wieder freilegt. Insgesamt ist die Entscheidung, die Genese abstrakter Kompositionen in gebotener Ausführlichkeit zu zeigen, ein Glücksfall in Sachen Kunstvermittlung. Andererseits ist zu bedauern, dass die Filmemacherin kein „theoretisches Erkenntnisinteresse bedienen“ wollte, wie es im Presseheft heißt. Dort stand wohl auch einmal, dass der Film „dem unauflösbaren Geheimnis künstlerischen Schaffens näher“ kommen wolle (im Netz findet sich diese Formulierung noch). Dass man sich mit einer solchen Formulierung ins intellektuelle Abseits stellt, wurde wohl gerade noch vor der Drucklegung erkannt. Jetzt ist nur noch von „den vielschichtigen Vorgängen künstlerischen Schaffens“ die Rede; denn natürlich folgt Richter bei seiner Arbeit keinem privatistischen Spleen, sondern arbeitet auf der Grundlage hochreflektierter kunsttheoretischer Prämissen. Dafür aber interessiert sich die staunende Filmemacherin aber nicht. „Malen ist sowieso eine heimliche Angelegenheit“, wird Richter im Presseheft zitiert. Insofern wäre zu fragen, inwieweit die Situation, vor laufender Kamera zu malen, den Arbeitsprozess verändert. Einmal wird man sogar Zeuge, wie Richter aus dem Arbeitsprozess aussteigt, um ein Bild vor einer falschen Entscheidung zu bewahren. All das leistet der Film nicht, er schweift stattdessen ins Biografische ab, so, als müsste man den Genie-Begriff mal wieder aus dem Fundus holen und gehörig aufpolieren. Dass das gerade im Falle Richters eine fatale Entscheidung wäre, stellt allerdings seine sympathische Präsenz vor der Kamera unmissverständlich klar.
Kommentar verfassen

Kommentieren