Schnee, der auf Zedern fällt

Drama | USA 1998 | 127 Minuten

Regie: Scott Hicks

Anlässlich des Todes eines einheimischen Fischers rekapitulieren die Bewohner einer Insel vor der US-Pazifikküste die Vergangenheit. Dabei rückt die Jugendliebe zwischen einem Amerikaner und einer japanischen Immigrantin ins kollektive Bewusstsein und weckt die Erinnerung an ein düsteres Kapitel amerikanischer Geschichte: Nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbor wurden alle japanischstämmigen Bewohner in Internierungslager gebracht, wobei sich lang angestaute Ressentiments Luft verschafften. Im gleichberechtigten Nebeneinander von Gegenwart und Vergangenheit evoziert der Film Schmerz und Schönheit zugleich, indem er jenseits romantischer Klischees von der Tragik dieser einzigartigen Liebe erzählt. Außergewöhnlich behutsam inszeniert und eindrucksvoll gespielt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SNOW FALLING ON CEDARS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Universal
Regie
Scott Hicks
Buch
Ronald Bass · Scott Hicks · David Guterson
Kamera
Robert Richardson
Musik
James Newton Howard
Schnitt
Hank Corwin
Darsteller
Ethan Hawke (Ishmael Chambers) · Youki Kudoh (Hatsue Miyamoto) · Max von Sydow (Nels Gudmundsson) · Sam Shepard (Arthur Chambers) · James Cromwell (Richter Fielding)
Länge
127 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Special Edition beinhaltet u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs sowie ein Feature mit nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Als im Jahr 1950 auf einer Insel vor der Pazifikküste der USA die Leiche eines einheimischen Fischers aus dem Meer geborgen wird, sucht die Polizei nicht lange nach dem Täter. Kazuo Miyamoto, der Sohn japanischer Einwanderer, soll den Freund und Kollegen getötet haben, da sich beide Familien bereits seit Jahren um ein Stück Land stritten. Innerhalb kurzer Zeit wird Anklage erhoben und ein Mordprozess eröffnet. Zu dessen aufmerksamen Beobachtern gehört Ishmael Chambers, der die lokale Tageszeitung herausgibt. Er verfolgt den Fall jedoch nicht aus rein professionellem Interesse, denn einst verbanden ihn und Kazuos Ehefrau Hatsue große Gefühle, die schließlich den äußeren Umständen zum Opfer fielen. Die kollektive Erinnerungsarbeit, die die Gerichtsverhandlung auslöst, gilt daher zunehmend der verbotenen Liebe zwischen dem Amerikaner und der Asiatin, während der vermeintliche Kriminalfall zunehmend aus dem Blickfeld gerät. Ishmael und Hatsue waren bereits als Schulkinder miteinander befreundet, bis der erste spielerische Kuss ihrer Beziehung eine neue Qualität gab. Mit den Jahren wuchs ihre Liebe, die sie jedoch nur in der Höhle unter einer riesigen Zeder vollziehen konnten, denn ihr Umfeld war von dem gegenseitigen Misstrauen geprägt, mit dem sich das weiße Amerika und die japanischen Immigranten begegneten.

In diesem Zusammenhang erinnert der Film an eines der dunkelsten Kapitel in der US-Geschichte. Während des Zweiten Weltkriegs hatte die Regierung Japaner und deren Nachkommen als Gefahr für die innere Sicherheit eingestuft und in Lagern interniert. Deutsche Einwanderer hingegen mussten keinerlei Beschränkungen ihrer Bürgerrechte hinnehmen, sodass die rassistische Motivation der Maßnahme unangenehm deutlich war. Die Ursachen und Folgen dieser Entscheidung stehen jedoch ebenso wenig wie die kulturellen Unterschiede zwischen Asien und Amerika im Zentrum der Handlung; sie bilden lediglich den konkreten Hintergrund die Beziehung zwischen Ishmael und Hatsue, denn das Interesse des Regisseurs galt nicht den simplen Weisheiten des politischen Kinos, sondern der universellen Relevanz der einzigartigen Liebesgeschichte. Da deren Scheitern zu Beginn bereits feststeht, liegt der Akzent der Inszenierung auf dem Schmerz der Trennung. Speziell bei Einstellungen, die der Perspektive der Protagonisten verpflichtet sind, befinden sich häufig Gegenstände im Blickfeld, als ob sich die Welt zwischen die Liebenden drängen wolle. Selbst wenn die Kamera eine neutrale Position einnimmt, betonen Glasscheiben, die die Akteure von ihrer Umgebung isolieren, den Mangel an Nähe. Die frostige Distanziertheit, die insbesondere Ishmael kennzeichnet und im kalten Blau-Grau der Bilder ihre optische Entsprechung findet, stellt jedoch kein Persönlichkeitsmerkmal dar, sondern einen Akt des Selbstschutzes, der gerade ihn vor der brennenden Intensität alter Gefühle bewahren soll. Denn an jenem Tag der Erdbeerernte, an dem er zum ersten Mal in Hatsues Armen sein Glück fand, wurde die leuchtende Farbe der Frucht zum Inbegriff seiner Sehnsucht, die nur das sinnliche Rot ihrer Lippen befriedigen kann.

Speziell in den Rückblenden, die den Beginn der Beziehung zwischen Hatsue und Ishmael zeigen, hat sich Hicks auf seine behutsame Bildersprache festgelegt und auf Dialoge weitgehend verzichtet. Jenseits der Floskeln romantischer Redseligkeit kann man die Momente ihrer Liebe daher als Höhepunkte rarer Zärtlichkeit erleben, die in ihrer zerbrechlichen Schönheit bereits die Ahnung ihrer Endlichkeit in sich tragen. Hingegen sind es Worte, die schließlich die Trennung bedeuten und in Ishmaels Bewusstsein als wehmütiges Sampling ewig nachhallen. Er kann Hatsue nicht vergessen, da sie einst seine Wirklichkeit vergoldet hatte. Nun bleiben ihm nur verzweifelte Gedankenspiele, um das alte Glück zur Grundlage der Gegenwart zu machen. Indem er sein Hoffen und Handeln auf einen Punkt in der Vergangenheit ausrichtet, offenbart sich Ishmael als entfernter Seelenverwandter von Ikonen der amerikanischen Literatur. Melvilles Captain Ahab und Fitzgeralds Jay Gatsby hatten ihr Dasein ebenfalls der Überwindung der Zeit gewidmet - und ihre Anmaßung mit dem Leben bezahlt. Ishmael bleibt ein ähnlich dramatisches Schicksal jedoch erspart, da er seine romantische Beharrlichkeit im rechten Augenblick aufzugeben weiß. Als er in der letzten Einstellung als einsame Gestalt in der Nacht verschwindet, hat er bereits angefangen, sich mit jener Realität zu versöhnen, die seinen Träumen nicht dauerhaft gerecht werden konnte.
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