With or Without You

Komödie | Großbritannien 1999 | 90 Minuten

Regie: Michael Winterbottom

Ein Paar, das durch seine Kinderlosigkeit in eine Ehekrise geraten ist, sieht seine einstigen Träume und Hoffnungen in Frage gestellt, als ein Jugendfreund der Frau auftaucht, der den Mann zur Eifersucht und zu einem Seitensprung treibt. Mischung aus amüsanter Komödie und konfliktreichem Melodram, die sich durch präzise Milieuzeichnung und nuancierte Alltagsbeobachtungen auszeichnet. Dabei gelingt das Kunststück, Realismus mit schwereloser Abstraktheit bruchlos zu kombinieren. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WITH OR WITHOUT YOU
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Revolution Films
Regie
Michael Winterbottom
Buch
John Forte
Kamera
Benoît Delhomme
Musik
Adrian Johnston
Schnitt
Trevor Waite
Darsteller
Christopher Eccleston (Vincent) · Dervla Kirwan (Rosie) · Yvan Attal (Benoît) · Julie Graham (Cathy) · Alun Armstrong (Sammy)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Melodram
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Die Ausgangssituation erinnert etwas an „Arizona Junior“ (fd 26 198): Vincent und Rosie sind seit vier Jahren verheiratet und noch immer glücklich, zum vollkommenen Familien-Glück fehlt den beiden nur noch ein Baby. Findet jedenfalls Rosie! Diesem Mangel abzuhelfen, widmen die beiden daraufhin ihre ganze Aufmerksamkeit. Doch trotz forciertem Körpereinsatz, sex-technischer Mätzchen, Fruchtbarkeitsratgebern und immer argwöhnischer werdendem sozialem Umfeld bleibt der Erfolg aus. Als schließlich Rosie gar mit dem Gedanken an eine künstliche Befruchtung spielt, ist für Vincent der ohnehin fad gewordene Spaß vorbei. Also führt der Kinderwunsch das junge Paar direkt in die erste große Krise, sein sicher geglaubtes Glück wird fadenscheinig. Hinzu kommen Spannungen im Berufsalltag: Vincent, der Rosie zuliebe seinen Dienst bei der Polizei quittierte, um in der Glaserei des Schwiegervaters zu arbeiten, merkt bei der Begegnung mit alten Kollegen, wie unzufrieden er letztlich mit diesem Zugeständnis ist. Rosie, die an der Rezeption des Belfaster Kulturzentrums arbeitet, wird allmählich zu dünnhäutig, um bei den alltäglichen Querelen mit ihrem Chef souverän und locker zu bleiben. Wie es der Zufall beziehungsweise das Drehbuch will, taucht ausgerechnet in dieser Situation Rosies große Teenager-Liebe Benoît wieder auf, ein ganz softer französischer Tunichtgut, der die romantisch-anarchische Saite in Rosie wieder zum Klingen bringt. Es mag ein Indiz für die Gleichförmigkeit im Leben Rosies sein, dass Benoît „after all these years“ problemlos ihre Fährte aufnehmen kann. Benoît wird von Rosie und Vincent gastfreundlich aufgenommen, doch auf die (auch sprachliche) Vertrautheit der alten Freunde reagiert Vincent mit zunehmender Eifersucht. Bereits früh macht Benoît Vincent mit der wahren Bedeutung des Ausdrucks „ménage à trois“ vertraut. Die ohnehin krisengeschüttelte Gegenwart des Paares wird so durch die Erinnerung an die einstigen Träume und Hoffnungen in Frage gestellt.

Michael Winterbottom findet ein raffiniertes Detail zur Charakterisierung der beiden männlichen Protagonisten: Beide, so unterschiedlich sie sonst auch sein mögen, singen jeweils bei Autofahrten lautstark einen Song mit: Vincent wählt „Love will tear us apart“ von „Joy Division“, was die Mischung aus leidenschaftlicher Hingabebereitschaft und machistischer Verletzbarkeit der Figur unterstreicht, während sich Benoît bezeichnenderweise dem unverbindlichen Pathos des titelgebenden „U2“-Songs hingibt. Letztlich bleibt Benoît eine bloße Funktionsfigur (was keine Kritik an der pointierten Leistung Yvann Attals impliziert). Als Vincent schließlich ohne größere Gegenwehr den Verführungsversuchen seiner Ex-Freundin Cathy nachgibt und Rosie auch noch unfreiwillige Zeugin dieses Seitensprungs wird, entlädt sich die aufgebaute Spannung in einem fulminanten Show down vor dem Hintergrund eines menschenleeren Küstenstriches.

Winterbottoms Produktivität nimmt allmählich Fassbindersche Züge an: Gerade noch entführte er mit „Wonderland“ (fd 33 xxx) auf „Dogma“-verdächtige Weise ins zeitgenössische London, jetzt präsentiert er à la Loach ganz normale Menschen mit ganz normalen Problemen in einem Film, der als amüsante Komödie beginnt, romantische Elemente und brillante Screwball-Dialoge beimischt, um schließlich haarscharf an einer blutig-melodramatischen Konfliktlösung vorbeizuschrammen und wieder zur romantischen Komödie zu werden, dabei kaum einmal die Bodenhaftung präzise gezeichneter sozialer Milieus und nuancierter Alltagsbeobachtung transzendierend. So gelingt dem Film das bemerkenswerte Kunststück, britischen Realismus mit der schwerelosen Abstraktheit der Filme Rudolf Thomes zu kombinieren. Ein kleiner Tipp am Rande: Wem sich die Gelegenheit bietet, sollte sich unbedingt die Originalfassung ansehen, denn Winterbottom nutzt die unterschiedlichen Idiome sehr effektiv, um die einzelnen Figuren und ihre Temperamente innerhalb des sozialen Kosmos von „With or Without You“ zu charakterisieren. Und: Nur in der Originalfassung funktioniert der Gag mit der ménage à trois wirklich!
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