Das Sichtbare und das Unsichtbare

Drama | Deutschland 2006 | 117 Minuten

Regie: Rudolf Thome

Ein des Lebens müder Maler möchte ein letztes Bild malen, was ihm auch gelingt, nachdem er sich aus seiner langjährigen Beziehung gelöst, eine Affäre mit seinem Modell ausgelebt und drei wortlose Tage mit seiner Tochter am Meer verbracht hat. Auch die Menschen in seiner Umgebung werden in einen Beziehungsreigen einbezogen, der schließlich zum Stillstand kommt. Rudolf Thomes 25. abendfüllende Regiearbeit ist erneut eine Versuchsanordnung, die den Charakteren Gelegenheit gibt, sich mit ihrem Leben und ihren Erwartungen zu arrangieren und beides in Einklang zu bringen. In der Hauptrolle glaubhaft gespielt, lässt der Film reizvolle Interpretationen von Thomes Werk zu. - Ab 16.
Zur Filmkritik filmfriend

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2006
Produktionsfirma
Prometheus
Regie
Rudolf Thome
Buch
Rudolf Thome
Kamera
Fred Kelemen
Musik
Wolfgang Böhmer
Schnitt
Dörte Völz-Mammarella
Darsteller
Guntram Brattia (Marquard von Polheim) · Hannelore Elsner (Maria Döbereiner) · Anna Kubin (Lucia) · Hansa Czypionka (Gregor) · Stefanie Roße (Angie)
Länge
117 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Das „silberne“ Jubiläum seiner 25. abendfüllenden Regiearbeit nahm Rudolf Thome zum Anlass, von einem Maler zu erzählen, der am Ziel seines Schaffens angelangt ist. Es gibt nur ein allerletztes Bild, das er noch machen möchte. Thomes „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ beschreibt, wie dieses Bild zustande kommt. Es liegt nun nahe, den vor der Kamera sichtbaren Künstler als Alter Ego des unsichtbaren Künstlers dahinter zu lesen. Thome unterstützt eine solche Interpretation, indem er zugibt, selbst lange davon ausgegangen zu sein, dass dieser Film sein letzter sein könnte. Dann aber wälzte er die Schaffenskrise erfolgreich auf seinen Protagonisten ab. Wer Referenzen auf die Wirklichkeit sucht, kann im Maler Marquard von Pohlheim unschwer auch den 2006 verstorbenen Schauspieler Marquard Bohm erahnen, mit dem Thome in so vielen Filmen zusammenarbeitete. Auch der wilde und „kaputte Charme“ des Wodka trinkenden und Motorrad fahrenden Malermachos, den Guntram Brattia – ein weiterer Stammschauspieler Thomes – glaubhaft verkörpert, erinnert an Bohms Filmrollen. Wiederum eher an Thome lässt sich denken, wenn Marquard auf einer Veranstaltung, auf der ihm ein hochdotierter Kunstpreis überreicht wird, beklagt, dass diese Anerkennung „20 Jahre zu spät“ käme. Schließlich gelangte Thome in nun beinahe 40 Kinojahren nie so recht über den Status eines Kritikerlieblings hinaus. Was daran liegen könnte, dass er sich einerseits als unspektakulärer „Ethnograf“ zwischenmenschlicher Beziehungen bewährte, andererseits aber seine Beobachtungen nie an naturalistischen Vorlagen schulte, sondern seine stets ein wenig zu sprachgewandte Idealtypen durch fiktive Boheme-Welten wandeln ließ. Damit schnitt er sich das Publikum nach zwei Seiten hin ab, sodass ihm nur eine relativ kleine, dafür aber treue Kinogemeinde erhalten blieb. In diese dürfte auch „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ nur wenig Bewegung bringen. Zwar verleihen die Darsteller ihren Figuren diesmal überwiegend authentische Züge – mit Ausnahme von Hannelore Elsner, die Marquards Lebensgefährtin Maria so spielt, wie sie fast alle ihre Figuren darstellt: mit einer Wucht, die zum Affektierten neigt, und einer hörbuchtauglichen sprachlichen Prägnanz, die im Film bisweilen theatralisch wirkt, was bei Thome aber durchaus erwünscht sein könnte. Der Plot löst sich indes umso mehr von einer sozialrealistischen Alltagsbeschreibung. Gleich mehrere Beziehungskonstellationen werden durchgespielt. Die deutlich ältere Malerin Maria ist – wie sich herausstellt zu Recht – eifersüchtig auf die deutlich jüngere Blondine Angie, die ihm Modell steht. Sie bemalt sich das Gesicht wie eine Indianerin auf Kriegspfad, spricht mit Pferden und findet Trost bei ihrem ehemaligen Partner, einem Philosophen. Marquard dagegen erkennt in der jungen Blonden nur das Spiegelbild seiner Tochter, mit der er dann ans Meer fährt und in einem freiwilligen Schweigegelübde wortlos schöne Tage verbringt. Ein Glück freilich, das, inzestuös eingefärbt, immer auch ein bisschen nach Tod schmeckt; so wie auch die vielen Bade- und Strandszenen, in denen Thome seine wechselnden Paare miteinander vereint. Am Ende malt Marquard sein letztes Bild, und Marias Philosoph singt ein Lied von Fanny van Dannen: „Stell dir vor, das Leben wär’ einfach.“ In diesem Konjunktiv drückt sich aus, was Thomes neuem Film ebenso wie seinem gesamten Oeuvre jene eigenartige atmosphärische Ambivalenz zwischen Präzision und Prätention verleiht: das Sichtbare verschmilzt mit dem Unsichtbaren; das was da ist, mit dem, was fehlt.
Kommentar verfassen

Kommentieren