Komödie | USA 2019 | 210 (8 Folgen, Staffel 1) 207 (7 Folgen, Staffel 2) Minuten

Regie: Leslye Headland

Eine als kompakte Miniserie aufbereitete Variation des Zeitschleife-Themas: Nach einer Party im New Yorker East Village zu Ehren ihres 36. Geburtstags stirbt eine Frau, erwacht kurz darauf aber erneut zum Leben und findet sich auf der Feier wieder, gefangen in einer surrealen Zeitschleife. Während sie nach dem Grund dafür sucht, begegnet sie allerlei kuriosen Gestalten und wendet sich schließlich auch ihrer Vergangenheit zu. Die Serie entwirft das schwarzhumorige Porträt einer abgebrühten, unabhängigen New Yorker Mittdreißigerin, die sich durch ihre Gefangenschaft zwischen Leben und Tod gezwungen sieht, mit ihrem bisherigen Leben und ihren Beziehungen auseinanderzusetzen. Dabei glänzt sie mit pointiert-trockenen Dialogen, einem makabren Sinn für Situationskomik und cleveren Plot-Wendungen. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
RUSSIAN DOLL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
3 Arts/Jax Media/Netflix/Paper Kite/Universal Television
Regie
Leslye Headland · Jamie Babbit · Natasha Lyonne
Buch
Leslye Headland · Natasha Lyonne · Amy Poehler
Kamera
Chris Teague
Musik
Joe Wong
Schnitt
Todd Downing · Laura Weinberg
Darsteller
Natasha Lyonne (Nadia Vulvokov) · Charlie Barnett (Alan Zaveri) · Greta Lee (Maxine) · Rebecca Henderson (Lizzy) · Elizabeth Ashley (Ruth Brenner)
Länge
210 (8 Folgen, Staffel 1) 207 (7 Folgen, Staffel 2) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie | Serie

Schwarzhumorige Zeitschleifen-Serie um eine New Yorker Hedonistin, die bei einer Party zu Ehren ihres 36. Geburtstags stirbt und von da an die Feier in einer surrealen Zeitschleife immer wieder erlebt. Ihre Gefangenschaft zwischen Leben und Tod zwingt sie dazu, sich mit ihrem bisherigen Leben und ihren Beziehungen auseinanderzusetzen.

Diskussion

Staffel 1

Es ist ein sinistres Fegefeuer, in das Nadia (Natasha Lyonne) in der Nacht ihres 36. Geburtstags gerät: Ausgerechnet sie, die Single-Frau, die so viel Wert auf ihre Ungebundenheit und Freiheit legt, landet in einem Gefängnis, aus dem ein Ausbruch unmöglich erscheint, da es sich gar nicht um einen Raum, sondern um ein Stück Zeit handelt, in das sie eingesperrt ist. Dabei beginnt alles zunächst ganz harmlos: Nadia feiert auf der Party, die ihre Freundin Maxine für sie ausrichtet und lässt sich mit einem der Gäste auf einen fröhlichen One-Night-Stand ein. Doch dann wird sie auf dem Weg nach Hause überfahren, stirbt – und findet sich unversehens auf der Toilette von Maxines Wohnung wieder, in der die Party in vollem Gang ist. Eine Zeitschleife, die sich fortan ständig wiederholt.

Das East Village strotzt vor Todesfallen

Manchmal schafft es Nadia aus der Wohnung, manchmal sogar bis zum nächsten Tag, doch früher oder später widerfährt ihr ein Unglück: Sie bricht sich den Hals oder wird von einem herabfallenden Gegenstand erschlagen, sie erfriert im Park oder wird von einer Gasexplosion zerrissen, sie erstickt an einem Hühnerknochen oder wird erschossen. Das New Yorker East Village, in dem Nadia als cooler Bohème-Hipster lebt, strotzt plötzlich vor Todesfallen, die der hedonistischen Software-Ingenieurin den Garaus machen und immer wieder auf den Start, in die Toilette bei Maxine, zurückbefördern.

Anfangs vermutet Nadia, dass es sich bei diesem irrwitzigen Zeit-Karussell um eine Folge des Ketamin handelt, das in Joints, die auf der Party kursierten, versteckt war. Doch auf Dauer bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Tatsache zu akzeptieren, dass sie tatsächlich in der Zeit feststeckt und nach einer Lösung suchen muss, wie sie ihr abgestürztes Leben neu starten kann.

