Es ist das erste Mal seit Jahren, dass Shaun Russell (Gabrielle Union) ihr ehemaliges Elternhaus betritt. Nur wenige Tage nach dem Tod ihres Vaters scheint die Erinnerung an ihn hier, tief in den Wäldern von Wisconsin, noch immer lebendig. Neben dem Kamin stehen die Familienporträts aufgereiht, von denen nur eins, das Shaun und ihren Vater zeigt, zerbrochen auf dem Boden liegt. Es ist keine schöne Vergangenheit, die die junge Mutter mit ihrem Vater verbindet, dessen Haus auch sonst merkwürdig belebt wirkt: Frisches Obst liegt in einer Schale in der Küche, eine Kaffeetasse steht, als wäre sie gerade benutzt worden, neben der Maschine. Tatsächlich stammen die angeblich letzten Spuren ihres Vaters, die Shaun mit Verkauf des Anwesens endgültig hinter sich lassen möchte, von einer Gruppe Einbrecher, die noch vor Shaun, ihrer Tochter Jasmine (Ajiona Alexus) und ihrem Sohn Glover (Seth Carr) das Anwesen erreicht haben. So scheint es entsprechend folgerichtig, dass das in der Exposition angedeutete Familiendrama vom aufkommenden Home-Invasion-Szenario ins Abseits gedrückt wird.
Bevor die Einbrecher jedoch aus dem Schatten der von ihnen hinterlassenen Spuren treten, wird der filmische Raum in einer langen ausgiebigen Begehung abgesteckt: Überwachungskameras, schematische Darstellungen auf Bildschirmen, Smartphones und sonstige Spielereien werden minutiös etabliert, um im Verlauf des Einbruchs und der anschließenden Geiselnahme keinerlei Rolle mehr zu spielen. Es scheint symptomatisch für die Disparität zwischen Drehbuch und Inszenierung, dass sowohl die vielen Hintergründe aus der Familiengeschichte der Russells als auch die Geografie des Genre-Spielraums mit Ende der Exposition völlig vergessen scheinen.
Was „Breaking In“ an räumlicher Kontinuität aufgibt, bleibt zumindest auf zeitlicher Ebene gewahrt. Nach Anbruch der Abenddämmerung nehmen die Einbrecher Shauns Kinder als Geiseln. Das idyllische Licht der blauen Stunde wird durch den roten Schein der Notstrombeleuchtung abgelöst. Der folgende Kampf der Mutter gegen die Invasoren, die es auf den Tresor ihres verstorbenen Vaters abgesehen haben, wird in Echtzeit geführt. Doch die eine Stunde, die den Einbrechern bleibt, bevor die Polizei aufgrund des ausgefallenen Alarmsystems anrückt, entspinnt sich trotz der zeitlichen Stabilität als zerfahrenes Hin und Her. James McTeigues Inszenierung erweckt dabei den Eindruck, als habe der Regisseur sich nicht entscheiden können, ob er die Mutter dem Home-Invasion-Szenario unterordnen wolle, oder umgekehrt.
Die Suspense-Mechanik des Horrorfilms wird geopfert, um wahlweise Familiengespräche oder Einbrecher-Krisensitzungen abzuhalten, während McTeigue gleichzeitig wenig Interesse zeigt, die angerissene Figurenpsychologie, die besonders die Einbrecher immer wieder ausführlich und belanglos diskutieren, zu vertiefen. So wirkt „Breaking In“ wie eine Schablone, die so grob ausgeschnitten wurde, dass sie beide im Film angelegten Spielarten so überdeckt, dass interessante Nuancen nicht mehr sichtbar sind.
Die im Drehbuch angedeutete Vermengung aus Familiendrama und Horrorfilm – eine in aktuellen Hochglanzproduktionen des Genres wie „Hereditary“
(fd 45 517), „A Quiet Place“
(fd 45 360) oder „It Comes at Night“
(fd 45 213) oft genutzte Mischung – wird in „Breaking In“ auf einen einzigen Fluchtpunkt konzentriert: die Rolle der Mutter. Ein Ansatz, dessen Potenzial sich aber in ständig wiederholten Plattitüden wie „Mütter laufen nicht davon“ erschöpft und den Film als Alleinstellungsmerkmal entsprechend nicht tragen kann. Das mag auch daran liegen, dass die Rolle der Mutter weniger über Shaun selbst, als über die Perspektive der Täter verhandelt wird. Die Kamera begleitet zahllose Diskussionen der Männergruppe, während das clevere Vorgehen der Mutter allzu häufig außerhalb des Bildes stattfindet. So wird das Potenzial der Prämisse in der eigentümlich verschobenen Perspektive begraben: Eine Mutter beschützt ihre Familie vor vier Einbrechern – McTeigue interessieren daran scheinbar nur die verdutzten Gesichter der Täter.