The Program - Um jeden Preis

Biopic | Großbritannien/Frankreich 2015 | 103 Minuten

Regie: Stephen Frears

Der US-amerikanische Radrenn-Profi Lance Armstrong gewann sieben Mal die „Tour de France“ und bezwang zudem eine schwere Krebserkrankung. Doch nach Enthüllungen über sein jahrelanges Doping wurden ihm alle Preise aberkannt. Der handwerklich perfekt gestaltete Spielfilm umfasst die Zeit von Armstrongs Tour-Debüt im Jahr 1993 bis zu seinem Doping-Geständnis 2013. Spannend und unterhaltsam erzählt er einen realen Krimi, wobei der faszinierende Hauptdarsteller die Psyche des Protagonisten auslotet und die Inszenierung den betrügerischen Ausverkauf der sportlichen Ideale ins Visier nimmt. Auch kommt die wechselseitige Abhängigkeit von Idol und Bewunderern in den Blick. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE PROGRAM
Produktionsland
Großbritannien/Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Working Title Films/StudioCanal/Anton Capital Ent.
Regie
Stephen Frears
Buch
John Hodge
Kamera
Danny Cohen
Musik
Alex Heffes
Schnitt
Valerio Bonelli
Darsteller
Ben Foster (Lance Armstrong) · Lee Pace (Bill Stapleton) · Chris O'Dowd (David Walsh) · Guillaume Canet (Michele Ferrari) · Dustin Hoffman (Bob Hamman)
Länge
103 Minuten
Kinostart
08.10.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Biopic | Sportfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
StudioCanal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
StudioCanal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Aufstieg und Fall des Radprofis Lance Armstrong

Diskussion
Lächeln, lächeln, lächeln: Das ist der Weg des US-amerikanischen Radrenn-Profis Lance Armstrong, mit den Unbilden des Lebens umzugehen. Mit den Doping-Anschuldigungen wie mit der Enttäuschung über den dritten Platz bei seinem Comeback zur Tour de France. Es ist eine Methode, die lange Jahre gut funktioniert – bis zum tiefen Fall des mythisch überhöhten Supersportlers als Lügner und Betrüger. Der britische Regisseur Stephen Frears hat sich nach „Die Queen“ (2006) erneut der Herausforderung gestellt, eine noch lebende Persönlichkeit in einem Spielfilm zu porträtieren. Was bei Lance Armstrong ein wohl ungleich schwierigeres Unterfangen ist, weil die dargestellten Abgründe hier deutlich tiefer sind als beim Biopic über die Königin; auch sind die Sympathien des Regisseurs für seine Hauptfigur diesmal durchaus überschaubar. Inspiriert wurde der Film von dem Roman „Seven Deadly Sins“ des irischen Sportjournalisten David Walsh, der in Gestalt des Schauspielers Chris O’Dowd als investigativer Reporter eine zentrale Rolle spielt. Selbstbewusst verwendet Frears hier fast nur Klarnamen: Der Drogenarzt Michele Ferrari, Teammanager Johan Bruyneel, Armstrongs Agent Bill Stapleton oder der Radprofi Floyd Landis werden mit ihren echten Namen genannt. Die intimeren Momente des Films sind zwangsläufig fiktiv, doch das Meiste ist belegt, nicht zuletzt deshalb, weil Radrennen, Interviews und Pressekonferenzen meist vor laufenden Kameras stattfanden. Am Beginn steht ein Interview zwischen David Walsh und dem 21-jährigen Tour-Debütanten Armstrong, der auf die Frage nach der tieferen Metaphorik des Radfahrens geradeheraus antwortet: „Ich liebe es einfach, Rad zu fahren.“ Im Fortgang erzählt der handwerklich perfekt gestaltete Film dann, wie sich Armstrong mit seinem unstillbaren Siegeshunger, der Doping begünstigenden Struktur des Radsports, einer zunehmend professionellen medizinischen Leistungssteigerung und dem Druck durch die eigenen Erfolge davon immer mehr entfernte und in einem doppelbödigen System verhedderte. Der Film umfasst zehn Jahre – von 1993 bis zu Armstrongs Doping-Geständnis bei Oprah Winfrey im Jahr 2013. Die Inszenierung will den realen Krimi spannend und unterhaltsam nacherzählen, aber mindestens ebenso sehr geht es um die Psychologie von Armstrong, dem Kopf hinter der „größten Dopingverschwörung aller Zeiten“, so Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA. Beides gelingt mit Bravour. Und zwar nicht nur, weil die Inszenierung die Emotionen gut austariert: Der Film zeigt Armstrong, der skrupellos dopt und für den der Sieg jedes Mittel heiligt; seine Egozentrik und Eitelkeit bereitet größtes Unbehagen. Der Film porträtiert ihn aber auch als einen Mann, der als charismatischer Kämpfer millionenfach Menschen für sich begeistert. Es ist die große Leistung des Films und seines nuancenreich aufspielenden Hauptdarstellers Ben Foster, die Figur des texanischen Ausnahmeathleten schillern zu lassen. Von Beginn an sieht man den Radprofi als Teilnehmer am „Programm“ des Dopingarztes Michele Ferrari, beim Spritzen von Epo. Dennoch lässt man sich emotional einfangen und versteht die Begeisterung, die der siebenfache Tour-Gewinner und Krebsbezwinger weckt, die Sehnsucht danach, einen vermeintlichen Übermenschen zu bewundern. „Ich erzähle ihnen nur, was sie hören wollen“, sagt Lance einmal, und hat damit nicht ganz Unrecht. Insofern ist „The Program“ auch ein beeindruckendes Stück über die wechselseitige Wirkungsmacht zwischen Idol und Bewunderern. Dennoch erliegt der Film nie der Gefahr, Armstrongs Verhalten wie auch das seiner dopenden Kollegen zu rechtfertigen. Im Gegenteil: „The Program“ enthüllt das betrügerische Vorgehen als Ausverkauf der sportlichen Ideale. Pointiert verdichtet im Bild des fast leeren Fahrrad-Wagens, als Armstrongs Team einen Teil der Räder verkaufen muss, um das Doping-Programm bezahlen zu können.
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