„I am driving home for Christmas... oh, I can’t wait to see those faces“: So textete der Sänger Chris Rea, als er auf einer Autofahrt nach Hause vor über 30 Jahren im Stau stecken blieb. Für die Strecke Berlin-Monschau in der Eifel kann man dagegen die Regionalbahn nehmen. Vor allem, wenn man so klamm ist wie Bastian, dessen Singer-Songwriter-Karriere unter einem wenig leuchtenden Stern steht. Gerade hat Basti ein wichtiges Vorspiel bei einem Plattenlabel abgeblasen, weil er den „totalen Fail“ schon vorausgesehen hat. Jetzt steht der Mitarbeiter eines Callcenters in Monschau am Bahnhof und lässt sich von seinem Vater wegen vier Minuten Verspätung anblaffen.
Das Selbstbewusstsein des Endzwanzigers ist generell etwas angeknackst. Dafür funktioniert seine Fantasie umso besser: Ständig spielt diese auch dem Zuschauer einen Streich, wenn reale Situationen plötzlich in die Abstrusität seiner lebendigen Imagination abrutschen. Irgendwann wird der Weihnachtsalltag in der Miniserie von Tobi Baumann allerdings so schräg, dass die Wirklichkeit die schlimmsten Fantasmagorien glatt in den Schatten stellt.
Ein Survival-Drama der komödiantischen Art
Denn plötzlich stets der jüngere Bruder Nicky mit Bastis Ex-Freundin in der Tür – ein Jahr nach der schmerzhaften Trennung. Später verarbeitet die sonst so gefasste Mama die Metzgerin im Ort zu Hackfleisch – bildlich gesprochen. Und der Pfarrer echauffiert sich in der Weihnachtspredigt hasserfüllt über die Sünder, die den „kircheigenen“ Weihnachtsbaum geköpft haben: die Brüder Basti und Nicky.
Im doppeldeutigen Titel „ÜBERWeihnachten“ klingt nicht von ungefähr ein „ÜBERLeben“ an, zumindest wenn man sich den emotionalen Parcour ansieht, den das Drehbuch dem Heimkehrer bereitet hat. Neben Versagensgefühlen und der Ex-Freundin machen seine früheren Schulkameraden auch noch überall Karriere, ob in der Sparkassen-Filiale oder durch die Übernahme der elterlichen Betriebe.
Handwerk hat Gold im Mund, Musik eher weniger. Bastian (Luke Mockridge) hat zwar viele Songs auf Lager, aber niemanden, der ihm dafür etwas geben würde – außer vielleicht die volltrunkenen Freunde bei der Weihnachtssause im Wirtshaus, die ebenso attraktive wie trinkfeste Karina und die Bandkollegen von Bastis Ex-Band „Kings of“.
Comedy-Adaption des Romans „7 Kilo in 3 Tagen“
Den Status des Königs im eigenen Leben hat der Protagonist schon länger verloren. Genauso wie das Gespür für die Gefühlslage seiner Eltern in einem aus dem Tritt geratenen Weihnachtsspiel.
Das sind die dramatischeren Elemente der eher beschwingt bis leichtfüßigen Comedy-Adaption des Romans „7 Kilo in 3 Tagen“ von Christian Huber. Ansonsten wandelt die Serie mit einem Schuss verspäteter Coming-of-Age-Story recht bieder in den Fußstapfen ähnlicher Familienkomödien, die längst ein eigenes Subgenre unter den Weihnachtsfilmen und -serien darstellen. Hier werden, neben dem von Mockridge großenteils selbst eingesungenen Soundtrack, vor allem unerfreuliche Enthüllungen und noch unerfreulichere Erkenntnisse über die eigene Unzulänglichkeit beschert. Die entpuppt sich natürlich als nicht ganz so schlimm, weil unterm Weihnachtsbaum im Nachbarhaus bekanntlich auch nicht alles Gold ist, was glänzt.
So wie sich die Figuren ins neue Jahr retten, flüchtet sich die Serie ins Finale, ohne dass angesichts der überschaubaren Spannungen eine Fortsetzung zu erwarten wäre. In Weihnachtsfilmen gibt es eben nur beilegbaren Zoff. Potenziell einschneidende Veränderungen sollen nicht das Gemüt belasten, sondern lediglich die Handlung vorantreiben.
Ab und an schneit es in „ÜberWeihnachten“. „Wie schade, dass es nicht liegen bleibt“, witzeln und monieren alle Beteiligten. Ab und an rieseln auch die Witze. Wie schade, dass sie nicht verfangen.