Mit Alex Schaads „Aus meiner Haut“ läuft seit Anfang Februar ein Film in den Kinos, in dem Figuren untereinander ihre Körper tauschen. Anlass für einen kleinen Streifzug durch die Kinogeschichte des Motivs: In den 1980ern war der „Body Swap“ ein beliebtes Komödien-Sujet; aber auch zuvor und danach kam der Körpertauch immer wieder zum Einsatz, um vom Sich-Hineinversetzen in ein Gegenüber zu erzählen und sich dabei an Rollenbildern und Identitätsfragen zu reiben.
Diana Prince kann sich kaum durch die Partygesellschaft bewegen, ohne von wildfremden Männern angemacht zu werden. „Entschuldigung, ich kenne Sie nicht, also hören Sie bitte auf, mir zu folgen“, fährt sie einen besonders hartnäckigen Kandidaten an. Doch muss sie feststellen, dass sie sich in diesem einen irrt: In dem unbekannten Körper steckt die Seele ihres seit Jahrzehnten verstorbenen Geliebten Steve Trevor. Er gibt sich ihr zu erkennen, indem er die letzten Worte, die er vor seinem Tod an sie richtete, wiederholt: „Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit.“
Um die unmögliche Wiedervereinigung zwischen der unsterblichen Halbgöttin und ihrem menschlichen Seelenverwandten doch noch geschehen zu lassen, wendet Drehbuchautorin und Regisseurin Patty Jenkins in ihrem zweiten Superheldinnenfilm „Wonder Woman 1984“ ein gängiges Fantasy-Konzept an: den Körpertausch, bei dem zwei oder mehr Seelen ihren angestammten Körper verlassen und in den jeweils anderen einziehen – nicht zu verwechseln mit Besessenheit (böser Geist oder Dämon bemächtigt sich eines Menschen), Reinkarnation (Seele eines oder einer Toten wird wiedergeboren) oder der Verwendung von Avataren (künstliche oder gar virtuelle Körper dienen als Wahlheimat). Diese sind zwar mit dem Körpertausch verwandt, haben jedoch meist eigene Funktionsweisen und sind in Filmen dramaturgisch anders eingebettet.
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Der Körpertausch an sich ist genau genommen natürlich kein eigenes Genre, sondern als Kunstgriff ein Handlungsmotor: Fiktionale Auslöser verursachen den Tausch – sei es ein Glückskeks wie in „Freaky Friday“ (2003), ein Zauber-Dolch wie in „Freaky“ (2020), oder ein Mord wie in „Switch - Die Frau im Manne“ (1991). Meist ist die emotionale Transformation Ziel und Bedingung dafür, den Körpertausch wieder rückgängig machen zu können: Sobald die Betroffenen verstanden haben, weshalb ihre Tauschpartner so fühlen und handeln, wie sie es eben tun, und selbstlos auch für deren Interessen einstehen – sobald also aus dem körperlichen ein empathisches „Sich-Hineinversetzen“ geworden ist – gelangen sie zurück in den eigenen Körper. Aus der Wiederholung dieses Handlungsmusters in verschiedenen Filmen entsteht hier letztlich das Genre.
Steve Trevors Seele hat nach seinem Tod den Körper verlassen, irrte herum und fuhr Jahrzehnte später in den Körper eines anderen Mannes – zugegeben ein einseitiger Körpertausch mit ungleich verteiltem Nutzen. Was in „Wonder Woman 1984“ (2020) als Vehikel für ein Liebesrevival funktioniert, hat in den späten 1980er-Jahren ein ganzes Filmgenre begründet: die Body Swap Comedy. Dass Jenkins den Körpertausch in einem Film einsetzt, der genau in diesem Jahrzehnt spielt, ist also keine Willkür, sondern ein filmhistorisch akkurater Kniff, wenn man so will.
„Body Swap“-Boom Ende der 1980er-Jahre
Natürlich ist der Körpertausch weder eine Erfindung der 1980er-Jahre noch des Mediums Film, findet aber vor allem in der amerikanischen Komödie Anknüpfungspunkte, die gerade in dieser Zeit viele Aspekte der vergangenen Jahrzehnte zusammendenkt: die Körperkomik des klassischen Slapsticks, Sketch-Comedy, die seit dem Start der Show „Saturday Night Live“ 1974 Stars wie die Stand-up-Comedians Steve Martin und Chevy Chase groß gemacht hatte, aber auch der Boom der Romantic Comedy, der spätestens mit „Harry und Sally“ (1989) volle Fahrt aufgenommen hatte.
