Cirkus Columbia

Komödie | Frankreich/Großbritannien/Deutschland/Slowenien/Belgien/Serbien/Bosnien-Herzegowina 2010 | 110 Minuten

Regie: Danis Tanovic

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kehrt ein Jugoslawe aus dem Westen in seine Heimat zurück. Dort muss er sich mit der Ehefrau auseinandersetzen, die einst schwanger zurückblieb, und mit einem gesellschaftlichen Klima, in dem neue Konflikte aufziehen. Beschwingt und zärtlich wird von Figuren erzählt, deren Beziehungs- und Gefühlsleben durch die politischen Stürme zunehmend aus den Fugen gerät. Dabei wandelt sich der Film, wenn er vom Privaten ins Politische überblendet, vom sommerlich-lakonischen Lustspiel zur tragikomischen Dorfposse mit melancholischem Anklang. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
CIRKUS COLUMBIA
Produktionsland
Frankreich/Großbritannien/Deutschland/Slowenien/Belgien/Serbien/Bosnien-Herzegowina
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Asap Films/Sutonomous/Studio Maj/Razor Film/Man's Film/2006/Art & Popcorn
Regie
Danis Tanovic
Buch
Danis Tanovic
Kamera
Walther van den Ende
Schnitt
Petar Markovic
Darsteller
Miki Manojlovic (Divko Buntic) · Boris Ler (Martin Buntic) · Mira Furlan (Lucija) · Jelena Stupljanin (Azra) · Mario Knezovic (Pivac)
Länge
110 Minuten
Kinostart
20.10.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Europa 1991: Der Eiserne Vorhang ist zerrissen, die alte Weltordnung am Bröckeln, die Grenzen verschieben sich. Da und dort, vor allem im noch existierenden Jugoslawien, stehen nach ersten demokratischen Wahlen und den Souveränitätserklärungen einzelner Teilrepubliken die Zeichen auf Sturm. Derweil die einen, aufgerüttelt von den Vorboten des Bürgerkriegs, die Reise in den Westen antreten, holen andere ihre Waffen hervor. Die dritten aber zögern und harren der Dinge, die kommen. Mitten in dieser brodelnden Stimmung zieht in Danis Tanovics viertem Film ein Mann nach Jahren im deutschen Exil nach Bosnien-Herzegowina zurück. Divko hat sein Heimatdorf vor zwei Jahrzehnten in einer hektischen Nacht- und Nebel-Aktion verlassen, inzwischen in der Fremde zwar nicht sein Glück gefunden, aber doch etwas Geld gemacht. Nun fährt er eines Tages mit einer Jahrzehnte jüngeren Geliebten Azra und der Katze im schicken Mercedes in sein Dorf ein. Hier will er sich eine neue Existenz aufbauen, in Ruhe den Rest seines Lebens verbringen. Ganz so einfach geht das jedoch nicht; denn so souverän Divko damals auf vermeintlich Nimmerwiedersehen verschwand, um im Westen ein besseres Leben zu führen, so ließ er doch auch Etliches zurück, an dem sein Herz hing: Verwandte, Freunde, Bekannte. Vor allem aber die Liebe seines Lebens, seine Ehefrau Lucija. Sie war damals schwanger, konnte und wollte Divko nicht begleiten und haust nun mit ihrem Sohn Martin in Divkos Elternhaus. Zunächst wird sie von dem Heimkehrer grob vor die Tür gesetzt. Doch ganz so egozentrisch-cool ist Divko (vom brillanten Miki Manojlovic als subtile Mischung aus großspurigem Macho und charmantem Lebemann interpretiert) dann doch nicht. Eine Katze, die Glück bringt, Lachen, Tränen, Sex, Streit, harsche Töne und sprudelnde Lebensfreude: Neun Jahre, nachdem Tanovic mit „No Man’s Land“ (fd 35 824) sein fulminantes Regiedebüt vorstellte und dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien mit einem surrealen Anti-Kriegsdrama ein Denkmal setzte, kehrt der Filmemacher in seine Heimat zurück. Beschwingt und mit einer väterlichen Zärtlichkeit, wie sie bisweilen auch in den Filmen von Emir Kusturica aufblitzt, schildert er in „Cirkus Columbia“, wie sich seine Protagonisten durch ihre wegen der politischen Ereignisse zunehmend aus den Fugen geratenden Beziehungs- und Gefühlsleben strampeln. Der Film ist bisweilen sommerlich-bukolisch, treibt aber, wenn es politisch wird, auch Richtung tragikomischer Dorfposse. Vor allem aber ist er eine von stiller Melancholie durchzogene Ode ans Leben und die Fähigkeit, zu lieben und sich in den absurdesten Situationen neu einzurichten. Wie in dem nach einem Roman von Ivica Djikic gedrehten Film der Vater seinem Sohn ein Bündel Geldscheine in die Hand drückt und meint, dass man damit zwar alles kaufen, aber nicht alles erhalte könne, so ist dies auch eine hübsche kleine „Fabula Docet“, die angesichts der wenig später in der Ferne fallenden ersten Bomben zusätzlich Gewicht erhält.
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