Happy People: Ein Jahr in der Taiga

Dokumentarfilm | Deutschland 2012 | 90 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Dmitry Vasyukov

Vier Jahreszeiten in der sibirischen Taiga, vom Aufbrechen der Eisschollen auf dem Fluss Jenissei im Frühjahr bis zur Rückkehr des harten, langen Winters. Werner Herzog verdichtet eine vierstündige Fernsehdokumentation des russischen Regisseurs Dmitri Vasjukov zum filmischen Essay über das Verhältnis von Mensch und Umwelt. Die Porträts der Jäger und Fallensteller, die als große Einzelgänger allen Gefahren trotzen, geraten mitunter allzu schwärmerisch, dennoch bleibt stets die Hochachtung vor der Symbiose aus Individuum und Natur spürbar. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Studio Babelsberg
Regie
Dmitry Vasyukov · Werner Herzog
Buch
Rudolph Herzog · Werner Herzog · Dmitry Vasyukov
Kamera
Alexey Matveev · Gleb Stepanov · Arthur Sibirski · Michael Tarkovsky
Musik
Klaus Badelt
Schnitt
Joe Bini
Länge
90 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
15.11.2012
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Diskussion
Werner Herzogs filmische Erkundungsreisen in ferne, fremde Gegenden erschöpfen sich nie in ethnografischer Illustration, sondern erweisen sich als philosophische Studien zum Verhältnis zwischen Mensch und Natur, zum Woher und Wohin der Gattung Mensch. Da macht auch „Happy People – Ein Jahr in der Taiga“ keine Ausnahme, obwohl das Ursprungsmaterial gar nicht von Herzog stammt, sondern von dem russischen Regisseur Dmitri Vasjukov. Herzog und sein Cutter Joe Bini haben dessen vierstündige Fernsehdokumentation auf 90 Minuten verdichtet und mit einem Kommentar versehen. Der Film führt in die sibirische Taiga, in die Gegend um das Dorf Bachtjar am Fluss Jenissei, weitab der Zivilisation: ein Ort, an dem es weder Telefon noch sonstige Annehmlichkeiten der modernen Technik gibt. Die Bewohner leben von der Jagd und vom Fischfang, stellen ihre Fallen wie vor Hunderten von Jahren, und sie haben ihre Grundsätze: „Fleiß und Durchhaltevermögen ist das Allerwichtigste, Gier das Allerschlimmste. Dieses Geldmachen um jeden Preis...“ Der Film folgt den Jahreszeiten, vom späten Frühling und dem beeindruckenden Aufbrechen der Eisschollen auf dem mächtigen Strom bis zum nächsten Winter, für den alles so vorbereitet sein muss, dass das Dorf autark, ohne fremde Hilfe, überleben kann. Die Kamera beobachtet archaische Arbeitsvorgänge, etwa das Herstellen von Skiern oder den Bau eines Kanus vom Aushöhlen des Baumstamms bis zum Weiten des Bootskörpers. Wie ein Fremdkörper erscheint dagegen der Auftritt eines lokalen Politikers, der im Dorf um Stimmen für die nächste Wahl buhlt, eine saubere Regierung verspricht und pralle Getreidesäcke als Geschenke mitbringt, bevor er, alkoholgeschwängert, in einen anbiedernden Schlager-Singsang verfällt. Die Wirklichkeit in der Taiga liefert, wenngleich sehr selten, auch solche absurden Momente, oder auch tragische wie den Abtransport einer alten Frau, nachdem ihr Haus, wegen der brennenden Zigarette ihres betrunkenen Sohns, in Flammen aufging. Den größten Teil des Films nehmen Streifzüge durch die urwaldähnlichen Landschaften ein, die Begleitung von Jägern und Fallenstellern, große Einzelgänger, über die Herzog, der den Kommentar spricht, schwärmerisch mitteilt, es seien „glückliche, erfüllte Menschen in vollkommener Freiheit“: keine Regeln, keine Steuern, keine Gesetze, kein Telefon, kein Fax, nichts, nur das eigene Selbstbewusstsein, der eigene Mut, die eigene Kraft. Und der Hund als treuester Begleiter des einsamen Mannes. Manche Kommentarsätze, auf jeden Fall aber die schwelgerische Musik von Klaus Badelt, romantisieren das Dasein in der Taiga vielleicht über Gebühr. Andererseits zollt Herzog der tagtäglich bewusst zelebrierten Symbiose von Mensch und Natur zu Recht seine Hochachtung. Dabei haben die „Happy People“ von Sibirien eher nichts mit dem „Grizzly Man“ in Herzogs gleichnamigem Film (2005) zu tun, der seiner Obsession für Bären zum Opfer fiel. Anders als jener Timothy Treadwell wissen die Männer aus Sibirien, dass es zwischen ihnen und der Tierwelt Grenzen gibt, die nicht überwunden werden können oder dürfen. Sie leben mit der Natur, wollen sie aber nicht nach ihrem naiven Bild (ver-)formen.
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