Der Überfall (2000)

Krimi | Österreich 2000 | 84 Minuten

Regie: Florian Flicker

Ein geistig eher schlichter Arbeitsloser gerät angesichts der Perspektivlosigkeit seines Lebens in Hysterie und will einen Banküberfall begehen: Seinem Unterfangen hoffnungslos nicht gewachsen, flüchtet er in einen Schneiderladen, wo er den alternden Besitzer und dessen Kunden, einen biederen Spießbürger, als Geiseln nimmt. Souverän gespieltes Kabarettprogramm, in dem sich die Macht- und Ohnmachtverhältnisse zwischen den drei Männern scheinbar übergangslos ändern. Wie sie rücksichtslos um die eigenen Interessen buhlen und dabei ihre tief verborgenen inneren Befindlichkeiten offen legen, ist ein Paradestück an hintergründiger Menschenbeschreibung, bei der Komik und Tragik eine virtuose Allianz eingehen. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
DER ÜBERFALL
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Allegro Film
Regie
Florian Flicker
Buch
Florian Flicker · Susanne Freund
Kamera
Helmut Pirnat
Musik
Hannes Strobl
Schnitt
Monika Willi
Darsteller
Roland Düringer (Andreas) · Joachim Bissmeier (Boeckel) · Josef Hader (Franz) · Birgit Doll (Böckls Freundin) · Sonja Romei (Maria)
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi | Komödie | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Nicht einmal im Traum gibt der arme Kerl eine gute Figur ab: In die Schalterhalle der Bank späht er nur ängstlich durchs Fenster hinein, um das Bankgebäude dann doch lieber links liegen zu lassen und sich stattdessen, mit der Pistole im Hosenbund und einer Clownsmaske über dem Kopf, ein leichteres Angriffsziel vorzunehmen. Und wenn Andreas Berger nicht zuvor abrupt aus dem Schlaf gerissen würde, bekäme sein Traum-Ich es wohl auch beim versuchten Überfall auf eine Supermarktkasse sogleich noch mit der Angst zu tun. Berger ist frisch geschieden, arbeitslos und vom Mann seiner Schwester nur widerwillig als vorübergehender Mitbewohner in deren Wohnung geduldet. Ein Telefonat mit der Ex-Frau führt dem 32-Jährigen bloß ein weiteres Mal seine Finanznöte vor Augen; wegen der ausstehenden Alimentezahlungen muss er sich am Geburtstag seines kleinen Sohnes mit dem Anwalt drohen lassen. Wie als Fazit der effektiven, kaum fünfminütigen Exposition zeigen Regisseur und Co-Autor Florian Flicker sowie sein Kameramann Helmut Pirnat den Protagonisten in einer kurzen Halbtotalen als einen Menschen, der von einer gleichgültig auf ihn einwirkenden Umwelt förmlich nieder gedrückt wird: Verloren steht Berger in dem unaufgeräumten, fremden Wohnzimmer, in das durch auffallend viele Fenster und Balkontüren das deprimierend trübe Licht eines Februarmorgens fällt. Im Off vermischen sich monotoner Straßenlärm und das Plärren eines Radios, als Berger für einen Moment die Fassung verliert und frustriert zusammensinkt. Sein Versuch, den geträumten Supermarktüberfall in die Tat umzusetzen, verläuft daraufhin noch unrühmlicher, als zu erwarten war, und gipfelt in der grundlosen Flucht ins nächstbeste Geschäft. Dort, in dem engen Ladenlokal eines Schneiders, verdichtet sich der Großteil des zweiten Aktes von „Der Überfall“ auf drei Figuren. Der einfältigen Hektik des manchmal groben, doch eigentlich gutmütigen Berger steht die störrische Grantigkeit des Geschäftsinhabers Josef Böckel gegenüber, der zwar schwer aus der Reserve zu locken scheint, sich aber gelegentlich zu impulsiven Handlungen hinreißen lässt. Zwischen diesen Polen ist mit einem pedantischen Stammkunden Böckels eine Figur angesiedelt, die sofort als Karikatur eines Spießbürgers zu erkennen ist: Als Frühpensionär mit Hang zur Hypochondrie, unverheiratet und noch bei seiner Mutter wohnend, repräsentiert dieser Werner Kopper für Flicker gar den „Österreicher“ schlechthin – ja nicht Stellung beziehen, zur Not intrigieren und vor allem immer das Opfer sein wollen. Diese kammerspielartige Konstellation bürdet den drei Hauptdarstellern eine schwere Last für das Gelingen des Films auf, doch Roland Düringer, Josef Hader und Joachim Bißmeier meistern ihre Aufgaben mit Bravour. In ihren nuancierten Darstellungen lassen die in Österreich bekannten Kabarettisten und Theaterschauspieler die oft absurden menschlichen Unzulänglichkeiten ihrer Charaktere hervortreten, ohne dass ihr Spiel eine ironische Distanz zur jeweiligen Rolle erkennen ließe. Nicht eben überraschend kommt es innerhalb des Trios bald zu Spannungen, während Berger die beiden Älteren ohne rechten Plan gefangen hält. Allzu vorhersehbar berühren die auftretenden Risse in den bürgerlichen Fassaden der Geiseln vor allem die Sexualität und äußern sich in unvermittelter Aggressivität. Der heftigste Ausbruch rührt indes aus einem wunden Punkt Böckels her, der vereinzelt angedeutet, aber nie geklärt wird; zwar zerrt Flicker die Pornohefte und außerehelichen Affären des Grantlers ans Tageslicht, sein schmerzlichstes Geheimnis belässt er ihm jedoch. Die offenkundige Typisierung prädestiniert dagegen Kopper, der Lächerlichkeit preis gegeben zu werden. Wenn er beispielsweise über die angebliche Schlechtigkeit der Frauen jammert, lässt das misogyne Lamento diese Figur in der Tat reichlich albern erscheinen. Wenn in dieser unauffällig montierten Szene die Verkleinerung des Bildausschnittes schließlich darin mündet, dass Koppers Gesicht den CinemaScope-Kader fast ganz ausfüllt, lässt der Film allerdings eine nahezu zärtliche Anteilnahme auch am Schicksal dieses armen Tropfes erkennen. Schade nur, dass sie zuletzt für eine eher aufgesetzt wirkende tragikomische Schlusspointe aufgegeben wird.
Kommentar verfassen

Kommentieren