Eine Biografie des bayerischen Volksschauspielers beleuchtet neben dessen Karriere auch die Umbrüche der bayerischen Theater- und Filmwelt zwischen 1965 und 1985
Eine Biografie
des bayerischen Volksschauspielers beleuchtet neben dessen Karriere auch die
Umbrüche der bayerischen Theater- und Filmwelt zwischen 1965 und 1985.
Karl Obermayr
(1931–1985) zählte nicht zur Prominenz der bayrischen Volksschauspieler wie Walter Sedlmayr, Fritz Strassner oder Gustl Bayrhammer,
doch seine besondere Direktheit und Wahrhaftigkeit des Auftretens prägte sich
ein, als Person wie als Schauspieler. Die Figur, an die man sich auch heute
noch, 35 Jahre nach seinem Tod, bestens erinnert, ist der Manni in der
legendären Fernsehserie „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ (1983) von Helmut
Dietl. Manni, der Sidekick des Monaco Franze (Helmut Fischer),
der seinem Spezi immer wieder, quasi als Mantra, zwischen Bewunderung und
Genervtheit schwankend, zuruft: „A Hund bist scho!“.
Die
Biografie „Karl Obermayr“ von Roland Ernst ist eine kenntnisreiche, spannend
geschriebene, mit vielfältigen zeitgeschichtlichen Bezügen angereicherte
Annäherung. Intensiv schildert Ernst die zwei Jahrzehnte, in denen sich Obermayrs
Karriere ab Mitte der 1960er-Jahre entwickelte. Es war eine Zeit des
gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs. Mit dem traditionellen Heimatfilm
und Komödienstadl ging es zu Ende. Autoren wie Rainer Werner Fassbinder und Franz
Xaver Kroetz mischten die Szene auf. Dieser Wandel spiegelt sich in Obermayrs
Karriere, der von kleinsten Rollen in bayrischen Fernsehserien immer
umfangreichere Engagements erhielt, bis er vom neuen Regie-Star Helmut Dietl
engagiert wurde, beim „Luther“-Film des ZDF den Part des aufrührerischen Thomas
Müntzer übernahm und 1979 eine erste Titelrolle in der Verfilmung des Ludwig-Thoma-Romans
„Der Ruepp“ von Kurt Wilhelm ergatterte.
Karl Obermayr in "Kehraus"
Die
Karriere begann im Modernen Theater
Seine
Bühnenkarriere startete, als er 1972 am kleinen Modernen Theater in München die
Hauptrolle in dem Stück „Stallerhof“ von Franz Xaver Kroetz übernahm und
sogleich ans Schauspielhaus Hamburg verpflichtet wurde, später dann an die
Münchner Kammerspiele.
In den
schön aufgefächerten Kapiteln begegnet man auch den Geburtsstunden anderer
Karrieren. So erscheint 1972 die 18-jährigen Eva Mattes auf der „Stallerhof“-Bühne;
Helmut Dietls Ruhm begründet sich mit
der Vorabendserie „Münchner Geschichten“ (1974/75), in der Obermayr als
Gastwirt Erwin Hillermeier auftaucht; die Karriere von Helmut Fischer
erhält den entscheidenden Schub, als er Assistent des „Tatort“-Kommissars Veigl
(Gustl Bayrhammer) wird. Ernst erzählt davon, wenn er über den „Tatort:
Weißblaue Turnschuhe“ (1973) schreibt, der heute als „Kult“-Tatort gilt (Buch: Herbert Rosendorfer) und in dem Obermayr als Penner und Taschendieb auftritt.
Polizisten,
kleine Gauner, Handwerker, auch mal einen Pfarrer – Obermayr verkörperte
zumeist „kleine Leute“, also Figuren, die dem kleinbürgerlichen Milieu
entstammten und oft ein grantelndes, mürrisches Wesen erkennen ließen. Ihm
selbst ging der Ruf voraus, ein schroffer Charakter zu sein. Regisseur Hanns Christian Müller erinnert sich an die erste Begegnung mit ihm: „Sein
Erzählduktus war so, dass man es als grantig hätte auslegen können, und dann
hat er mittendrin auf einmal das Lachen angefangen, dass man gemerkt hat, der
ist ja komplett anders drauf.“ Obermayr hasste aufgedonnerte Künstlichkeit und
Theatralik, er wollte natürlich und glaubwürdig erscheinen. Das war sein Ethos
als Darsteller und als Person. Alle, die ihm näher begegnet sind, bestätigen
das.
Mit
Dialekten kannte er sich aus
Ich
erinnere Begegnungen mit ihm aus den 1970er-Jahren, als er auch bei studentischen
Filmprojekten mitmachte, sich dabei als sehr hilfreich und unkompliziert
erwies. Eines Abends kam das Gespräch auf seinen Freisinger Dialekt. Das gefiel
ihm, denn mit Dialekten kannte er sich bestens aus. Was ist das für ein
Bayrisch, das in den bayrischen Fernsehserien gesprochen wird? Ist das nur so
ein Trachtenjanker-Bayrisch? Oder wie steht es mit dem Münchnerisch? Da holte
er aus, erklärte uns, dass es das Münchnerisch in Wirklichkeit gar nicht gäbe, sondern
dass jedes Stadtviertel seine eigene markante Dialektfärbung habe. Er konnte
die Unterschiede genau vormachen und ließ uns hören, wie Karl Valentin
eben kein Münchnerisch, sondern das spezielle Au-Münchnerisch sprach. Wir
hingen an seinen Lippen, er gab uns eine großartige Dialekt-Lektion.
Literaturhinweis
Karl
Obermayr.
Von Roland Ernst. Allitera Verlag, München 2020. 244 S. zahlr. Fotos, 24,90 EUR.
Bezug: in jeder Buchhandlung oder hier.
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