- | Deutschland 1999 | 41 Minuten

Regie: Farhad Yawari

Eine junge Frau, Patientin in einer geschlossenen Psychiatrie, träumt von absoluter Freiheit und Selbstbestimmung und versinnbildlicht ihren Wunsch durch das Symbol im tiefblauen Ozean schwimmender Delfine. Ein poetischer Film, der sich durch konsequenten Stilwillen ebenso auszeichnet wie durch die Gefühlskraft seiner Bilder, die auch Klischees nicht scheuen, um die Harmonie von Mensch und Natur jenseits der Alltagsrealität zu beschwören. (Preis der OCIC in Troia 1999) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Demian Film
Regie
Farhad Yawari
Buch
Farhad Yawari
Kamera
Torsten Breuer
Musik
Marcel Barsotti
Schnitt
Horst Reiter
Darsteller
Julia Brendler (Lara) · Marco Hofschneider (Jakob) · Annette Kreft (Oberschwester) · Pierre Sanoussi-Bliss (Müllmann) · Anna Thalbach (Schokoladen-Mädchen)
Länge
41 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.

Diskussion
Ein Solitär in der deutschen Filmlandschaft: produziert ohne Geld, geschrieben und gedreht von dem Exil-Iraner Farhad Yawari. Im Vertrauen auf ein altes persisches Sprichwort, „Aus vielen Tropfen entsteht irgendwann ein Meer“, glaubte der 25-Jährige gegen alle Widerstände und Hindernisse an seine Vision von „einem Film, der Seele hat“. Auf poetisch-anrührende Weise erzählt „Dolphins“ die universelle Geschichte der Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung: Die junge schöne Lara lebt in der geschlossenen Psychiatrie und träumt davon, aus ihrem unerträglich klinisch weißen Anstaltszimmer fliehen zu können und mit Delfinen im tiefblauen Ozean zu schwimmen. Symbol ihres sehnlichsten Wunsches und zugleich Abbild ihrer realen Situation ist der Goldfisch auf ihrem Nachttisch, der im runden Glas gefangen ist wie sie selbst hinter den vergitterten Anstaltsfenstern. Bei der gestrengen Oberschwester und ihren Mannen findet Lara kein Verständnis, sondern wird wegen ihrer Trotzreaktionen ans Bett gefesselt. Nur der Pfleger Jakob versteht, was tief in ihr vorgeht. Er schenkt ihr eine Muschel und ein Foto des Ozeans. Überglücklich beginnt Lara zu tanzen und steckt alle Insassen und sogar den Müllmann vor der Tür mit ihrer exaltierten Lebensfreude an. Dass sie die Anstaltszucht dabei außer Kraft setzt, bleibt nicht ohne Folgen für sie. Aber in Jakob und dem Müllmann hat sie treue Verbündete gefunden.

Die einen wird „Dolphins“ als Fest der Sinne und der Sinnlichkeit verzaubern, andere werden ihm Kitsch und Gefühlsbombast vorwerfen. Dabei ist die Entstehungsgeschichte fast so interessant wie der Film selbst, handelt doch auch sie vom Wahrwerden eines Traums: Wegen seines Herzensprojekts überwarf sich Farhad Yawari 1995 nach nur dreimonatiger Studienzeit mit seinen Lehrern an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen, weil „Dolphins“ den Rahmen der obligatorischen Kameraübung gesprengt hätte. Bei elf deutschen Fördergremien klopfte er ebenfalls vergebens an. Der eloquente Visionär ließ sich aber nicht unterkriegen, nahm sich ein kleines Büro, überzeugte nach und nach die Schauspieler, ohne Gage zu spielen, und bekam durch einen Artikel im „Jetzt-Magazin“ der Süddeutschen Zeitung schließlich so viel Publicity, dass Sponsoren aus der Filmbranche ihn finanziell unterstützten. Unter dem Strich sammelte das Regietalent ein Budget von beachtlichen 4,5 Millionen DM zusammen und konnte sogar auf den Bahamas mit zahmen, aber frei im Wasser schwimmenden Delphinen drehen. Die Anstrengungen des eigenwilligen Selfmade-Mannes, dessen Vorbild Francis Ford Coppola ist, haben sich gelohnt: „Dolphins“ erhielt internationale Festivalauszeichnungen, darunter den begehrten Publikumspreis auf dem Slamdance Festival in Park City. Yawari selbst wurde in den USA mit Terence Malick, Bertolucci und sogar Steven Spielberg verglichen. Trotz seiner nicht abendfüllenden Länge von 45 Minuten fand der Film einen engagierten deutschen Verleiher und läuft in den Kinos mit den beiden Kurzfilmen „Verzaubert“ von Carmen Stozek und Christian Ditter und „Queen's Park Story“ von Barney Cokeliss, die beide ungewöhnliche Liebesgeschichten aus dem Alltag erzählen.

In seiner filmischen Parabel beweist Farhad Yawari einen ebenso ausgefallenen wie konsequenten Stilwillen, den man im deutschen Kino derzeit höchstens mit Veit Helmer und „Tuvalu“ (fd 34 315) vergleichen kann. Ungewöhnlich für einen inländischen Film, setzt „Dolphins“ ganz auf ein rein emotionales Erzählen ohne Worte und fast ohne Originalton und scheut dabei auch nicht vor einer geballten Ladung an Symbolen und schwarz-weiß-malerischen Klischees zurück, beispielsweise auf der einen Seite das sterile Weiß der Klinik, auf der anderen das betörende Blau des Meeres. Auf die Gefühlskraft der Filmbilder hätte Yawari ruhig mehr vertrauen sollen, denn mit dem pompös-pathetischen Sinfonieverschnitt des Soundtracks hat sich der Regisseur an vielen Stellen keinen Gefallen getan. Überblendungen als vorherrschendes filmisches Stilmittel geben dem Film etwas Visionär-Schwebendes, das in den Unterwasserbildern der nackt mit den Delfinen durch das Wasser gleitenden Lara seinen Höhepunkt findet. Diese zuerst von ihr fantasierte, dann schließlich Realität gewordene Harmonie von Mensch, Natur und Tier ist ein Loblied auf die Freude und die Freiheit. In den schönsten Momenten von „Dolphins“ geht es einem wie dieser Lara: Man fühlt sich mitgezogen in eine wunderbare Welt jenseits der Alltagsrealität.
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