Federico Fellini (1920-1993)
blieb selbst als Regisseur ins Groteske verzerrter Fantasien im Herzen stets
ein teilnahmsvoller Realist, der die schönen Täuschungen des Lebens durchschaute,
ohne sich ihnen zu entziehen. Eine Würdigung.
Es ist
mitten in der Nacht, und alle schlafen beinahe, vielleicht, weil das Meer sie
in ihren kleinen Schiffen hin- und herwiegt. Da plötzlich ist es herangekommen,
sein Tuten weckt alle auf: das riesige Schiff, der aus allen Fenstern
leuchtende Ozeandampfer, ein Bote aus der fernen Welt. Und die Leute aus Rimini
in ihren Booten sind entzückt, Gradisca, der Schönen, laufen vor Sehnsucht die
Tränen über die Wangen.
Eine der
großen Szenen aus „Amarcord“
(1973), dem Film über Federico Fellinis eigene Jugendzeit in der Provinzstadt Rimini während der
Mussolini-Ära, eine der Szenen, die verdeutlichen, wie etliche der Figuren in Fellinis
Werk vor Sehnsucht überfließen. Sehnsucht nach beseligendem Glück, nach der
heilenden Vereinigung mit allen anderen, die einsam und verletzt sind nach dem
Abenteuer des bunten Lebens. Als Moraldo in „Die Müßiggänger“ (1953) am Ende des Films am Bahnhof steht
und als einziger aus seiner Gruppe davonfährt. die umklammernde Heimat, die
mütterliche Obhut gleichsam und den Raum der Kindheit verlässt, treibt ihn
Sehnsucht an. Fortgehen, sich losreißen, vielleicht sogar mit dem Risiko, nie
wiederzukehren. Doch seltsam genug, Fellinis männliche Helden entwickeln mit
den Jahren die umgekehrte Sehnsucht; sich heim zu flüchten in die Kindheit und
die Kindheitslandschaft, in die mütterliche Höhle, wie sie in „Achteinhalb“ (1962) als
Traumerinnerung sichtbar wird. Fellini selbst, der von Rimini aufbrach, um nach
Rom zu gehen, hat den Weg zwischen der eng umgrenzten Stadt und der labyrinthischen
Metropole in seinen Filmen wiederholt abgeschritten: Rimini und Rom sind die
Pole seiner geistigen Erdkarte geworden.
Der finale Reigen in "Achteinhalb"
Scheitern
Nie lässt
sich das Erreichte mit dem Gewünschten, Ersehnten, Begehrten messen. Die
lockende Ferne bleibt entrückt – für Gradisca, die einen Carabiniere heiratet,
wie für den Regisseur in „Achteinhalb“,
dessen „himmels-stürmerisches“ Projekt scheitert, wie für Cabiria, die in „Die Nächte der Cabiria“ (1956)
immer an die falschen Männer gerät, die sie ausnutzen oder gar umbringen
wollen, wie für Marcello in „La Dolce Vita“(„Das süße Leben“,
1959), der ein edler Schriftsteller sein will und am Ende ein ausgelaugter
Skandalreporter bleibt. Unerbittlich erzählt Fellini immer wieder vom Missverhältnis
zwischen hochfahrenden Illusionen und der Trägheit seiner Helden, der Trägheit,
die sie – mit wenigen Ausnahmen – auf der banalen Erde festhält. Lebensläufe in
absteigender Linie. Am schärfsten fällt diese Kontur in „Casanova“ (1976) aus, den Fellini selbst als seinen
Unsere Webseite verwendet Cookies. Cookies ermöglichen es uns, unsere Seite stetig zu optimieren. Wir können damit die Seitennutzung auswerten, um nutzungsbasiert Inhalte und Werbung anzuzeigen. Weitere Informationen zu Cookies und insbesondere dazu, wie Sie deren Verwendung widersprechen können, finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.Hinweis akzeptierenDatenschutzhinweis