Hochzeitspolka

Komödie | Deutschland/Polen 2009 | 98 Minuten

Regie: Lars Jessen

Die Hochzeit eines Deutschen und einer Polin führt zu Vorbehalten und Missverständnissen, die sich nur langsam auflösen und einen jungen deutschen Betriebsleiter aufzureiben drohen. Dabei zeigt sich, dass die norddeutsche und die ostpolnische Mentalität trotz unterschiedlicher Traditionen gar nicht so weit von einander entfernt sind. Amüsantes Lustspiel mit Musik und kabarettistischen Gags, das souverän mit Klischees jongliert und trotz dramaturgischen Gleichmaßes gut unterhält. Die Chance zur problembewusst vertiefenden Komödie wird freilich nicht genutzt. (Teils O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland/Polen
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Pandora Film Prod./NDR/STI Studio Filmowe
Regie
Lars Jessen · Przemyslaw Nowakowski
Buch
Ingo Haab · Przemyslaw Nowakowski · Lars Jessen
Kamera
Marcus Kanter · Michael Tötter
Musik
Jakob Ilja
Schnitt
Sebastian Schultz
Darsteller
Christian Ulmen (Frieder Schulz) · Katarzyna Maciag (Gosia Borowka) · Fabian Hinrichs (Jonas) · Waldemar Kobus (Manni) · Lucas Gregorowicz (Paul)
Länge
98 Minuten
Kinostart
30.09.2010
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs und der Moderatorin Wiebke Colmorgen, ein Feature mit elf im Film nicht gezeigten Szenen (14 Min.) sowie ein längeres Interview mit dem Regisseur (11 Min.).

Verleih DVD
X-Film/Warner (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Mit Hard-Rock, Schnaps und den Schönen rund um Itzehoe kannte sich Frieder früher bestens aus. Jedes Mal, wenn seine Cover-Band „Heide Hurricane“ auftrat, galt das als regionales Ereignis, und sei es nur wegen der damit oft verbundenen Schlägerei. Doch eines Tages startete Frieder eine Flucht nach vorn. Er wurde Geschäftsführer einer deutschen Firmenfiliale in Polen. Weit im Osten. Fast in Sibirien. Und fand hier nicht nur ein einträgliches Auskommen, sondern auch sein (Liebes-)Glück in Gestalt der bezaubernden Gosia. Soweit die Vorgeschichte, die Lars Jessen in einer knappen Ouvertüre Revue passieren lässt, bevor er auf den Kern des Films, die Hochzeit des deutsch-polnischen Paars, zusteuert. Wie in einigen seiner früheren Kinofilme („Am Tag, als Bobby Ewing starb“, fd 37078, „Dorfpunks“, fd 39265) verknüpft er auch diesmal Musik mit individuellen Reifeprozessen und Konflikten des Erwachsenwerdens, das sich hier vergleichsweise spät vollzieht, mit seismografischem Gespür für Verwerfungen und Untiefen der Provinz. Diesmal stoßen sogar zwei Provinzen aufeinander: die (nordwest-)deutsche und die (ost-)polnische. Im Grunde sind sie gar nicht so weit voneinander entfernt – mit ihrem Traditionalismus, den Vorbehalten gegen alles Fremde, einer aus Angst und Unsicherheit gewachsenen Bunkermentalität. Vor allem aus dem Zusammenprall der plötzlich und uneingeladen angereisten einstigen deutschen Band-Kumpels mit polnischen Dickköpfen und Engstirnen schlägt der Film komödiantische Funken. Dabei holen die Polen gelegentlich die Anti-Nazi-Keule heraus, etwa wenn sie den poltrigen Gästen „Verfluchte Herrenrasse“ hinterher zischen. Und die Deutschen? Die unterhalten sich auf die Frage nach möglichen touristischen Ausflügen auch über Auschwitz, ziehen dann aber das Fazit: „Och nö, viel zu depri.“ In solchen politisch halbwegs unkorrekten Momenten, zu denen auch der Kommentar über Frieders Kniefall am Grab von Gosias Mutter gehört („Der macht einen auf Willy Brandt“), jongliert der Film souverän mit Klischees, vor denen, auf beiden Seiten, kaum jemand gefeit ist. Mit Aplomb machen sich Jessen und seine beiden Drehbuchautoren über Spießbürger lustig, etwa über Frieders Eltern, die auf die Frage, ob sie das erste Mal in Polen seien, nur zu stottern wissen, sie seien früher schon mal in der DDR gewesen. Unwissenheit über den Osten auf der einen, Misstrauen gegen die Deutschen auf der anderen Seite: Daraus entwickelt der Film kabarettistisches Potenzial. Dass die bisweilen holzschnittartigen Figuren schließlich klüger aus der Handlung gehen, als sie ins Geschehen hineingestolpert sind, versteht sich dann fast von selbst. „Hochzeitspolka“ lebt vorwiegend von Missverständnissen, die aus langlebigen Stereotypen entstehen, eine gegenseitige lauernde Distanz bedingen und in Verfolgungsjagden, Handgreiflichkeiten und Friedensangeboten münden. Das ist vergnüglich anzuschauen, erschöpft sich aber zunehmend in erzählerischem Gleichmaß. Bedauerlich bleibt, dass der Schritt vom Lustspiel zur Komödie nicht gelingt. Dabei war das dafür nötige Potenzial durchaus vorhanden. Frieder spielt mit seinen polnischen Angestellten nämlich ein falsches Spiel. Seine Firma soll durch die deutsche Zentrale geschlossen werden, um in der billigeren Ukraine neu aufzuerstehen. Frieder weiß das und wiegt die Polen dennoch in trügerischer Sicherheit. Dieser Konflikt, der zu Beginn knapp angerissen wird, hätte dramaturgisch als Damoklesschwert, das über der Hochzeit schwebt, ein weit größeres Gewicht einnehmen müssen. Mag sein, dass Frieder dann zwielichtiger erschienen wäre und nicht mehr ganz so nett wie jetzt; weniger Kabarettistisches, mehr Existenzielles hätte „Hochzeitspolka“ deutlich mehr Tiefe gegeben. Die Hochzeit und die umliegenden Ereignisse sind unterhaltsam inszeniert. Aus dem großen Gruppenbild ragt Christian Ulmen als Frieder heraus, der die Unsicherheit seiner Figur, das Hin- und Hergerissensein zwischen alten deutschen und neuen polnischen Freunden unter anderem dadurch ausdrückt, dass er kaum einen Satz zu Ende bringt. Ein verdruckster Hansdampf, der intelligenter ist als er scheint, und doch auch seine ganze Vergangenheit, den dumpfen Provinzialismus, auf seinen Schultern mitschleppt. Mit Glück und Bauernschläue weiß er die unterschiedlichen Parteien zu besänftigen. Die Liebe, die Gosia an ihn bindet, ist freilich mehr behauptet als durch Katarzyna Maciags Darstellung motiviert. Der Fairness halber muss allerdings gesagt werden, dass das Drehbuch auch nur beschränkte Spielmöglichkeiten für die polnische Darstellerin bereithielt. Der Schluss des Films, an dem der legendäre „Tote Hosen“-Song vom „Eisgekühlten Bommerlunder“ zweisprachig als großes Versöhnungstableau gegrölt wird, wirkt erzählerisch hilflos und verstärkt den Eindruck allzu netter Oberflächlichkeit.
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