© imago/United Archives (Helmut Fischer, Karl Obermayr in "Monaco Franze")

Filmliteratur: Karl Obermayr

Eine Biografie des bayerischen Volksschauspielers beleuchtet neben dessen Karriere auch die Umbrüche der bayerischen Theater- und Filmwelt zwischen 1965 und 1985

Veröffentlicht am
24. Januar 2023
Diskussion

Eine Biografie des bayerischen Volksschauspielers beleuchtet neben dessen Karriere auch die Umbrüche der bayerischen Theater- und Filmwelt zwischen 1965 und 1985.


Karl Obermayr (1931–1985) zählte nicht zur Prominenz der bayrischen Volksschauspieler wie Walter Sedlmayr, Fritz Strassner oder Gustl Bayrhammer, doch seine besondere Direktheit und Wahrhaftigkeit des Auftretens prägte sich ein, als Person wie als Schauspieler. Die Figur, an die man sich auch heute noch, 35 Jahre nach seinem Tod, bestens erinnert, ist der Manni in der legendären Fernsehserie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ (1983) von Helmut Dietl. Manni, der Sidekick des Monaco Franze (Helmut Fischer), der seinem Spezi immer wieder, quasi als Mantra, zwischen Bewunderung und Genervtheit schwankend, zuruft: „A Hund bist scho!“.

Die Biografie „Karl Obermayr“ von Roland Ernst ist eine kenntnisreiche, spannend geschriebene, mit vielfältigen zeitgeschichtlichen Bezügen angereicherte Annäherung. Intensiv schildert Ernst die zwei Jahrzehnte, in denen sich Obermayrs Karriere ab Mitte der 1960er-Jahre entwickelte. Es war eine Zeit des gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs. Mit dem traditionellen Heimatfilm und Komödienstadl ging es zu Ende. Autoren wie Rainer Werner Fassbinder und Franz Xaver Kroetz mischten die Szene auf. Dieser Wandel spiegelt sich in Obermayrs Karriere, der von kleinsten Rollen in bayrischen Fernsehserien immer umfangreichere Engagements erhielt, bis er vom neuen Regie-Star Helmut Dietl engagiert wurde, beim „Luther“-Film des ZDF den Part des aufrührerischen Thomas Müntzer übernahm und 1979 eine erste Titelrolle in der Verfilmung des Ludwig-Thoma-Romans „Der Ruepp“ von Kurt Wilhelm ergatterte.

Karl Obermayr in "Kehraus"
Karl Obermayr in "Kehraus"

Die Karriere begann im Modernen Theater

Seine Bühnenkarriere startete, als er 1972 am kleinen Modernen Theater in München die Hauptrolle in dem Stück „Stallerhof“ von Franz Xaver Kroetz übernahm und sogleich ans Schauspielhaus Hamburg verpflichtet wurde, später dann an die Münchner Kammerspiele.

In den schön aufgefächerten Kapiteln begegnet man auch den Geburtsstunden anderer Karrieren. So erscheint 1972 die 18-jährigen Eva Mattes auf der „Stallerhof“-Bühne; Helmut Dietls Ruhm begründet sich mit der Vorabendserie „Münchner Geschichten“ (1974/75), in der Obermayr als Gastwirt Erwin Hillermeier auftaucht; die Karriere von Helmut Fischer erhält den entscheidenden Schub, als er Assistent des „Tatort“-Kommissars Veigl (Gustl Bayrhammer) wird. Ernst erzählt davon, wenn er über den „Tatort: Weißblaue Turnschuhe“ (1973) schreibt, der heute als „Kult“-Tatort gilt (Buch: Herbert Rosendorfer) und in dem Obermayr als Penner und Taschendieb auftritt.

Polizisten, kleine Gauner, Handwerker, auch mal einen Pfarrer – Obermayr verkörperte zumeist „kleine Leute“, also Figuren, die dem kleinbürgerlichen Milieu entstammten und oft ein grantelndes, mürrisches Wesen erkennen ließen. Ihm selbst ging der Ruf voraus, ein schroffer Charakter zu sein. Regisseur Hanns Christian Müller erinnert sich an die erste Begegnung mit ihm: „Sein Erzählduktus war so, dass man es als grantig hätte auslegen können, und dann hat er mittendrin auf einmal das Lachen angefangen, dass man gemerkt hat, der ist ja komplett anders drauf.“ Obermayr hasste aufgedonnerte Künstlichkeit und Theatralik, er wollte natürlich und glaubwürdig erscheinen. Das war sein Ethos als Darsteller und als Person. Alle, die ihm näher begegnet sind, bestätigen das.


Mit Dialekten kannte er sich aus

Ich erinnere Begegnungen mit ihm aus den 1970er-Jahren, als er auch bei studentischen Filmprojekten mitmachte, sich dabei als sehr hilfreich und unkompliziert erwies. Eines Abends kam das Gespräch auf seinen Freisinger Dialekt. Das gefiel ihm, denn mit Dialekten kannte er sich bestens aus. Was ist das für ein Bayrisch, das in den bayrischen Fernsehserien gesprochen wird? Ist das nur so ein Trachtenjanker-Bayrisch? Oder wie steht es mit dem Münchnerisch? Da holte er aus, erklärte uns, dass es das Münchnerisch in Wirklichkeit gar nicht gäbe, sondern dass jedes Stadtviertel seine eigene markante Dialektfärbung habe. Er konnte die Unterschiede genau vormachen und ließ uns hören, wie Karl Valentin eben kein Münchnerisch, sondern das spezielle Au-Münchnerisch sprach. Wir hingen an seinen Lippen, er gab uns eine großartige Dialekt-Lektion.




Literaturhinweis

Karl Obermayr. Von Roland Ernst. Allitera Verlag, München 2020. 244 S. zahlr. Fotos, 24,90 EUR. Bezug: in jeder Buchhandlung oder hier.

Kommentar verfassen

Kommentieren