Marlene Dietrich - Her Own Song

Dokumentarfilm | Deutschland/USA 2002 | 105 Minuten

Regie: J. David Riva

Annäherung an die deutsche Diva Marlene Dietrich, in deren Mittelpunkt die zunehmende Politisierung des Stars steht. In einer aufreizend beliebigen Flut an Bild- und Tonmaterial reiht der dokumentarische Film Episode an Episode, wobei er zumeist dem Anekdotischen verhaftet bleibt und sich an der Oberfläche des allzu Bekannten verliert. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MARLENE DIETRICH - HER OWN SONG
Produktionsland
Deutschland/USA
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Gemini/APG/Apollo Media/Talent Network Media
Regie
J. David Riva
Buch
Karin Kearns
Kamera
Adolfo Bartoli · Uli Kudicke
Musik
Gernot Rothenbach
Schnitt
Katharina Schmidt
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Bring the Song home! Vor den ersten Bildern hört man Marlenes Stimme, die aus dem Off von einer Annäherung an Deutschland erzählt: Drei Jahre dauerte die Reise des Liedes, von Afrika über Italien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden bis nach Deutschland – und dann beginnt sie dieses Lied zu singen: „Lili Marleen“. Ganz am Schluss des Films schildert Maria Riva eine Anekdote von der Überführung von Marlenes Leichnam zur Berliner Grabstätte: Passanten hätten einen Blumenladen leer gekauft, um den Sarg mit Blumen zu überschütten. Im Film sieht man an dieser Stelle ein Transparent von einen Balkon hängen, auf dem geschrieben steht: „Danke, Marlene!“ Riva erzählt mit penetrant amerikanischem Sentiment, dass dieser Empfang, der doch de facto ein Abschied war, Marlene bestimmt gefallen hätte. Hat die Geschichte, die dieser Film erzählt, demnach ein Happy End? Abstrahiert man von den melodramatischen Erzählkonventionen Hollywoods, dann wäre diese posthume Umarmung der Dietrich durchaus die trefflich-böse Pointe einer höchst widersprüchlichen Biografie. Welche Geschichte erzählt „Marlene Dietrich – Her Own Song“ überhaupt? Es dauert eine ganze Weile, bis sich das Thema des Films aus einer aufreizend beliebigen Bild- und Tonflut herausschält. Man sieht Fotos aus dem Familienalbum der Dietrich, Wochenschaubilder, Filmausschnitte, dazu hört man die Stimme einer Erzählerin, verlesene Erinnerungen und Korrespondenzen der Dietrich selbst, Erzählungen von Angehörigen, Mitarbeitern, Angehörigen von Mitarbeitern, aber auch von Historikern, unterlegt von seinerzeit populären Songs – und später den Liedern der Protagonistin. Wirkt die Montage anfangs hochgradig kontingent, so erlaubt die allmählich wachsende Professionalisierung und Popularität der Filmschauspielerin, dass auch in das Familienalbum Bewegung kommt: Dietrich wird zum Objekt der Wochenschauen, Privatfilme treten hinzu – quellenkritisch müsste man sich fragen, welchen Status von Authentizität Privatfilme eines Stars vom Kaliber einer Dietrich beanspruchen können. Wenn man erst ihren fulminanten Auftritt in „Destry Rides Again“ sieht, anschließend Privataufnahmen an der Seite Jean Gabins und dann Wochenschaubilder ausgelassenen Tanzens in der „Hollywood Canteen“, dann ist diese Montage nicht nur gewissermaßen authentisch zu werten – als Ausdruck ihrer Amerikanisierung -, sondern eben auch als Ausdruck eines Imagewechsels, fort vom Sternbergschen Glamour, hin zur handfesten, abgeklärten Macherin mit Lebenserfahrung. Doch lässt sich dieser Prozess mit dem engagierten Einsatz bei der Truppenbetreuung in Frontnähe in Verbindung bringen, vielleicht sogar psychologisch stimmig interpretieren? Im Zusammenhang mit den Urlaubsbildern mit Gabin ist einmal von einem Gefühl der Schuld die Rede, das die Schauspielerin zur forcierten Politisierung getrieben habe. Dieser Gedanke wird allerdings nur als Handlungsmotivation eingesetzt, leider nicht vertieft. Pop und Politik: Früh hat sich der Film dafür entschieden, bereits die junge Schauspielerin der Weimarer Zeit mit einer soliden Subjektivität, mit geradezu rührend autonomer Handlungskompetenz auszustatten – trotz des Einflusses eines Josef von Sternberg – und reiht nun Episode an Episode, verharrt dabei zumeist im Anekdotischen, montiert eine Polyphonie von Stimmen, die sich lediglich an der Oberfläche des allzu Bekannten abarbeiten. Das Zentrum dieses filmischen Essays bleibt im Dunkeln, so rätselhaft und doppelbödig wie der Untertitel „Her Own Song“, der ja vorgibt, hier werde aus erster Hand rekonstruiert, gesprochen. Gibt es überhaupt einen eigenen Song bei einer Diseuse? In der verstörendsten Szene des Films sieht man, wie Marlene bei der Truppenbetreuung in Italien ihre konventionell patriotisch-pathetische Begrüßungsformel komplett vom Blatt abliest. Es charakterisiert „Marlene Dietrich – Her Own Song“, dass der Film diesen merkwürdigen Auftritt filmisch als „business as usual“ behandelt und diese Szene zum Ausgangspunkt einer komplexen, allerdings rein atmosphärischen Montage macht, bei der keine zwei Einstellungen aus demselben dokumentarischen Zusammenhang zu stammen scheinen.
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