In
Erinnerung bleibt sie vor allem als charismatische Ikone des französischen
Chansons. Doch Juliette Gréco war auch eine beeindruckende Theater- und
Filmschauspielerin mit einer internationalen Karriere. In Frankreich spielte
sie in Filmen von Jean Cocteau, Jean Renoir und Jean-Pierre Melville, in
Hollywood unter der Regie von John Huston und Henry King. Und sie war der Star
einer legendären Fernsehserie: „Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre“.
Das Geheimnis war natürlich sie selbst.
Das gehörte zu ihrer Aura, mit der sie sich umgab, war Teil ihrer
Selbstinszenierung wie ihrer Kunst. Schon von Beginn an, als Juliette Gréco zur Muse der französischen Existentialisten um Sartre und Camus
wurde, in den verrauchten Kellerbars des Pariser Künstlerviertels Saint-Germain-des-Prés,
in denen sie ihre melancholischen Auftritte als Sängerin hatte. „Le Tabou“ hieß
ihre eigene Bar, die sie 1946, im Alter von 19 Jahren, mitbegründet hatte, und
in der außer Jean-Paul Sartre auch Orson Welles und Marlene Dietrich
verkehrten.
Schwarze Kleidung, schwarzes Haar,
ein blass geschminktes Gesicht, darin ein schwarzer Lidstrich auf den Augen,
das war der Stil, den sie für sich kreierte, auch eine Maske, hinter der sie
sich verbarg: das existentialistische Lebensgefühl als prototypisches Modell.
In einem ihrer denkwürdigsten Filmauftritte ist sie so zu sehen: als Sängerin,
im Grunde genommen „sie selbst“, in einem noblen Pariser Tanzcafé, das
melancholische Titellied des Films an-
und das Filmpublikum auf diese Weise in die Gefühlsverlorenheit der Hauptfigur einstimmend.
Die wird von Jean Seberg gespielt in Otto Premingers Sagan-Verfilmung „Bonjour Tristesse“. Eine Szene in Schwarz-weiß, aus der dann in die farbige
Vergangenheit zurückgeblendet wird. Eine schönere Hommage auf die „schwarze
Muse“ des Existentialismus lässt sich nicht vorstellen.
Doch Gesangsauftritte in Filmen
waren nur eine naheliegende Facette ihrer künstlerischen Arbeit. Juliette Gréco
war nicht bloß eine Sängerin, die wie viele andere Sänger auch irgendwann auch mal
Filme macht; sie war eine gelernte Schauspielerin. Schon 1942, im Alter von 15
Jahren, stand sie das erste Mal auf der Theaterbühne, in einer Inszenierung von
Paul Claudels „Der seidene Schuh“. Sie nahm Schauspielunterricht und brachte es
bis zu einem Engagement an der renommierten Comédie-Francaise. Bis in die
1960er-Jahre konnte man sie in Theaterrollen sehen.
Manchmal
Nonnen, nie Blondinen
Die erste Filmrolle spielte sie 1947,
unter der Regie von Louis Daquin; da verkörperte sie „eine Nonne“.
Es folgten Nebenrollen in Filmen von Alexandre Astruc und Julien Duvivier, doch schon der vierte Auftritt schärfte ihr Profil. 1949
holte Jean Cocteau sie für „Orphée“, seine existentialistische Neudeutung des
Orpheus-Mythos, und gab ihr darin die Rolle einer Anführerin feministischer
Bacchantinnen. 1953 erhielt sie dann die erste Hauptrolle in Jean-Pierre
Melvilles provokantem Beziehungsdrama „Und keine blieb verschont“,
in dem sie am Ende noch einmal als Nonne ins Kloster geht. Bei Jean Renoir
spielte sie 1956 eine Zigeunerin in seinem eleganten Melodram „Weiße Margeriten“. Im gleichen Jahr war sie die Krimi-Partnerin von Eddie
Constantine in „Gangster, Rauschgift und Blondinen“, womit sie
eigentlich nicht gemeint sein konnte, denn blond war sie noch nie.
