Bin ich sexy?

- | Deutschland 2004 | 90 Minuten

Regie: Katinka Feistl

Eine 15-Jährige, die unter ihrem Gewicht leidet, träumt davon, Model und "Miss Baden-Württemberg" zu werden. Die Hoffnung erweist sich als trügerisch, nachdem sie an einer Hautkrankheit erkrankt und ihre Haare verliert. Nach einem Selbstmordversuch erkennt sie, wie sehr die Familie sie trotz allem liebt, und sucht sich eine neue Zukunftsperspektive. Berührender, sozial und psychologisch genauer Familienfilm, der komische und tragische Szenen geschickt bündelt und durch seine herausragende Hauptdarstellerin besticht. Einige dramaturgische Wendungen und der harmoniesüchtige Schluss schmälern das Vergnügen nur gering. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Maran Film/ZDF
Regie
Katinka Feistl
Buch
Sabine Brodersen
Kamera
Daniela Knapp
Musik
Moritz Denis · Eike Hosenfeld
Schnitt
Tina Freitag · Doreen Krambeer
Darsteller
Marie-Luise Schramm (Mareike Falken) · Birge Schade (Jutta) · Andreas Schmidt (Winnie) · Johanna Fritz (Franca) · Ismail Streit (Timmi)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Heimkino

Verleih DVD
VCL (16:9, 1.66:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Auch das deutsche Kino, besonders das der 1990er-Jahre, hat den grassierenden Jugend- und Schönheitskult mit befördert. Vornehmlich in jenen Lustspielen, die gebräunte, scheinbar nie an Geldmangel leidende Yuppies auf nimmermüder Jagd nach Partnern vorführten, wurden schicke Körper betont lässig eingesetzt. Wer aus diesem Rahmen fiel, etwa zu dick war oder auch sonst nicht den von der Werbeindustrie vorgegebenen Normen entsprach, kam bestenfalls in Nebenrollen vor. Marianne Sägebrecht schien, zumindest auf der Leinwand, längst zum alten Eisen zu gehören, da taucht nun gleichsam ihre jüngere Schwester auf: „Bin ich sexy?“, der den Schlankheitswahn hinterfragt und den Begriff der Schönheit einfach mal anders, nämlich in der Tradition von Rubens definiert, erweist sich auf ganzer Linie als Film der jungen Darstellerin Marie-Luise Schramm. Sie spielt Mareike, eine pummelige 15-Jährige, die es sich in den Kopf gesetzt hat, „Miss Baden-Württemberg“ zu werden. Dafür sind ihr alle Mittel recht: Neben der Schule arbeitet sie beim Großvater auf dem Markt, um Geld für den Modelkurs zu verdienen; sie lässt das Abendbrot unangerührt, legt ihre Beine so oft als möglich auf die Massagemaschine und fährt Fahrrad, wann und wo es nur geht. Dass die Waage nach tagelangen Strapazen gerade mal zwei Pfund Gewichtsverlust anzeigt, macht sie zwar für einen kurzen Moment betroffen, doch schon wenige Augenblicke später beginnt der Kampf gegen die Kalorien erneut. Mareike ist ein Stehauf-Mädchen. Katinka Feistl inszeniert das pointiert, mit Sinn für Tempo und Rhythmus; ihr Film stimmt auch dann, wenn es um die Balance von Komischem und Tragischem geht. Zudem erweist sich „Bin ich sexy?“ als sozial sehr genaue Erzählung: Mareike stammt aus einer Familie, in der der Vater ums Leben kam und die Mutter, eine Kaufhausdetektivin, nahezu täglich übers Auskommen für sich und die drei Kinder nachdenken muss. Auch Mareikes Geschwister werden charakterlich genau konturiert, wobei der kleine farbige Bruder Tim die Rolle des warmherzigen Nesthäkchens einnimmt, die Schwester Franca ihren Vegetarier- und Tiertick allerdings etwas überstrapazieren muss (dennoch bleibt die junge Darstellerin die blasseste der drei Kinder). Die Streitigkeiten unter den Geschwistern und mit der überforderten Mutter sind in Tonfall und Verletzungsgraden gut beobachtet. Zugleich betont Katinka Feistl, etwa durch die Zettel, die Mutter und große Tochter sich unter den Türen zuschieben, wenn sie sich wieder einmal verzankt haben, dass zwischen den Mitgliedern dieser Familie eine große, bedingungslose Liebe herrscht. Wie genau Sabine Brodersen ihr Drehbuch gearbeitet hat, zeigt sich auch daran, dass „Bin ich sexy?“ über einige wichtige, zum jeweils richtigen Zeitpunkt wiederkehrende Konstanten verfügt. Dazu gehört, unaufdringlich ins Bild gesetzt, das Massagegerät, aber auch das Tagebuch, dem Mareike ihre Gedanken und Sorgen anvertraut. Es gibt sehr komische Dialogpassagen, so wenn sich das Rollenverhalten von Mutter und Tochter umkehrt und Mareike angesichts der Entdeckung eines neuen Freundes ihrer Mutter verkündet: „Die soll mir nach Hause kommen!“ Problematisch wird der Film im letzten Drittel. Zu ihrer nicht schlanker werdenden Figur, aus der eigentlich genug Konfliktpotenzial hätte gefiltert werden können, muss Mareike dann noch mit einer Hautkrankheit konfrontiert werden. Plötzlich fallen ihr die Haare aus, der Traum vom Model scheint ausgeträumt. Natürlich ermöglicht diese Krankheit den Autoren, die Fallhöhe ihrer Heldin noch zu vergrößern – das geht bis hin zum Suizidversuch. Zugleich trägt die existenzielle Krise dazu bei, Mutter und Tochter noch näher zueinander zu bringen. Die stärkste Szene des Films ist diejenige, in der sich die Mutter aus Solidarität und als Liebesbeweis ebenfalls ihren Kopf rasiert: „Ich kann auch ohne meine Haare leben. Ich kann auf alles verzichten, nur nicht auf Dich, Mareike.“ Dass diese emotionale Kraft nicht „nur“ aus dem Problem des Dickseins gewonnen wird, trägt allerdings dazu bei, das Thema des Films zu singularisieren. Weniger wäre hier mehr gewesen. Unbefriedigend wirkt das Ende: Die Hoffnung Mareikes, nun als Bauchtänzerin ihr Glück zu machen, wird nicht als Traum inszeniert, sondern zu sehr in der Realität verankert. Es scheint, als hätten da jene harmoniesüchtigen Redakteure ihre Hände im Spiel gehabt, die auch die Schlüsse von „Jena Paradies“ (fd 37 048) und „Kombat Sechzehn“ (fd 37 048) aufweichten, um die Zuschauer – zumindest im Kino – in eine doch nicht ganz so komplizierte und kaputte Welt zu entlassen.
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