Wie viele Filmgenres nimmt auch die Body Swap Comedy ihren Ausgang in literarischen Motiven: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts war Körpertausch Thema, etwa im viktorianischen Roman „Vice Versa“ (1892) von Thomas Anstey Guthrie oder in „Laughing Gas“ (1936) von P.G. Woodhouse, dem Erfinder des Komödienduos „Jeeves and Wooster“. Ähnlich der Schauerliteratur, die sich mit dem Doppelgängermotiv beschäftigt – etwa Robert Lewis Stevensons Erzählung „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ (1886) oder Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ (1891) –, wurden einige der meist komödiantisch gefärbten Körpertausch-Romane ebenfalls verfilmt. Einer der ersten war der amerikanische Roman „Turnabout“ (1931) von Thorne Smith. Darin tauscht ein Ehepaar die Körper und muss feststellen, dass die gesellschaftlichen Geschlechterrollen in beide Richtungen einengend und willkürlich sind. In Hal Roachs Verfilmung des Romans aus dem Jahr 1940 ("Die Dame ist der Gatte") tauschen John Hubbard und Carole Landis als Tim und Sally Willows also ihre Körper, doch bleiben ihre Stimmen sozusagen an ihren Seelen kleben: Tim spricht mit Sallys Stimme und sie mit der seinen. Was heute, wenn überhaupt, wie ein merkwürdiger Dubbing-Effekt wirkt und narrativ mehr Fragen aufwirft als zu beantworten, lässt sich retrospektiv jedoch als Übungslauf des Genres verstehen.
Die filmischen Möglichkeiten des Körpertauschs
Vertauschte Stimmen haben sich letztlich nicht durchgesetzt, doch die ersten Versuche mit den Möglichkeiten des Körpertauschs haben gezeigt, dass die Body Swap Comedy sich einerseits einer nahezu reinen Form der Körperkomik hingeben kann, die auf die Funktionsweise und Willkür des menschlichen Körpers abzielt, andererseits fundamental menschliche, weil identitätsstiftende Fragen von Geschlechterrollen, Altersunterschieden, Hautfarbe oder sozialer Herkunft verhandelt.
Wenn sich etwa in „Solo für 2“ (1984) die Seele der verstorbenen Lily Tomlin im Körper von Steve Martin verfängt und fortan mit ihm um die Herrschaft über alltägliche Bewegungsabläufe ringt, wird schlichtes Geradeausgehen zum zerdehnten Slapstick-Kampf, den Steve Martin zur Verwunderung seiner Mitmenschen und zum Vergnügen des Publikums über mehrere Minuten vor einem New Yorker Bürogebäude mit sich selbst austrägt.
Für Schauspielerinnen und Schauspieler sind die im „Body Swap“-Film automatisch anfallenden Doppel- oder gar Mehrfachrollen natürlich auch eine überdimensionale Spielwiese, um mehrere Charaktere auf die Leinwand zu bringen, die Kollegin oder den Kollegen in der komplementären Rolle zu imitieren und neu zu interpretieren und so ihre Bandbreite innerhalb eines Films auszurollen. Je gegensätzlicher die Figuren also sind, desto größer die Herausforderung. In gewisser Weise ist dieser Körpertausch einer der ehrlichsten Special Effects: Es braucht zwar kaum Technik oder Make-up, jedoch Darsteller und Darstellerinnen, die den Rollentausch glaubhaft umsetzen können.
Körperbilder im Wandel der Zeit
Je nachdem, welches Verhältnis die Figuren vor ihrem Körpertausch zueinander hatten, ergeben sich unterschiedlichste Konstellationen aus peinlich berührter, pikierter oder schlichtweg entgeisterter Erkenntnis. In vielen klassischen Body Swap Comedys tauschen Eltern und Kinder ihre Körper – etwa Judge Reinhold und Fred Savage in „Ich bin Du“ (1988) oder Barbara Harris und Jodie Foster in „Ein ganz verrückter Freitag“ (1976), später als „Freaky Friday" (2003) mit Jamie Lee Curtis und Lindsay Lohan neu verfilmt. Hier stehen meist Coming-of-Age-Storys mit Pubertätsdramen und Elternstress im Zentrum, doch auch immer wieder der Kontrast zwischen jungem und altem Körper – selbstredend meist sehr dezent dargestellt, um weiterhin als Familienfilm firmieren zu können. Das Trauma von Jugendlichen, die auf einen Schlag die Pubertät überspringen und etwa wie in „Freaky Friday“ dem Verlobten der Mutter ausweichen müssen, um dessen Avancen abzuwehren, bleibt zweitrangig – eine Gemeinsamkeit mit dem verwandten Genre jener Filme, in denen eine Alterstransformation Kinder in Erwachsene verwandelt wie etwa in „Big“ (1988) oder „30 über Nacht“ (2004).
Natürlich haben sich mittlerweile eine Reihe von Filmen an allen nur denkbaren Spielformen des Körpertauschs abgearbeitet: alte und junge, männliche und weibliche, schwarze und weiße („Watermelon Man“, 1970, „Einmal Himmel und zurück“, 2001), selbst menschliche und tierische Körper („Fluke“, 1995, „Voll verkatert“, 2016). Je größer die Gegensätze der soziokulturellen Hintergründe, die die Tauschpartner mitbringen, desto größer der dramaturgische Spielraum. Bei solchen oft überzeichneten Kontrasten werden Klischees nicht ausbleiben und Zwischentöne untergehen. Das wird vor allem retrospektiv besonders deutlich: Einige der Filme sind in den Körperbildern, die sie zeigen, eher schlecht gealtert – etwa „Switch – Die Frau im Manne“ von Blake Edwards. Darin wird ein Chauvi erst von seinen Exfreundinnen ermordet und bekommt dann doch noch eine Chance auf der Erde: Wenn er es schafft, in einer Frau wahre Liebe auszulösen, darf er bleiben. Das vermeintliche Hindernis an der Aufgabe: Er kommt im Körper einer Frau zurück und der gesamte Film zielt darauf ab, wie schwierig es für eine Frau ist, eine andere Frau zu verführen. Liebe jenseits des heteronormativen Weltbilds ist für die Hauptfigur kaum denkbar, und auch der Film scheint nicht recht daran zu glauben.
