Aquele Querido Mês De Agosto (Our Beloved Month Of August)

- | Portugal/Frankreich 2008 | 150 Minuten

Regie: Miguel Gomes

Ein Filmteam will während des Sommers in einer portugiesischen Kleinstadt in einer idyllischen Berglandschaft einen Film über die Bräuche und das Alltagsleben drehen. Während die Bewohner mit ihren Eigenheiten, Sorgen und Träumen porträtiert werden, rückt ein spannungsvolles Liebes-Melodram zwischen einigen der Protagonisten ins Zentrum. Der mit dokumentarischen Elementen arbeitende Spielfilm liefert natürliche, bisweilen poetische Momentaufnahmen des Lebens am Rand der europäischen Wohlstandsgesellschaft und wird zum Dokument einer im Verschwinden begriffenen ländlichen Kultur und Mentalität. (O.m.engl.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
AQUELE QUERIDO MÊS DE AGOSTO
Produktionsland
Portugal/Frankreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
O Som e a Fúria/Shellac Films
Regie
Miguel Gomes
Buch
Miguel Gomes · Telmo Churro · Mariana Ricardo
Kamera
Rui Poças
Schnitt
Telmo Churro · Miguel Gomes
Darsteller
Sónia Bandeira (Tânia) · Fábio Oliveira (Hélder) · Joaquim Carvalho · Andreia Santos · Armando Nuñes
Länge
150 Minuten
Kinostart
03.06.2010
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Diskussion
Im Jahr 2004 lernte der portugiesische Regisseur Miguel Gomes im Urlaub eine Tanzband kennen und entwickelte die Grundidee zu seinem Film: das Dokumentarische mit der Fiktion zu verbinden, auf authentische Laiendarsteller statt auf professionelle Schauspieler zu setzen. Den Prozess, die Probleme der Filmproduktion in die Handlung zu integrieren und zu reflektieren, schätzte er als offene Form und interessantes Experiment. Die Teilnahme bei der „Quinzaine“ 2008 in Cannes bescherte „Aquele querido mês de Agosto” zahlreiche Festivaleinladungen und Preise. Selbst im Herstellungsland entkam der Film mit knapp 20.000 Zuschauern dem Arthouse-Ghetto. Arganil, eine Kleinstadt im Bezirk Coimbra, im Zentrum von Portugal, liegt in einer idyllischen Berglandschaft. Dort will im Sommer 2006 ein junger Regisseur mit einem kleinen Team seinen neuen Film drehen. Der aus Lissabon angereiste Produzent beklagt sich, weil er sich nicht ans Drehbuch hält. Das Porträt einer Region mit ihren religiösen Festen, traditionellen Prozessionen, Jagdausflügen und Sommerfeiern, bei denen Amateurbands zum Tanz aufspielen, scheint ihm wenig aussichtsreich. Zu den porträtierten Personen gehört ein älteres Ehepaar, das im Weinkeller vom gemeinsamen Lebensweg sowie vom Schicksal eines Nachbarn, der seine Frau umgebracht hat, erzählt; Paulo, ein bekannter Alkoholiker, wartet ständig auf seinen vereinbarten Lohn und springt von einer Brücke in den Fluss Alva. Eine Einheimische diskutiert am Beispiel ihres Partners, einem aus Liebe in der Gegend gestrandeten Engländer, die Frage des lokalen Rassismus. Obwohl am Set alles unkoordiniert abläuft, entsteht trotz der spontanen, dokumentarischen Arbeitsweise dank der lokalen Naturtalente – wie nebenbei – ein Spielfilm. Die junge Tânia singt in der von Vater Domingos geleiteten Band Estrelas do Alva. Als ihr Cousin Hélder, auf Besuch bei den Eltern, als Gitarrist bei der Musikgruppe einsteigt, verliebt er sich in Tânias Freundin Lena. Hélder und Domingos verstehen sich zunehmend schlechter, da die Eifersucht zwischen beiden unübersehbar wird. Aber der junge Mann rettet dem Onkel bei einem Waldbrand das Leben. Bevor Hélder nach Straßburg abreist, schläft er mit Tânia. Am Ende diskutiert der Regisseur mit seinem Tonmann über die Auswahl des „richtigen“, natürlichen Filmtons. „Aquele querido mês de Agosto” beginnt als Dokumentarfilm und entwickelt sich nach 80 Minuten zum Spielfilm, zum Melodram, um am Ende wieder einen dokumentarischen Schlusspunkt zu finden. Der nach „A cara que mereces“ (2004) zweite Spielfilm des 1972 in Lissabon geborenen Regisseurs verknüpft seine Geschichte aus dem ländlichen Portugal – die Veränderungen in der traditionellen Dorfstruktur mit ihren Ritualen, Geheimnissen und dem Alltagsleben – mit den Problemen des Filmteams, dem die zugesagte Finanzierung fehlt. Der Filmtitel, ein Song der durch die Gegend tourenden Tanzkapelle Estrelas do Alva, reflektiert die Sehnsüchte, die Melancholie der einfachen Bevölkerung. Die populären Melodien und Texte der Lieder spiegeln keine pittoreske ländliche Idylle, sondern einen Mikrokosmos im Umbruch: in der Begegnung mit Heimkehrern, Originalen und finanziellen Sorgen fern der hauptstädtischen Metropole. Dass dort der Verdacht auf eine inzestuöse Beziehung zwischen Vater und Tochter (die Mutter ist angeblich mit einem Mann verschwunden) vom Schwager im Wechselgesang thematisiert wird, führt nicht zum Tabubruch. Der Fim ist eine verblüffend natürliche Momentaufnahme des einfachen Lebens, einer Bevölkerung am Rand der Wohlstandsgesellschaft mit all ihren Klischees, Hoffnungen, Sorgen und ihrer Resignation. Es sind diese Augenblicke der Wahrheit, die kleinen Fluchten, in denen die Poesie des ungeschminkten Alltags und das kleine Glück aufblitzen. Miguel Gomes erzählt eine doppelte Liebesgeschichte – in der dramaturgischen Perspektive zwischen Vater und Tochter, zwischen Tochter und Cousin, aber auch auf der Metaebene, in der Darstellung der regionalen Lebensverhältnisse durch den Film, den Regisseur. Der Film wird so zu einem Dokument des Übergangs, das vom Verschwinden einer ländlichen Kultur und Mentalität mit all ihren Vorurteilen und Rückzugsmöglichkeiten handelt. Es ist der Versuch, das Verschwinden einer untergehenden Zeit aufzuhalten, während diese das selbst nicht einmal wahrnimmt oder empfindet.
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