Wo liegt der „Bug“ im Programm des Lebens?

Zeitschleifen erfreuen sich derzeit einer gewissen Beliebtheit: Gerade ist „Happy Death Day 2U“ im Kino gestartet, der die Zeitschleife als kreative Herausforderung ans Horrorgenre versteht; und auch Dietrich Brüggemanns „Murot und das Murmeltier“-Tatort ist eine Hommage auf jene Erzählform, die Harold Ramis mit seinem Komödienklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ mustergültig vorgeführt hat. Während das Zeitschleife-Motiv in Brüggemanns „Tatort“ allerdings primär als Steilvorlage für eine formale Spielerei mit Wiederholung und Variation dient, lassen sich die Serienmacher von „Matrjoschka“, Natasha Lyonne (die auch die Hauptrolle spielt), Leslye Headland und Amy Poehler, auf die inhaltliche Herausforderung ein, die damit verbunden ist: Das Festsitzen in der Zeit wirft die Hauptfigur auf sich selbst zurück und zwingt sie, in sich zu gehen und nach dem „Bug“, dem Fehler im Programm ihres Lebens, zu suchen.

Die aus acht etwa halbstündigen Episoden bestehende Serie gestaltet diese Suche, die letztlich eine fantastisch verschärfte Form eine Midlife-Crisis darstellt, als schwarzkomödiantischen, wendungsreichen Spießrutenlauf durch Nadias Nachbarschaft im East Village, der sie mit allerlei mehr oder minder exzentrischen Gestalten zusammenbringt – vom Kleindealer über einen wunderlichen Obdachlosen bis hin zur Sekretärin eines Rabbis, den die jüdisch-stämmige, aber vom Glauben abgefallene Nadia konsultieren will, als sie übersinnliche Ursachen ihres Dilemmas in Betracht zu ziehen beginnt. Womit die Serie auch zum liebevollen Porträt einer Gegend wird, in der soziale, ethnisch-religiöse und (sub-)kulturelle Gegensätze auf engstem Raum vereint sind. Von dort aus führt die Spur schließlich in Nadias Kindheit zurück, zu jenen Schwachstellen, die sie unter ihrem Panzer als scharfzüngige, bindungsscheue Großstadt-Monade sorgfältig versiegelt hat.

Mit bärbeißigem Charme

Diese Wendung ins Psychologisch-Pathologische mag nicht besonders originell und auch ein bisschen banal erscheinen, wird von Natasha Lyonne aber mit umwerfend bärbeißigem Charme gespielt und in eine Story gepackt, die den lakonisch-makabren Witz der ersten Folgen durch einen schönen erzählerischen Twist glaubwürdig in warmherzigere Fahrwasser steuert. Zudem schaffen es die Autorinnen, das repetitive Muster der Zeitschleifen-Erzählung auf Dauer in ein lineares Suspense-Szenario münden zu lassen, das der Serie gegen Ende viel dramatischen Drive verleiht.

Fast wünschte man sich angesichts dieser Qualitäten eine Fortsetzung – wenn es nicht so schön wäre, neben all den langlaufenden Serien zur Abwechslung einmal ein in sich rundes, kompaktes, auf den Punkt hin erzähltes Format präsentiert zu bekommen. Manchmal ist es eben besser, wenn etwas wirklich endet.

Staffel 2

Zurück in der Zeitschleife?? Mit der ersten Staffel von „Matrjoschka“ war den Macherinnen Leslye Headland, Natasha Lyonne  und Amy Poehler 2019 eine der besten Sitcoms des Jahres gelungen; allerdings war die in acht Folgen entwickelte Handlung in sich rund und schrie nicht gerade nach einer Fortsetzung: Sie kreiste um eine New Yorker Softwareentwicklerin (gespielt von Lyonne), die sich in der Nacht ihres 36. Geburtstags in einer Zeitschleife verfängt und ein ums andere Mal zu Tode kommt, nur um immer wieder auf der für sie organisierten Geburtstagsparty quicklebendig zu sich zu kommen – ein makaber-lustiges Spiel mit dem dumpfen Midlife-Crisis-Gefühl existenzieller Stagnation, das in den letzten Folgen eine warmherzig-hoffnungsvolle Auflösung fand.

