Die Reise des jungen Che - Motorcycle Diaries

Road Movie | USA/Deutschland/Argentinien/Großbritannien 2004 | 126 Minuten

Regie: Walter Salles

Auf einer neunmonatigen Reise lernen die verwöhnten Medizinstudenten Ernesto Guevara und Alberto Granado 1952 Lateinamerika kennen, aber auch die Slums und die Lepra-Kranken. Road Movie über die Suche junger Leute nach ihrem Platz im Leben, inspiriert von wahren Erlebnissen, verfilmt in betörenden Landschaftsbildern und einer emotional packenden Inszenierung, die dafür sorgt, dass man nahezu mit den denselben naiven Augen wie der spätere Revolutionsführer Che Guevara das in ähnlicher Form heute noch bestehende Elend des Kontinents entdeckt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MOTORCYCLE DIARIES | DIARIOS DE MOTOCICLETA
Produktionsland
USA/Deutschland/Argentinien/Großbritannien
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
South Fork Pictures/Tu Vas Voir Prod./Film Four/BD Cine/Senator Filmproduktion
Regie
Walter Salles
Buch
José Rivera
Kamera
Eric Gautier
Musik
Gustavo Santaolalla · Jorge Drexler
Schnitt
Daniel Rezende
Darsteller
Gael García Bernal (Ernesto "Che" Guevara) · Rodrigo de la Serna (Alberto Granado) · Mía Maestro (Chichina Ferreyra) · Mercedes Morán (Celia de la Serna) · Jorge Chiarella (Dr. Bresciani)
Länge
126 Minuten
Kinostart
28.10.2004
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Road Movie
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit drei im Film nicht verwendeten Szenen (8 Min.).

Verleih DVD
Paramount (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
In Argentinien lebte einst ein junger Mann namens Ernesto Guevara Serna. Er war aus gutem Hause und studierte Medizin. Kurz vor seinem Examen unternahm er 23-jährig mit seinem Freund und Kommilitonen Alberto Granado aus Abenteuerlust eine lange Reise mit dem Motorrad quer durch Lateinamerika, die sein Leben verändern sollte.

Natürlich kann man heutzutage keinen Film über Che Guevara (1928-67) drehen, ohne dass eine gewisse mythenhafte Verehrung für diesen ungewöhnlichen Revolutionär und Politiker mitschwingt. Auch „Die Reise des jungen Che“ ist nicht frei von solchen Gedanken und Bildern, obwohl der Brasilianer Walter Salles die Zeit verfilmt hat, bevor Ernesto zu Che wurde. Aber er hat einen Bogen gefunden, diese Reise zu einem packenden Road Movie zu machen: Salles beschreibt einfach zwei junge Männer, die bei einer Reise zu sich selbst finden. Anfangs sind beide abenteuerlustig und voller Ideale, obwohl sie nicht gerade zum Helden taugen; vor allem nicht der an Asthma leidende Ernesto, der nicht einmal richtig tanzen kann und sich gegenüber dem adligen adretten Mädchen, das er liebt, minderwertig fühlt. Die Reise der beiden Medizinstudenten kurz vor dem Examen ist das letzte Abenteuer vor dem Erwachsenwerden. Mit wenig Geld wollen sie auf Albertos altem Motorrad Argentinien und die angrenzenden Länder erkunden, über die sie bisher nur wenig wissen. Kaum haben sie das Land verlassen und sind in Chile, fangen die Probleme an. Erst finden sie keinen Schlafplatz, dann werden sie aus der Stadt gejagt – und als sie auf eine Kuhherde treffen, geht das Motorrad kaputt. Während sie auf die Reparatur warten, wird Ernesto zum ersten Mal zu einer kranken Frau gerufen. Sie ist arm, Ernesto kann ihr nicht wirklich helfen, lässt ihr aber einen Teil der Medikamente da, die er eigentlich für sich braucht.

Schon bald können die Männer das Land nicht mehr hoch zu Stahlross erkunden, sondern müssen zu Fuß weitergehen. So erfahren sie, dass es auch ein ganz anderes Lateinamerika gibt als das, das sie aus Büchern kennen. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass sie auf arme und kranke Menschen stoßen, aber auch auf hilfsbereite, die ihnen Unterkunft bieten, und solche, die den Mut nicht aufgeben. Wie der Lepra-Arzt Hugo Pesce in Peru. Bei der Flussfahrt zu der Insel, wo seine Lepra-Kranken leben, stirbt Ernesto fast an einer heftigen Asthma-Attacke. Aber er überlebt – und während sich Alberto lieber dem Black Jack zuwendet, lässt es sich Ernesto nicht nehmen, an seinem 24. Geburtstag spontan durch den Amazonas zu schwimmen, um mit denen zu feiern, die ihm nun mehr am Herzen liegen als er selbst: den Lepra-Kranken. Fast wäre er im Fluss ertrunken, aber eben nur fast, wie er in seinem Tagebuch vermerkt, das er während der Reise begann, die nur vier Monate dauern sollte, dann aber gut doppelt so lang wurde.

Zusammen mit dem weniger beschönigenden Reisebuch von Alberto Granado (der heute 82-Jährige war als Berater bei den Dreharbeiten dabei) bildete das Tagesbuch die Grundlage für Salles’ Film, der keine politischen Statements enthält, nur die entsetzten Äußerungen der beiden Medizinstudenten über die für sie unerwarteten sozialen Missstände. Die setzen Salles und sein Kameramann in ruhig fließende Bilder um, die vor allem vom mitunter märchenhaften Umgang mit Licht und Schatten leben, der die Gedankenlinien fortführt, die Ernesto und Alberto in ihren Gesprächen unterwegs nur anreißen. Obwohl der Film fest in Lateinamerika verwurzelt ist und jenen Kontinent dem Zuschauer näher bringt, in dem sich seit den 1950er-Jahren in sozialer Hinsicht nur wenig Grundlegendes verändert hat, ist „Die Reise des jungen Che“ ein Stück Kunstkino zwischen europäischer Tradition und US-Independent Kino (einer der Co-Produzenten ist Robert Redford). Die Metaphern sind meist einfach. So stehen die Schwierigkeiten mit dem Motorrad und später mit dem Fortkommen an sich für die Enttäuschungen, die junge Leute brauchen, um erwachsen zu werden; oder die Tatsache, dass Ernesto erst zu den Lepra-Kranken schwimmen muss, steht für die mühsame Verbindung zwischen zwei gegensätzlichen Welten. Auch die Verschiedenartigkeit der Charaktere der jungen Männer wird, wie in einem klassischen Road Movie, immer deutlicher. Trotz der in jeder Phase überzeugenden Leistung des mexikanischen Shooting Stars Gael Gárcia Bernal als Ernesto Guevara gehen nicht alle Szenen unter die Haut, ist manches zu langsam (die Lepra-Szenen), manches zu detailverliebt (Ernestos lange Rede gegen soziale Ungerechtigkeit) inszeniert; doch das vergisst man bald wieder angesichts der Tatsache, dass die Geschichte so erschreckend zeitlos und lehrreich ist und ihre Umsetzung so bildstark und glaubhaft.

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