Franz von Assisi und seine Brüder

Ein Historienfilm um die Gründung des Franziskanerordens Anfang des 13. Jahrhunderts

Veröffentlicht am
23. Juni 2023
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Die Vögel zwitschern im Wald und hüpfen in ihrem braunen Federkleid fröhlich hin und her. Ähnliche Farben haben die zerrissenen Kutten, und auch die wettergegerbte Haut der Mönche passt dazu. Lachend tollen die Männer im Wald umher. Die Brüder wollen einfach und frei leben, nichts mehr besitzen, keine Habseligkeiten und keine Bequemlichkeit anstreben.

Der Film der beiden französischen Regisseure Renaud Fely und Arnaud Louvet führt ins Italien zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Der Kaufmannssohn Franz von Assisi (1182-1226) hat dem Wohlstand seiner Familie entsagt und eine Gruppe von Mönchen um sich geschart, die die Nähe zu Gott in unbedingter Armut suchen. Nicht erst, seitdem der amtierende Papst Jorge Mario Bergoglio sich nach dieser Heiligengestalt benannt hat, ist Franziskus einer der populärsten Figuren der katholischen Kirche; seine Lehren scheint in Zeiten eines enthemmten Kapitalismus eine neue Relevanz zu entfalten.

In ihrer Aktualisierung haben die Regisseure dem Heiligen eine zweite Figur zur Seite gestellt: Elias von Cortona (1180-1253) schließt sich der Brüderschaft an und wird bald der engste Vertraute von Franziskus. Er wolle dabei helfen, eine bessere Welt zu erschaffen, erklärt Elias, der auch als Ich-Erzähler des Films fungiert. Doch das hehre Ziel steht in Gefahr: Der Papst in Rom weigert sich, der Gründung des umstrittenen Franziskanerordens zuzustimmen. Der Klerus fordert Änderungen, die das radikale Armutsgebot und die Rechte der Ordensmitglieder gegenüber der Leitung betreffen: „Willst du einen Orden gründen, oder rufst du zum Ungehorsam auf?“, muss sich Franziskus fragen lassen. Vom Vorwurf des Ungehorsams kann es zudem nur ein kurzer Weg bis zum Vorwurf des falschen Glaubens oder der Anklage wegen Ketzerei sein.

Der Film beschreibt das Leben der ersten Franziskaner zwischen idealistischem Anspruch und einer harten Wirklichkeit. Er porträtiert eine Lebensform, die nicht in das enge Korsett der Kirche und der mittelalterlichen Feudalgesellschaft passt, wenn die Brüder mit Kindern „Blinde Kuh“ spielen und voller Ekstase das „Ave Maria“ singen oder wenn Franziskus mit fröhlicher Inbrunst im Dorf anstimmt: „Oh Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens“. Es gibt aber auch immer wieder Streit um Grundsätzliches. So möchte Elias gerne einen Garten anlegen, um Lebensmittel für die Armen anzubauen. Doch das bedeutet in den Augen anderer Brüder schon wieder Besitz und unselige Sesshaftigkeit.

Franziskus und Elias werden zu Vertretern zweier gegensätzlicher Haltungen, obwohl ihre Ziele diesselben sind: Dem dynamischen Idealismus des Ordensgründers vermag der bedächtige „Realpolitker“ Elias nicht zu folgen. Er wird zum Verräter, um den Orden zu retten, und verändert die Regeln im Sinne des Vatikans. Er streicht das Recht des Widerstands gegen die Ordensleitung und die Verpflichtung zur Armut. Erst als sich Franziskus’ Gesundheitszustand merklich verschlechtert, bietet sich für die beiden Freunde Gelegenheit zur Versöhnung.

Natürlich muss sich jeder Film über Franz von Assisi an großen Vorläufern messen lassen. Etwa an Roberto Rosselinis „Franziskus, der Gaukler Gottes“ (1949), „Bruder Sonne, Schwester Mond“ (fd 23 153) von Franco Zeffirelli oder den drei „Francesco“-Filme von Liliana Cavani. „Franz von Assisi und seine Brüder“ steht durchaus in dieser Linie. Es handelt sich nicht um ein historisches Biopic, sondern um ein Kammerspiel im Wald, das viel von franziskanischer Ethik erzählt – und von den Problemen schon zu Lebzeiten ihres Gründers, diese Ethik in einer Welt zu leben, die sich vom Armutsgebot existenziell in ihrem Wertsystem bedroht fühlt. Jenseits der religiösen Dimension geht es dabei auch um jene Spannungen, die alle Bewegungen aushalten müssen, die auf eine Veränderung bestehender Zustände abzielen: zwischen Euphorie und Resignation, Revolution und Reform, im Film verpackt als Geschichte der Entfremdung zweier Freunde. Die Kamera bleibt dabei immer eng an den Protagonisten, die Bildgestaltung ist einfach und natürlich, weit entfernt von einem historischen Ausstattungsfilm.


Anbieter/Fotos: EuroVideo

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