Muss es dazu nun wirklich eine zweite Runde geben? Muss es nicht, lässt sich nach der zweiten Staffel sagen – denn die Figuren werden nicht großartig weiterentwickelt. Aber nichtsdestotrotz macht das Wiedersehen mit der ruppig-charismatischen Lyonne alias Nadia Volvokov diebischen Spaß, weil die Autorinnen ihr einmal mehr eine lakonische Pointe nach der nächsten in den Mund legen, und weil sie sich einen neuen fantastischen Twist ausgedacht haben, der das Zeit-Thema charmant variiert und ausreichend Spannungsstoff liefert, um weitere sieben Folgen anzutreiben.

Mit der U-Bahn zurück in die 1980er-Jahre

Mittlerweile nähert sich Nadia dem 40. Geburtstag und sieht einer ruhigen Feier mit ihrem Freund Alan (Charlie Barnett) entgegen, dessen Bekanntschaft am Ende von Staffel 1 eine zentrale Rolle für sie spielte, um aus der Zeitschleife auszubrechen. Doch dann kommt Nadia einmal mehr eine Zeit-Anomalie in die Quere: Eine Fahrt mit der New Yorker U-Bahn, Linie 6, wird zur Reise durch die Zeit, die Nadia zurück in die 1980er-Jahre bringt und sie buchstäblich in ihre Mutter Lenora (Chloë Sevigny) hineinversetzt, in deren Körper sie nun auf den Spuren der Vergangenheit wandelt.

Was nicht nur eine Steilvorlage dafür liefert, die selbstbewusst-unverblümte Nadia mit dem wilden New York von vor 40 Jahren zusammenrasseln zu lassen. Wie man aus Staffel 1 schon weiß, ist die verkorkste Beziehung zu der psychisch labilen, jung verstorbenen Späthippie-Schönheit Lenora einer der Knackpunkte in Nadias Existenz, und so verwundert es nicht, dass sie die Zeit- und Körperreise sofort nutzen will, um Krummes im Leben der Mutter geradezurücken und damit auch die Weichen für sich selbst neu zu stellen. Dabei fokussiert sie auf etwas ganz Handfestes: Auf einen kleinen Schatz an Krügerrand-Goldmünzen, den Nadias aus Ungarn stammende jüdische Großmutter einst als „nest egg“ für die Familie anlegte, den Lenora dann aber klaute und verlor, was die Beziehung von Mutter und Großmutter zerrüttete und Lenoras Abwärtsspirale Vorschub leistete. Nadia will den verlorenen Familienschatz nun unbedingt wieder auftreiben – was zu einer haarsträubenden Schnitzeljagd zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird, die schließlich bis zurück ins Jahr 1944 ins von den Nazis besetzte Budapest führt.

Weibliche Familienbande

Dabei schwant einem früh, dass die Risse, die durch Nadias Familie gehen, mit Gold nicht zu kitten sind – doch nichtsdestotrotz erweist sich die abenteuerliche Schatzsuche als produktiv, zwingt sie Nadia doch wortwörtlich, in die Schuhe von Mutter und Großmutter zu schlüpfen, ein neues Verständnis für die beiden zu entwickeln. Womit die zweite Staffel ihr zentrales Thema hat: Es geht um (primär weibliche) Familienbande, um die gegenseitigen Verletzungen, aber auch die Verbundenheit zwischen Müttern und Töchtern, wobei neben Nadias Kernfamilie auch ihre Ersatzmutter Ruthie wieder eine nicht unwichtige Rolle (auf diversen Zeitebenen) spielt. Dass sich unter Nadias New Yorker Bohème-Existenz der Abgrund einer jüdischen Familiengeschichte auftut, die der Holocaust und die Migrationserfahrung der Großmutter mitgeprägt haben, spielte schon in Staffel 1 eine Rolle und wird nun weiter vertieft. Was der Serie bei aller Komik erneut einiges an dramatischer Substanz gibt.

Dass den Macherinnen kein besserer Kniff eingefallen ist, um auch Alan wieder in die Handlung einzubauen und seine Beziehung zu Nadia weiterzuführen, ist etwas schade. Er bekommt eine stellenweise ganz witzige parallele Zeitreise-Handlung auf den Leib geschrieben, die ihn in den Körper seiner aus Ghana stammenden Oma und ins Ostberlin der frühen 1960er-Jahre führt – eine Variation des zentralen Themas, die jedoch zu halbherzig ausgeführt ist, um wirklich zu überzeugen. Wer weiß: Vielleicht muss dann doch noch eine dritte Staffel her, um auch dieser Figur noch zu etwas mehr Kontur zu verhelfen.

 

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