Serie | USA 2020 | 167 (acht Folgen) Minuten

Regie: Anya Adams

Eine Anthologie-Serie zum Corona-Lockdown im Frühjahr 2020. Entstanden unter den Bedingungen des Social Distancing, untersucht die Serie anhand verschiedener Geschichten deren Auswirkungen aufs zwischenmenschliche Miteinander. Die jeweils in sich abgeschlossenen Folgen kreisen um den emotionalen Umgang mit der Pandemie-bedingten Isolation und die Versuche, mittels digitaler Kommunikation trotzdem in Verbindung zu bleiben. Auf tragikomische Weise werden verschiedene Problemfelder durchgespielt, für die die Krise wie ein Katalysator wirkt, und meistens versöhnliche Lösungen gesucht. Dabei fehlt es der Serie zwar mitunter an Biss und Schärfe, wenn ihre Konfliktszenarien gesellschaftliche Sollbruchstellen berühren; insgesamt gelingt jedoch ein interessantes und facettenreiches Befindlichkeits-Panorama. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
SOCIAL DISTANCE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Tilted Productions
Regie
Anya Adams · Diego Velasco · Phil Abraham · Claire Scanlon · Nick Sandow
Buch
Hilary Weisman Graham · Tara Herrmann · Merritt Tierce · Anthony Natoli · Heather Jeng Bladt
Kamera
Mark Schwartzbard · Alison Kelly · Pedro Luque
Musik
Jonathan Sanford
Schnitt
Tyler L. Cook · Amy M. Fleming · Liza Cardinale
Darsteller
Guillermo Díaz (Santiago Villareal) · Shakira Barrera (Raquel) · Anthony Norman (Damien) · Oscar Nuñez (Miguel Villareal) · Zoë Verbil (Summer)
Länge
167 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Serie

Eine Anthologie-Serie zum Corona-Lockdown im Frühjahr 2020. Entstanden unter den Bedingungen des Social Distancing, untersucht die Serie anhand verschiedener Geschichten auch deren Auswirkungen aufs zwischenmenschliche Miteinander.

Diskussion

Während wir alle noch mittendrin stecken in der Corona-Krise, hat Netflix mit „Social Distance“ im Oktober 2020 bereits seine erste Serie zur Pandemie herausgebracht. „Diese Anthologie-Serie zeigt verschiedene Menschen in Isolation, die in Quarantäne sowohl düstere als auch lustige Momente durchleben und kontaktlos den Kontakt suchen“, heißt es lapidar in der Inhaltsbeschreibung. Braucht man das auch noch als Serien-Unterhaltung, wenn man in der Realität in den letzten Monaten schon mehr als genug davon hatte!?

Brauchen wohl nicht. Aber Spaß macht es überraschenderweise trotzdem. Die Serie nimmt optisch die digitalen Kommunikationstools – die Split-Screens von Zoom-Konferenzen, die aufpoppenden Felder von Chatnachrichten usw. – souverän in den Dienst von gutem, altem Storytelling: Pro Folge lernt man einen kleinen Kreis von Figuren kennen, erhält Einblicke in ihre Beziehungen und ihren (Corona-)Alltag, wird involviert in ihre Konflikte, für die es dann zum Schluss meistens eine Art von Lösung gibt: Statt den Ehrgeiz zu entfalten, die eine, große Krise in den Blick zu bekommen, serviert „Social Distance“ den Zuschauern viele kleine Krisen – und das beruhigende Gefühl, dass sich mit ein bisschen Empathie das Ganze doch irgendwie wenn nicht schon in den Griff kriegen, so doch zumindest ertragen lässt.

Die Lockdown-Beschränkungen als kreative Herausforderung

Natürlich ist es zu früh, um dem Leben in der Pandemie und dem, was die als Schutzmaßnahme erforderlichen Kontakt-Einschränkungen mit uns machen, analytisch beizukommen. Mit „Social Distance“ haben die Showrunner Hilary Weiham Graham (bekannt durch ihre Arbeit für „Orange is the New Black“ und „Kidding“) und Jenji Kohan (die Schöpferin von „Orange is The New Black“) indes die Beschränkungen des Lockdowns als kreative Herausforderung genutzt, um anrührend-komisch eine Art Befindlichkeits-Panorama auszurollen. Entstanden im Frühjahr 2020, erzählt die Serie von Menschen, die in irgendeiner Form mit dem Leben im Zeichen des „Social Distancing“ hadern – in den wenigsten Fällen sind aber die Nöte, mit denen sich die Figuren herumschlagen, tatsächlich genuin eine Folge dieser Bedingungen beziehungsweise der Pandemie, sondern diese tragen nur dazu bei, auch schon vorher vorhandene Brüche an die Oberfläche zu treiben.