Natürlich gelingt es auch vielen der Body Swap Comedys, den Perspektivwechsel sowohl für die Figuren wie auch für das Publikum zu vollziehen. Immer dann bildet der Körpertausch das Kino eins zu eins als Empathie-Maschine ab, die es ermöglicht zu verstehen, wie es sich anfühlt, eine andere Person zu sein: Nicht nur kann sich das Publikum für eineinhalb Stunden in das Leben der Leinwandfiguren hineinversetzen, auch diese müssen sich mit einem solchen Perspektivwechsel auseinandersetzen.
Body Swap jenseits der klassischen Komödie
Nicht immer wollen alle Beteiligten den Körpertausch auch rückgängig machen. Das passiert vor allem dann, wenn der Body Swap jenseits von klassischen Komödien zum Einsatz kommt und mit Genres wie dem Thriller oder dem Horrorfilm zusammengedacht wird: Was, wenn ein Serienkiller es ganz praktisch findet, quasi in Verkleidung zu agieren? Christopher B. Landon stellt diese Frage in seiner Horrorkomödie „Freaky“ (2020) und lässt Vince Vaughn als skrupellosen Mörder in den Körper einer Teenagerin, gespielt von Kathryn Newton, fahren. Das erinnert immer wieder an die genüsslich exaltierten Darbietungen von John Travolta und Nicolas Cage in einem der bekanntesten und dennoch untypischsten „Body Swap“-Filme: „Im Körper des Feindes“ (1997) setzt den Körpertausch als schönheitschirurgische Prozedur ein, in der Polizist Sean Archer (Travolta) äußerlich zum Terroristen Castor Troy (Cage) umoperiert wird, um Informationen von dessen Komplizen einzuholen. Die Drehbuchautoren Mike Werb und Michael Colleary lesen den Körpertausch als vorrangig physischen Vorgang, und Regisseur John Woo kostet die Möglichkeiten des Body Horror als Schauwert aus – „Im Körper des Feindes“ erweitert somit die Anschlussfähigkeit von Körpertausch als narrativen Kniff an weitere Genres aus und ist damit einer der Vorreiter für eine neue und vielfältige Welle an Filmen, die sich mit den philosophischen wie physischen Konsequenzen des Körpertauschs auseinandersetzen.
Renaissance des
Körpertauschs
Langsam entdecken auch Filmemacher die philosophischen und körperpolitischen Möglichkeiten des Genres. Wo „Im Körper des Feindes“ die wissenschaftlich-physiologischen Grenzen auslotete, legte Hollywoods Chef-Gedankenschwurbler Charlie Kaufman mit „Being John Malkovich“ (1999) ein philosophisches Gedankenkonstrukt vor, das Standards setzte – eine versteckte Bürotür auf halber Treppe, die mitten in das Gehirn des Schauspielers führte und eine ganze Kaskade von Persönlichkeitsstörungen nach sich zog.
Natürlich ist „Wonder Woman 1984“ keine eigentliche Body Swap Comedy, aber eben durchaus als Teil einer kleinen Renaissance zu verstehen, in der einzelne Aspekte des Körpertauschs näher untersucht und durchgespielt werden: Animierte Filme wie das Disney-Drama „Soul“ (2020) oder das Coming-of-Age-Anime „Your Name – Gestern, heute und für immer“ (2018) ziehen den Fokus weg vom Show-Effekt, den Schauspieler und Schauspielerinnen weiterhin für sich zu nutzen wissen, und fokussieren sich auf die emotionalen Folgen des Tausches. Die beiden Sequels zu „Jumanji“ (1995) entkoppeln Körper und Geist zwischenzeitlich mithilfe multipler Tauschkreisel zwischen (von realen Darstellern und Darstellerinnen gespielten) Computerspiel-Figuren und realen Personen vollends voneinander.
Alex Schaad hinterfragt in seinem Drama „Aus meiner Haut“ (2022) nichts weniger als den cartesianischen Körper-Geist-Dualismus – wenn der so kategorisch und eindeutig wäre, müsste es ja gleichgültig sein, in welchem Körper ein Geist wohnt, so die Prämisse. Schaad macht daraus sowohl ein psychologisches wie körperpolitisches Planspiel. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Revival noch ein wenig anhält und weiter aktuelle Themenkomplexe aufgreift – rund um Geschlechterrollen, Genderfluidität, aber auch Rassismus und Altersdiskriminierung oder die schauspielpolitischen Fragen danach, wer welche Rollen spielen darf.