Die Liebe in mir

Drama | USA 2007 | 125 Minuten

Regie: Mike Binder

Ein Mann hat beim Anschlag auf das World Trade Center seine Familie und dadurch beinahe den Verstand verloren. Um sein Leben halbwegs zu meistern, flüchtet er mittels alter Rock-Musik sowie eines Computerspiels in seine Jugendzeit. Als er einem Bekannten aus jenen früheren Tagen begegnet, tut sich zwischen den beiden ein unüberwindbarer Abgrund aus Schmerz und Schuld auf. Die allegorische Auseinandersetzung mit dem Trauma des 11. September 2001 fesselt durch zwei sich traumwandlerisch ergänzende Hauptdarsteller. Auch wenn Ausrutscher das dramaturgische Konzept verwässern, spiegelt der Film überzeugend die Nachwirkungen einer seelischen Erschütterung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
REIGN OVER ME
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
3 Art Ent./Madison 23/Mr. Madison Prod./Relativity Media/Sunlight Prod.
Regie
Mike Binder
Buch
Mike Binder
Kamera
Russ Alsobrook
Musik
Rolfe Kent
Schnitt
Steve Edwards · Jeremy Roush
Darsteller
Adam Sandler (Charlie Fineman) · Don Cheadle (Alan Johnson) · Jada Pinkett Smith (Janeane Johnson) · Liv Tyler (Angela Oakhurst) · Saffron Burrows (Donna Remar)
Länge
125 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Sony (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Beim Anschlag auf die New Yorker Zwillingstürme hat Charlie Fineman seine Frau verloren, seine drei kleinen Töchter – und beinahe den Verstand. Er bricht alle Brücken hinter sich ab, fährt auf einem motorisierten Tretroller durch ein gespenstisch entvölkertes Manhattan und versucht, die Erinnerungen an seine Familie zu verdrängen, indem er sich in seine Jugendzeit zurückversetzt. Das Medium dafür ist hauptsächlich die Musik, eine Sammlung erlesener Rock-Klassiker, die Charlie als akustisches Schild gegen die Außenwelt stets bei sich trägt. Sobald er seine Wohnung verlässt, stülpt er sich seine Kopfhörer über und lüftet sie erst wieder, wenn er, zu Hause angekommen, das übermächtige Böse auf der Spielkonsole herausfordert. Charlie wird nicht müde, im „Schatten des Kolosses“ zu agieren, weil er nur so vergessen kann, dass er selbst seit mehreren Jahren im Schatten eines Traumas lebt. Eines Tages wird Fineman auf der Straße von einem alten Bekannten angesprochen. Beide haben sich seit Jahren nicht gesehen, und weil Alan, der Charlies Familie nie kennenlernte, wie eine Erinnerung aus dessen Jugendzeit heraufsteigt, wird er als freundschaftlicher Begleiter akzeptiert. Gemeinsam treten sie dem an Charlies Apartmentwand projizierten Koloss entgegen und knüpfen mit nächtlichen Jam-Sessions an die Ungebundenheit früherer Tage an. Was Charlie beim Vergessen hilft, bietet auch Alan, dem erfolgreichen Zahnarzt, ein willkommenes Ventil, um für wenige Stunden dem eigenen Leben als Vorstand einer Bilderbuchfamilie zu entfliehen. Erst als er Charlie auf seinen Verlust anspricht, zeigt sich, welcher Abgrund aus Schmerz und Schuldgefühlen die wiedervereinten Freunde trennt. Die Ereignisse vom 11. September 2001 kann man frontal angehen, wie Oliver Stone („World Trade Center“, fd 37 805) und Paul Greengrass („Flug 93“, fd 37 628) es in ihren wuchtigen Filmen getan haben, oder auf dem allegorischen Umweg, den nach Spike Lee („25 Stunden“, fd 35 931) nun auch Mike Binder einschlägt. „Die Liebe in mir“ ist sein Versuch, die immer noch nachwirkenden seelischen Erschütterungen mit einem Seismografen aufzuzeichnen, und wenn sich Binder dabei auch gelegentlich selbst im Weg steht, so macht er doch auf wunderbare Weise vieles richtig. Eine gute Entscheidung war es, Adam Sandler als Hauptdarsteller zu verpflichten, und eine noch bessere, ihm mit Don Cheadle einen der derzeit versiertesten Supporting Actors zur Seite zu stellen – der deutsche Begriff „Nebendarsteller“ wird Cheadles Kunst nicht im Mindesten gerecht. Während Sandler seine Figur des regressiven Erwachsenen glaubhaft um eine tragische Dimension erweitert, meistert Cheadle die etwas klischeehafte Rolle des modernen Märchenprinzen, der Fineman mit sanftem Nachdruck aus seiner schlafwandlerischen Existenz erlösen soll. Dank klug ausgespielter Gegensätze bilden die Hauptdarsteller vom ersten Augenblick an eine mustergültige Paarung. Schon deshalb würde man „Die Liebe in mir“ gerne als Zwei-Personen-Stück wahrnehmen und die Erinnerung an das dramaturgische Drumherum mit Hilfe des exzellenten Soundtracks ausblenden. Beinahe sämtliche Nebenhandlungen wirken wie Überreste aus Mike Binders abgesetzter HBO-Serie „The Mind of the Married Man“, was man wahlweise für eine ökonomische Arbeitsauffassung oder kindische Trotzhaltung halten kann, aber in keinem Fall für einen ästhetischen Gewinn. Wenn eine neurotische Patientin Alan erst mit dem Angebot sexueller Gefälligkeiten und dann mit der Androhung einer Klage verfolgt, möchte man, so man nicht im Kino säße, am liebsten umschalten; und dass Binder den dramatischen Wendepunkt seiner Geschichte aus der untersten Schublade des Gerichtsfernsehens zieht, ist schlichtweg mit gar nichts mehr zu erklären. In anderen Momenten ist „Die Liebe in mir“ jedoch so sorgfältig inszeniert und so unsentimental in der Behandlung seiner Themen, dass man Binder diese im Grunde unverzeihlichen Ausrutscher am Ende doch wieder verzeiht. Bei allem Ärger sollte man die gute Seite im Auge behalten und zudem anerkennen, dass eine Musikauswahl selten eine derart überzeugende Rolle spielte wie in diesem Film.
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