Da ist zum Beispiel in einer der zugleich lustigsten und zu Herzen gehendsten Folgen eine Familie mit Latino-Wurzeln – drei erwachsene Kinder samt Anhang –, die ihren Patriarchen beerdigen muss und wegen Corona nur eine virtuelle Trauerfeier veranstalten kann, woraus sich bald ein turbulenter Clash entwickelt, bei dem es um unterschiedliche Lebensstile und alte Konkurrenzen zwischen den Geschwistern geht. Die Tücken der digitalen Kommunikation (beziehungsweise die Unfähigkeit im Umgang damit) nutzt die Episode pointiert als komödiantische Verstärker, die die ohnehin vorhandenen Missverständnisse zwischen den Geschwistern befeuern. Bis sich schließlich der alte Onkel Tony, bei dem zuvor das Mikro nicht funktionierte, mit einer für alle überraschenden Wortmeldung einschaltet und den anderen hilft, den Blick fürs Wesentliche wiederzufinden.

Ein Panorama zwischenmenschlicher Konfliktszenarien, das immer wieder übers Private hinausweist

Da ist in einer anderen Folge der Friseur, der als trockener Alkoholiker in alte Sucht-Muster zurückzufallen droht, als er wegen des Lockdowns seinen Kummer über die Trennung von seiner Freundin nicht mehr mit Arbeit und Partys betäuben kann. Da ist das schwule Pärchen, bei dem der Lockdown-Lagerkoller charakterliche Unterschiede nervend zu Tage treten lässt, bis der verzweifelte Versuch, mittels eines Grindr-Dates und der Abwechslung durch einen flotten Dreier frischen Wind in die Beziehung zu bringen, etwas anders läuft als geplant. Und da ist das Rentner-Paar, das sich darüber verkracht, dass die Frau als ehemalige Krankenschwester die Pandemie als willkommenen Anlass sieht, wieder arbeiten zu gehen und das mit dem Ausstieg aus dem Beruf einhergehende Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, loszuwerden.

Dabei weisen einzelne Konfliktlinien in den insgesamt acht Episoden immer wieder übers rein Privat-Zwischenmenschliche hinaus. So etwa in einer der letzten Folgen, in der der Mord an George Floyd und die Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung thematisiert werden. Oder in einer früheren Episode, in der das während des Lockdowns auch in Deutschland vielfach mit neuer Schärfe zu Tage getretene Problem umkreist wird, dass es nach wie vor primär Frauen sind, die Betreuungsarbeit leisten und zwischen Berufstätigkeit und Fürsorgepflichten aufgerieben werden: Eine junge Professorin, ihre behinderte, pflegebedürftige Mutter und deren private Pflegekraft samt kleiner Tochter geraten an den Rand des Nervenzusammenbruchs, als mit dem Lockdown die Schulen schließen und plötzlich auch das kleine Mädchen betreut werden muss – und das auf Kante genähte Alltagsgeflecht aus Arbeit und Familienpflichten zu reißen droht.

Zu viel Feel-Good-Bedürfnis

Gerade in dieser Folge, so sehr man mit den Figuren sympathisieren kann, fällt allerdings auch das größte Manko der Serie auf: So treffend viele ihrer Beobachtungen sind, so bemüht wirkt gerade in den Folgen, in denen weitreichendere gesellschaftliche Probleme anklingen, das Harmoniebedürfnis, pro Folge eine Geschichte zu präsentieren, die der Krise am Ende doch einen gewissen Feel-Good-Widerstand entgegensetzt. So verständlich dieser Impuls ist: ein paar bissigere, düsterere Töne hätten den Momentaufnahmen, mit denen die Serie den April und Mai 2020 für die Nachwelt verewigt, gutgetan.

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