Nach 73 Jahren erscheint am Freitag, 18.
Dezember 2020, die letzte Ausgabe der Filmbranchen-Zeitschrift
„Filmecho/Filmwoche“. Der Axtmann-Verlag will sich künftig anderen Aufgaben
widmen; die finanziellen Einbrüche der Corona-Pandemie haben das Ende
besiegelt. Ein Nachruf auf eine Institution, die eng mit dem Kino als Medium
verbunden war.
Zum 70. Geburtstag des Branchenmagazins Filmecho/Filmwoche
im Jahr 2017 erinnerte Kulturstaatsministerin Monika Grütters an den Regisseur Helmut Käutner, der 1947 bei der Gründung der damals noch „Film-Echo“ genannten
Zeitschrift sagte: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus,
vorausgesetzt, dass das Echo des Waldes vorzüglich ist. Verlass dich darauf,
dass wir trotz Hunger, Not und Kälte in den Wald hineinrufen werden.“ Im
November 2020 teilte der Verlag Horst Axtmann den Abonnenten lapidar mit, dass
man sich aus strategischen Gründen „aus der Filmwirtschaft zurückziehen“ und
sich fortan auf die Themenschwerpunkte Ernährung, Gesundheit und Sport
konzentrieren wollte. Das ist das traurige Ende einer langen Geschichte: Nach
73 Jahren ist Schluss für die älteste noch existierende deutsche
Filmzeitschrift!
Was bleibt, ist im Rückblick eine spannende Chronik
der deutschen Filmwirtschaft. Die Titelrechte an der Zeitschrift liegen beim
HDF Kino e.V. Pläne zu einer Weiterführung sind derzeit nicht bekannt. Noch
2017 lobte Thomas Negele, damals der Vorsitzende des HDF Kino, das „Filmecho“
als „eine wichtige Säule in Zusammenarbeit, Information und Partnerschaft“.
Tempi passati.
Christine Berg, die heute den Hauptverband Deutscher
Filmtheater (HDF Kino) leitet, bedauert, dass die Zeitschrift „der aktuellen
Pandemie zum Opfer gefallen ist. Filmecho war über Jahrzehnte hinweg ein fester
Bestandteil der deutschen Kinobranche“. Sie verweist auf die „Goldene Leinwand“, die im Januar 1964 zum ersten Mal an die Karl-May-Verfilmung „Der
Schatz im Silbersee“ vergeben wurde.
Ziel der vom HDF zusammen mit „Filmecho/Filmwoche“
verliehenen Auszeichnung für Erfolg an der Kinokasse (mindestens drei Millionen
Zuschauer innerhalb von 18 Monaten nach Erstaufführung) war es, eine breite
Öffentlichkeit für Kinofilme zu schaffen.
Der Publikumspreis für einen
programmfüllenden Spiel- oder Dokumentarfilm wurde insgesamt 420 Mal verliehen.
„Eine wirklich beeindruckende Zahl. Die Goldene Leinwand ist und bleibt ein
Gütesiegel für den Erfolg eines Kinofilms. Wir als Verband werden diese lange
Verleihtradition auch in Zukunft fortsetzen“, so Berg. „An erster Stelle steht
jetzt der Dank an das gesamte Filmecho-Team, das uns mit seinen Geschichten und
Berichten so lange begleitet hat. Wir werden Euch vermissen!“
Eine kurze Historie
Das „Film-Echo“ wurde 1947 in der Britischen Zone vom
Verband der Norddeutschen Filmtheater im Hamburger Waterloo-Haus in der
Dammtorstraße gegründet; die erste Ausgabe erschien am 15. März 1947. Es war
eine Zeit der Neuorientierung und des Neuanfangs, in der die Menschen nicht
lange zögerten, sondern anpackten. So übernahm der 32-jährige Horst Axtmann die
Chefredaktion trotz dreier Konkurrenzblätter, die dann alle im „Film-Echo“ eine
neue Heimat fanden. Drei Jahre später gründete sich in Wiesbaden der
Zentralverband der Filmtheater e.V., der heutige Hauptverband der Filmtheater
(HDF), der sich das „Film-Echo“ als offizielles Mitteilungsblatt aussuchte; ein
Umzug in die Hessische Landeshauptstadt war damit verbunden. Die Geschäfte
ließen sich gut an; 1955 erreichte das Blatt fast 6500 Abonnenten und kam auf 7000
Ausgaben.
Beflügelt vom Erfolg erschienen wöchentlich zwei
Ausgaben. Den zusätzlichen Titel „Filmwoche“ übernahm der Axtmann-Verlag mit
Herausgeber und Chefredakteur Horst Axtmann sowie dem Drucker Erwin Chmielorz im
Jahr 1962. „Filmecho/Filmwoche“, kurz „Filmecho“, erschien wöchentlich und
richtet sich seither an die gesamte Kino- und Fernsehbranche; vor allem bei
Entscheidern und Machern war die Fachpublikation wegen ihrer wöchentlichen
Statistiken und Hintergrundberichte zum aktuellen Marktgeschehen, aber auch mit
ihrem Überblick über Filmförderung, Filmfinanzierung oder Festivals als Medium sehr
beliebt.
