Drei Farben: Weiß

Drama | Frankreich/Polen/Schweiz 1993 | 91 Minuten

Regie: Krzysztof Kieslowski

Nach der Scheidung von seiner französischen Frau, die er noch immer liebt, kehrt ein polnischer Friseur in die Heimat zurück und macht in der dortigen Umbruchsituation Karriere als Unternehmer. Um sich an seiner Ex-Frau zu rächen, inszeniert er seinen Tod und lockt sie nach Warschau. Zweiter Teil einer Trilogie. Trotz hervorragender Leistungen der Darsteller enttäuscht der Film, weil seine Bezüge zum Thema "Gleichheit" vage bleiben und Handlungsstränge und Motive beliebig nebeneinanderstehen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TROIS COULEURS: BLANC
Produktionsland
Frankreich/Polen/Schweiz
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
MK 2/France 3/Canal +/"TOR"/CAB
Regie
Krzysztof Kieslowski
Buch
Krzysztof Piesiewicz · Krzysztof Kieslowski
Kamera
Edward Klosinski
Musik
Zbigniew Preisner
Schnitt
Urszula Lesiak
Darsteller
Zbigniew Zamachowski (Karol Karol) · Julie Delpy (Dominique) · Janusz Gajos (Mikolaj) · Jerzy Stuhr (Jurek) · Grzegorz Warchol (der Elegante)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Paris, eine Scheidung. Die Ehe sei nie vollzogen worden, erkärt Dominique dem Richter. Außerdem liebe sie ihren polnischen Mann Karol nicht mehr. Stunden nach der amtlichen Trennung ein letzter verzweifelter Versuch. Karol dringt in Dominiques Friseursalon ein, bisher das Zentrum ihres gemeinsamen Lebens. Nach einem hastigen Liebesakt schließlich der endgültige Rauswurf: Dominique setzt die Gardinen in Brand und droht Karol, ihn wegen Brandstiftung anzuzeigen.

Ohne Frau, Heim und Arbeit bleibt Karol der Kamm, sein wichtigstes Arbeitsutensil. Die Melodie, die er in einer U-Bahn-Station darauf bläst, führt zu einer schicksalhaften Begegnung. Mikolaj, auch er ein Pole in Paris, bietet seine Gesellschaft und "Arbeit" an: ein lebensüberdrüssiger Mann zahle eine große Summe dafür, daß man ihn umbringe. Karol lehnt ab, freundet sich aber mit Mikolaj an und stimmt schließlich seinem Vorschlag zu, ihn zurück nach Polen zu begleiten - als blinder Passagier in einem riesigen Koffer.

Warschau, ein Diebstahl. Statt bei Mikolaj findet sich Karo] auf einer gigantischen Müllkippe ("Endlich zu Hause!") wieder. Opfer einer Bande von Gepäckdieben. Er macht sich auf zum Friseursalon, der inzwischen von seinem Bruder betrieben wird. Doch trotz reger Nachfrage der Kundschaft greift Karol nur ungern zu Kamm und Schere. Im Polen der Gegenwart bieten sich andere Möglichkeiten. Der sanfte, unscheinbare Friseur wird zum Leibwächter eines Geldwechslers und Schwarzmarktkönigs. Als er dessen Pläne für ein profitables Grundstücksgeschäft belauscht, kommt er dem Deal zuvor und verdient auf einen Schlag genug, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Zufällig begegnet er abermals Mikolaj, der ihm eröffnet, er selbst sei es, der nicht mehr leben wolle und noch immer auf der Suche nach seinem Mörder sei. Zum Schein geht Karol diesmal auf das Angebot ein, nur um dem Freund im letzten Augenblick ein "zweites Leben" zu schenken (eine der dramatischsten Szenen des ganzen Films).

Mit der in Warschau erworbenen wirtschaftlichen Macht organisiert Karol nun den Rachefeldzug gegen Dominique. Mit der Inszenierung seines eigenen Todes (eine aus Rußland importierte Leiche inbegriffen) und der Aussicht auf ein stattliches Erbe lockt er die "Witwe" nach Polen. Nach der Beerdigung, die er als Zaungast beobachtet, trifft er Dominique in ihrem Hotelzimmer, wo beide sich mit bisher ungekannter Lust lieben (und die Leinwand auf dem Höhepunkt ganz weiß wird). Karols Rachemaschinerie allerdings läuft weiter, bringt Dominique ins Gefängnis. Die neu erwachte Liebe liegt einstweilen auf Eis.

Viel Phantasie ist nötig, um den zweiten Teil der Trikolore-Trilogie Kieslowskis (vgl. "Drei Farben: Blau", fd 30 507) mit dem Thema der "Gleichheit" in Verbindung zu bringen. Als gelte es, den inneren Zusammenhang der beiden Filme mit Nachdruck zu betonen, zitiert sich Kieslowski gleich in den ersten Minuten: man begegnet dem alten Menschen, der beharrlich Flaschen in einen Altglascontainer stopft, man erkennt Juliette Binoche, die während des Scheidungsprozesses kurz den Kopf durch die Tür steckt (auf der Suche nach der Geliebten ihres toten Mannes). "Verzahnungen", die einen Zusammenhang eher behaupten, als ihn wirklich sichtbar zu machen. Überhaupt erscheint der "französische" Teil des Films fast wie ein lustloses Vorspiel zum wesentlich dichter inszenierten "polnischen", bleibt der französische Star (Julie Delpy) überaus blaß, bloße Projektionsfläche für die Sehnsüchte des männlichen (polnischen) Gegenübers. Pflichtschuldige Zugeständnisse an die französischen Geldgeber?

So zynisch es klingen mag, Karols Ausruf "Endlich zu Hause" auf der Müllhalde ist mehr als ein Ausdruck des schwarzen Humors, der sich durch "Drei Farben: Weiß" zieht. Er hat auch etwas Befreiendes. Nach "Drei Farben: Blau", dem Ausflug in die Welt der Schönen und Reichen, der Künstlichkeit und der beliebig vieldeutigen Symbolik, nach diesem Ausflug scheint der Regisseur selbst vertrauten Boden unter die Füße zu bekommen, entstehen vor der Kamera wieder Figuren aus Fleisch und Blut. Hier, zwischen Träumern, Verlierern und Geschäftemachern spürt man Kieslowskis Vertrautheit mit den Men- schen und ihren Lebensumständen. Schade nur, daß auch hier verschiedenste Handlungselemente und Leitmotive wie im Bauchladen vor den Augen des Zuschauers feilgeboten werden, ohne sich zu einem Gesamtbild formen zu wollen. Im verständlichen Bemühen, nicht zuviel zu erklären, verliert sich Kieslowski in Beliebigkeit und Verrätselung. Das können auch die großartigen Darsteller nicht wettmachen.
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