Scoop - Der Knüller

Krimi | Großbritannien/USA 2006 | 96 Minuten

Regie: Woody Allen

Eine amerikanische Journalismus-Studentin wird in London vom Geist eines toten Reporters besucht, der sie auf einen skandalträchtigen Mordfall hinweist. Zusammen mit einem Zauberkünstler versucht sie, den Fall zu klären. Allerdings entwickelt sie für den verdächtigen Aristokraten bald Gefühle, die schlecht zu ihrer Recherche passen. Von pointierten Dialogen und gelungener Situationskomik getragenes, höchst amüsantes Drama von Woody Allen vor dem Hintergrund einer satirisch skizzierten Klassengesellschaft, in der für den Erhalt von Status und Privilegien auch über Leichen gegangen wird. - Ab 12.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SCOOP
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Ingenious Film Partners/Jelly Roll Prod./Perdido Prod./BBC Films
Regie
Woody Allen
Buch
Woody Allen
Kamera
Remi Adefarasin
Schnitt
Alisa Lepselter
Darsteller
Scarlett Johansson (Sondra Pransky) · Hugh Jackman (Peter Lyman) · Ian McShane (Joe Strombel) · Woody Allen (Sid Waterman) · Kevin McNally (Mike Tinsley)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Krimi | Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
EuroVideo (1:1,85/16:9/Deutsch dts/DD 5.1/Engl.)
DVD kaufen

Diskussion
Auch wenn er als mittelalterlich anmutende, sensenbewehrte Gestalt auftritt, ist der Tod in Woody Allens neuem Film „Scoop – Der Knüller“ wie einst in „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“ (fd 19 467) weit davon entfernt, in ein transzendentes Sinnsystem eingebunden zu sein; er erscheint eher als ärgerliche Zumutung. Es mag Menschen geben, die friedlich und „lebenssatt“ entschlafen. Solch glückliche Verstorbene sitzen aber offensichtlich nicht mit drin im Nachen des Todes, als dieser den Starreporter Joe Strombel über den Styx ins Jenseits befördet. Vom „Fluss des Vergessens“ kann dabei keine Rede sein, denn die deprimierten Toten beschäftigen sich eifrig mit ihren irdischen Angelegenheiten: Eine ehemalige Sekretärin erzählt Strombel, sie sei von ihrem Chef, dem reichen Aristokraten-Sprößling Peter Lyman, vergiftet worden – weil sie herausgefunden habe, dass dieser niemand anders als der berüchtigte Tarotkarten-Killer sei, der London mit Prostituierten-Morden in Atem hält. Angesichts dieser sensationellen Neuigkeit springt der Journalist kurzerhand aus dem Totenboot, um im Diesseits jemanden zu finden, der an seiner Stelle den Knüller (zu englisch: scoop) publik machen kann. Dieser Jemand ist Sondra Pransky, eine angehende Journalistin, die aus Amerika stammt und in England eine Freundin besucht. Der tote Reporter erscheint der tapsigen Anfängerin ausgerechnet während einer Bühnenshow in der „Dematerialisierungs“-Kiste des Magiers Splendini; trotzdem erwacht angesichts der Mordgeschichte der Jagdinstinkt. Sie heuert den wehleidigen Zauberer als Mentor an, damit er sie bei ihrer Recherche unterstützte. Ziel ist es, sich ins Umfeld des verdächtigen Aristokraten einzuschleusen und Indizien für dessen Schuld zu finden. Sondra geht voller Elan an die Arbeit; da Peter Lyman jedoch äußerst gutaussehend und charmant ist, und der Begriff „Enthüllungsjournalismus“ in Sondras Herangehensweise etwas unorthodoxe Facetten annimmt, leidet bald ihre journalistische Objektivität. Allerdings entwickelt Splendini trotz seiner chronischen Ungeschicklichkeit im Umgang mit den „Oberen Zehntausend“ eine bemerkenswerte Hartnäckigkeit bei der Verfolgung des Killers. Wie „Match Point“ (fd 37 397) kreist Woody Allens neuer Film um einen Mordfall in der High Society, diesmal jedoch nicht aus der Perspektive des Täters, sondern als Screwballkomödie und „Murder Mystery“ aus der Sicht der Ermittler. Einmal mehr ist England der Schauplatz; und wieder wird dabei mit britischen Klischees gespielt, liefern doch die ungeschickten Versuche Splendinis, sich als angeblicher amerikanischer Öl-Magnat im elitären Umfeld der britischen High Society zu behaupten, Stoff für zahlreiche Gags. Trotzdem lässt sich Allens Umgang mit seinem britischen Setting nicht als rein „exotistischer“ Blick des Amerikaners auf das alte Europa abtun; das klischeebeladene Bild der rigiden englischen Klassengesellschaft liefert ihm vielmehr eine probate Chiffre, um als Hintergrund seiner Story eine Tendenz zu beleuchten, die ganz und gar nicht nur Großbritannien betrifft: die Verschärfung sozialer Gegensätze und den damit einhergehenden, rücksichtloser werdenden Kampf um Privilegien und Status. Hinter der verführerischen Kultiviertheit der feinen Gesellschaft lauert hier einmal mehr ein unterschwelliges Gewaltpotenzial, das sich diesmal im rätselhaften Tarotkartenkiller manifestiert; erneut drohen auch die aufkeimenden Gefühle eines jungen Paares dem rücksichtslosen Erfolgsstreben geopfert zu werden. Scarlett Johansson mag derzeit vielleicht mit ihrem Status als „sexiest woman alive“ mehr Schlagzeilen machen als mit ihren letzten Filmprojekten; das ändert aber nichts daran, dass sie in Zusammenarbeit mit den richtigen Regisseuren zu beachtlichen darstellerischen Leistungen fähig ist. Wie in „Match Point“, wo sie ihre Filmfigur bravourös zwischen den Klischees der verführerisch-proletarischen Sexbombe und der weiblichen Opferrolle hindurch manövrierte, gelingt es ihr auch hier, aus der naiven Studentin mit runder Goldrandbrille eine kraftvolle Figur zu erschaffen. Zwar ist der Film weniger hintergründig als der furiose „Match Point“, bietet als Krimi-Komödie aber neben den Schauwerten seines liebevoll inszenierten Handlungsorts spannende, auf absurden Dialogen und perfekt getimter Situationskomik bauende Genre-Unterhaltung auf hohem Niveau. Auch wenn der Ausflug nach Old England diesmal kein Neuland in seinem Oeuvre bedeutet, beweist Allen allemal, dass er als Drehbuchschreiber, Regisseur und Schauspieler sein Handwerk nach wie vor vorzüglich beherrscht – ganz zum Vergnügen der Zuschauer.
Kommentar verfassen

Kommentieren