Kein Guru mehr in Sicht: Das Magazin im Outfit Ende der 1990er-Jahre (filmecho/filmwoche)
Fundierte Kenntnis, Nähe ohne Anbiederei
Für Autoren, Wegbegleiter und Filmecho-Redakteure ist
das Ende der Zeitschrift ein harter Schlag, auch wenn sich die desolate
Situation mit geringen Anzeigenerlösen und sinkenden Abonnentenzahlen schon
länger abzeichnete. Trotz überschaubarer Honorare blieben viele Mitarbeiter der
Redaktion über Dezennien hin treu. Bernd Jetschin, der als Chefredakteur von
1990 bis 2000 auf Norbert Wiesner folgte und seither als freier Autor und
Redakteur für Specials tätig war, fällt es schwer, nach beinahe vier Jahrzehnten
Mitarbeit das „Filmecho“ als etwas „Vergangenes zu betrachten oder einen
distanzierten Blick einzunehmen. Alles ist noch so frisch und muss auch
emotional bewältigt werden“. Das „Filmecho“ sei immer ganz nahe dran gewesen an
der Filmwirtschaft, was auch daran lag, dass Redakteure und Autoren eine
fundierte Kenntnis über die Branche und ihre Repräsentanten mitbrachten. „Filmecho“
hat Krisen ebenso wie Aufschwünge begleitet – jede Woche mit Analysen, Zahlen,
Kommentaren, Berichten und Interviews sowie mit vielen Filmkritiken. Feuilletonistischen
Schreibern wurde schon mal sanft bedeutet, dass man ein Blatt für die Filmwirtschaft
sei, keine essayistische Kulturbeilage.
Im Herbst 2017 übernahmen Annette Dombrowski und Stefan
Gehrke das Ruder von Ralf Bögner. Schon in den Jahren davor wurde das
Anzeigengeschäft mühsamer und die Zahlungsmoral nicht besser. Der Knackpunkt
war dann aber wohl die Corona-Krise und die dadurch beschleunigten ökonomischen
Verwerfungen. Von Anfang April bis Anfang Juni 2020 kam es wegen der Pandemie bis
auf die Homepage zum „redaktionellen Lockdown“. Da sich die Schließung der
Fachzeitschrift ankündigte, wurde in der Folge auf ein 14-tätiges
Erscheinungsdatum umgestellt. Mit der Einstellung des Blattes zum Jahresende
2020 geht auch ein Stück Tradition verloren. Mag auch mancher über das Format
geschimpft haben, das in früheren Zeiten aufgrund seiner Größe nur schwer zu
fotokopieren war, so schätzte man doch die Seriosität des Blattes, das sich
zwar der Branche verpflichtet fühlte, aber auf zu gefällige Berichterstattung
verzichtete oder sich beispielsweise auch nicht das „Bild des Monats“ bezahlen
ließ, im Gegensatz zu einem konkurrierenden Branchenblatt und dessen „Foto des
Tages“.
Kein Phoenix aus der Asche
Für Annette Dombrowski war es nach fast 25 Jahre als „Filmecho“-Redakteurin
ein „sehr seltsames und natürlich auch wehmütiges Gefühl. Zu wissen, dass jeder
Arbeitsschritt nun zum allerletzten Mal stattfindet, das ging doch ans Gemüt“.
Damit spricht sie auch für ihre Redaktionskollegen Gehrke und Bögner, die beide
schon seit über 30 Jahren dabei sind. „Neben viel Schweiß ist auch viel
Herzblut vergossen worden“, lautet das Résumé. Der Abschied von dieser
Institution, die die Branche 73 Jahre begleitet hat, fällt schwer. „Wir hätten
gerne noch das 75-jährige Bestehen des Blattes im kommenden Jahr gefeiert. Und
auch das 80. und 85.!“, so die Redakteurin.
Die letzte Ausgabe vom 18. Dezember ist kein
„trübsinniger“ Abschied, sondern versucht, einen Ausblick in eine
möglicherweise „wieder rosigere Zukunft zu geben“, heißt es im Editorial. Auch
die Statements der Branchenvertreter lassen eine gewisse Hoffnung verspüren;
sie malen die Zukunft jedenfalls nicht schwarz in schwarz. Und so wünscht man
sich mit Dombrowski, „dass das Kino auch die aktuelle Krise – wie so viele
andere zuvor – meistern und im nächsten Jahr wie ein Phoenix aus der Asche
wiedergeboren wird“. Für „Filmecho/Filmwoche“ kommt das leider zu spät. Die
Zeitschrift wird der Branche in Zukunft sehr fehlen.
Cover der Ausgabe Nr. 99 am 11. Dezember 1963 (Filmecho/Filmwoche)
Liebe Margret Köhler,
danke für diesen wertschätzenden Beitrag über den Verlust eines wichtigen Branchenmediums. Die beiläufige Art und Weise, in der die Zeitschrift abgewickelt wurde, war der Geschichte und Bedeutung der Institution "filmecho/filmwoche" in keiner Weise angemessen und gerade den Mitarbeitern gegenüber unwürdig. Mit dem Verlust geht außerdem die Einstellung der wichtigen Onlinedatenbank des "Verleihkatalogs" einher, eines für Programmkino- und Festivalmacher wichtigen Rechercheinstruments. Man kann nur hoffen, dass sich der HDF doch noch zur Weiterführung entschließt.
Volker Kufahl, Universum Filmtheater Braunschweig / FILMKUNSTFEST MV Schwerin
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