Bonhoeffer - Die letzte Stufe

- | Deutschland/Kanada/USA 2000 | 89 Minuten

Regie: Eric Till

Biografischer Film über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, der sich während des Dritten Reichs aktiv an den Umsturzplänen der deutschen Abwehr um General Canaris beteiligte, nach deren Scheitern zwei Jahre im Gefängnis saß und drei Wochen vor Kriegsende hingerichtet wurde. Er zeichnet das Bild eines sympathischen, weltoffenen Intellektuellen, der nach Hitlers Machtergreifung zu einer wichtigen Figur innerhalb der Bekennenden Kirche wurde. Das nuancierte Spiel des Hauptdarstellers und der unaufgeregte Rhythmus des fürs amerikanische Fernsehen produzierten Films gleichen manche inszenatorische Ungeschicklichkeit aus. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
BONHOEFFER: AGENT OF GRACE
Produktionsland
Deutschland/Kanada/USA
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
NFP teleart/ORB/Norflicks Prod.
Regie
Eric Till
Buch
Gareth Jones · Eric Till
Kamera
Sebastian Richter
Musik
Claude Desjardins · Eric Robertson
Schnitt
Roger Mattiussi
Darsteller
Ulrich Tukur (Dietrich Bonhoeffer) · Johanna Klante (Maria von Wedemeyer) · Robert Joy (Manfred Roeder) · R.H. Thomson (Knobloch) · Ulrich Noethen (Hans von Dohnanyi)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Externe Links
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Diskussion
Der Name Dietrich Bonhoeffers ist nicht nur in kirchlichen Kreise bekannt. Nach dem evangelischen Theologen, der kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg stranguliert wurde, heißen in Deutschland eine Reihe von Schulen und andere Bildungseinrichtungen. Die bekannteste Abbildung zeigt ihn mit schütterem Haar und Nickelbrille als vergeistigen Akademiker, obwohl der 1906 in Breslau geborene Spross einer großbürgerlichen Familie eine ausgeprägte pädagogische Ader besaß. Aus der historischen Ferne des Erinnerungsbildes befreit Bonhoeffer jetzt ein Bio-Pic, das den Geistlichen in Gestalt von Ulrich Tukur als sprachbegabtes, musikalisches Multitalent präsentiert, als sympathischen, weltoffenen Intellektuellen, der nach der Machtergreifung Hitlers bald zu einer wichtigen Figuren innerhalb der Bekennenden Kirche wurde. Der Film beginnt im Sommer 1939 mit Bonhoeffers Lehrtätigkeit in New York, von wo es ihn zurück nach Deutschland zieht, weil er die eigene Sicherheit als Verrat an seinen Freunden empfindet. Mit der Rückkehr blendet auch die Handlung fast unmerklich mehrere Jahre zurück, um in kursorischer Szenenfolge Bonhoeffers Umfeld und die Repressalien der nationalsozialistischen Kirchenpolitik zu skizzieren. Durch seinen Schwager Hans von Dohnanyi gerät er in den Widerstandskreis der deutschen Abwehr um General Canaris, für die er nach der Reichskristallnacht als Kurier tätig wird. Er soll seine ökumenischen Verbindungen nutzen, um dem Ausland Informationen über die Pläne und Absichten der Verschwörer zuzuspielen. Mit der selben Entschlossenheit, mit der Bonhoeffer gegen das NS-Regime agiert, stellt er sich aber auch seinen moralischen Skrupeln und Zweifeln, aus deren Reflexion eine radikale christliche Ethik erwächst. Nur wenige haben sich der Frage der Schuld in politischen Zwangslagen so konsequent gestellt wie Bonhoeffer, dessen Gedanken während der 60er- und 70er-Jahre in den südamerikanischen Befreiungstheologien einen fruchtbaren Boden fanden. Über seinen drängenden Aufgaben und theoretischen Entwürfen verlor Bonhoeffer jedoch auch die Welt aus den Augen, was sich in der Beziehung zu der 17-jährigen Maria von Wedemeyer spiegelt, die er 1942 kennen und lieben lernt. Nach einem gescheiterten Hitler-Attentat fliegen die militärischen Verschwörer auf. Auch Bonhoeffer wird Anfang April 1943 verhaftet und knapp zwei Jahre im Wehrmachtsgefängnis Tegel gefangen gehalten, ehe er knapp drei Wochen vor Kriegsende am Galgen stirbt.

„Bonhoeffer - Die letzte Stufe“ ist ein ambitionierter Fernsehfilm, der von dem kanadischen Routinier Eric Till inszeniert wurde und das Bild eines äußerst lebendigen, integren Menschen zeichnet, der an den Herausforderungen seiner Zeit wächst, nicht zerbricht. Dass Bonhoeffer dabei ein gläubiger Christ und Pastor war, vermittelt Till en passant, mehr über Dialoge und das Umfeld als über kodifizierte Gesten oder Rituale, umso zum Kern von Bonhoeffers Persönlichkeit vorzudringen, wie sie in dessen Texten die Zeit überdauert hat. Zwar misslingt dabei manche Szenen, vor allem, wenn Till mit Gegenlicht arbeitet oder der größt Teil des Films von einer unbeschwerten Morgensonne erwärmt wird. Auch lässt sich kaum übersehen, dass die Geschichte an verschiedenen Stellen gerafft bzw. umgeschnitten wurde. Doch Tukurs verblüffende Ähnlichkeit mit Bonhoeffer, seine nuancierte Darstellung und der unaufgeregte Rhythmus der Inszenierung lassen einen Charakter greifbar werden, der von einer tiefen Hoffnung durchdrungen war, ohne für die Katastrophen der Gegenwart blind zu sein. Tukurs Bonhoeffer ist weder ein steifer Kirchenmann noch eine narzistische Führerfigur, sondern ein zupackender Herzensmensch, dessen „Gottesoption“ ihn zwar nicht vor Angst und Anfechtungen bewahrt, aber eine innere Freiheit gibt, aus der heraus er gegen die Diktatur ankämpft. Ein Bonhoeffer-Satz wie „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen“ klingt in Tukurs Anverwandlung nicht wie ein provokativer One-liner, eher wie ein Credo, und noch in den Gefängnistexten, Gebeten zumeist, ist etwas von den inneren Wurzeln zu spüren, aus denen Bonhoeffers Persönlichkeit wuchs. In den besten Momenten schwingt sich die Inszenierung sogar zu einer dezenten bildhaften Verdichtung der Zeit und Bonhoeffers Schicksal auf, die in manchen überraschenden Totalen durchaus eine Ahnung vom Größenwahn der Nazis vermitteln, in intimeren Szenen, der Hinrichtung etwa, allerdings ins Prätentiöse abgleitet, was durch die musikalische Gestaltung leider durchgehend unterstrichen wird. Dennoch kann man dem Versuch, sich der Gestalt Bonhoeffers zu nähern, sowohl auf Grund ihrer Ernsthaftigkeit als auch wegen ihrer psychischen Sensibilität die Anerkennung nicht versagen.
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