Dann folgt der große Sprung. Der
mächtige Mogul Darryl F. Zanuck lotste sie 1957 nach Hollywood, für
eine Nebenrolle in der Hemingway-Verfilmung „Zwischen Madrid und Paris“,
wofür sie sogar einen Star-Credit erhielt, der sie gleichrangig neben Tyrone
Power, Ava Gardner und Errol Flynn listete. Nach dieser ambitionierten
Literaturverfilmung unter der Regie von Henry King folgten noch zwei weitere
Versuche Zanucks, Juliette Gréco zum Hollywood-Star aufzubauen: als Partnerin
von Trevor Howard in John Hustons Afrika-Epos „Die Wurzeln des Himmels“,
und als Partnerin von Orson Welles in Richard Fleischers „Drama im Spiegel“. Sie dreht noch ein paar Filme in den USA und England als
Partnerin von Richard Todd, Stephen Boyd und O. W. Fischer, dann ebbt die
englischsprachige Karriere ab. Unvergesslich bleibt aus dieser Phase jedoch ihr
kurzer, charismatischer Auftritt als Sängerin in Otto Premingers „Bonjour Tristesse“ (1957).
Anfang der 1960er-Jahre kehrte
Juliette Gréco nach Frankreich zurück, drehte dort zwar noch Filme, aber ohne
große Ambitionen; stattdessen stellte sie die Gesangskarriere fortan an erste
Stelle. Mitte der 1960er-Jahre heiratete sie Michel Piccoli,
einen der großen Charakterstars des französischen Kinos; ihre Ehe hielt zehn
Jahre.
Am Ende verzeichnet ihre Filmografie
immerhin über 30 Filme. Einmal noch spielte sie eine Hauptrolle, im Jahre 1996,
da war sie schon fast 70, als Partnerin von Klaus Maria Brandauer in „Jedermanns Fest“, einer modernen Paraphrase des Mysterienspiels von Hofmannsthal,
die erst 2002 zur Aufführung kam.
Das
Phantom des Louvre
Eine Rolle bleibt noch zu nennen,
die schauspielerisch ihr größter Triumph wurde. Nach ihrer Rückkehr aus
Hollywood nahm sie 1964 ein Angebot des französischen Fernsehens an: die
Hauptrolle in „Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre“, einer Mystery-Serie in
der großen Serial-Tradition von Louis Feuillade. Der Vierteiler war
ein Straßenfeger, der nicht nur das französische Fernsehpublikum in Bann schlug.
Auch in Deutschland war die Serie 1967 ein Top-Event, wobei die vier
siebzigminütigen Folgen des französischen Originals für das deutsche Fernsehen
zu 13 kurzen Folgen kleingehäckselt wurden, die aber gut funktionierten.
Arthur Bernède, der Autor der 1927
erschienenen Romanvorlage, hatte schon in der frühen Stummfilmzeit für Louis
Feuillade das umfangreiche „Judex“-Serial entworfen. Auch „Belphégor“ war
bereits 1927 zum ersten Mal in Serie gegangen. Claude Barma, Regisseur der
1960er-Version, erwies sich als ein neuer Meister dieses Genres, dem es gelang,
nicht nur eine überaus spannende
Cliffhanger-Dramaturgie mit einigen unheimlichen Momenten zu entwickeln,
sondern auch mit nahezu dokumentarischer Genauigkeit ein nuanciertes Zeitbild
des modernen Pariser Lebens einzufangen. Die Fernsehserie war von so hoher filmischer
und fotografischer Qualität, dass sie in Frankreich auch als Zweiteiler im Kino
zu sehen war.
Titelfigur ist ein mysteriöses
Phantom, das in der Maske einer dämonischen Gottheit zu nächtlicher Zeit die
Altertumssäle des Louvre durchstreift. Ein Polizeikommissar und ein Journalist
versuchen, das Geheimnis zu lüften. Dabei begegnet der junge Journalist einer
geheimnisvollen Frau, die auf ihre Art nicht weniger maskenhaft erscheint wie
das Gespenst und ihn in gleicher Weise magisch in Bann zu ziehen vermag.
Eine für Juliette Gréco
wie auf den Leib geschneiderte Rolle, die sie sich mit souveräner
Schauspielkunst anzueignen wusste. Als sie 2012 für eine Fernsehdokumentation
ihre Karriere resümierte, wusste sie den Stellenwert dieser Serie in ihrer
Karriere sehr genau einzuordnen, wenn auch mit einem Anflug melancholischer
Resignation: Als Sängerin sei sie zwar bekannt, aber berühmt sei sie nur durch
„Belphégor“.
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