Dokumentarfilm | Frankreich 2021 | 92 Minuten

Regie: Marie Amiguet

Der Fotograf Vincent Munier begibt sich zusammen mit dem Reiseschriftsteller Sylvain Tesson im Hochland von Tibet auf die Suche nach dem Schneeleoparden, der zu den bedrohtesten Arten der Welt gehört. Der Film dokumentiert dabei nicht nur die Suche, sondern mutiert zu einer Art Selbsterfahrungstrip, bei dem es vor allem auf das Warten und Schweigen ankommt. Die Kamera sammelt betörende Bilder von Flora und Fauna des Hochgebirges ein und wechselt zwischen Totalen und Naheinstellungen, (Gegen-)Licht und Schatten. Eine überwältigende Hymne an die (Natur-)Schönheit, deren Gefährdung unterschwellig stets präsent ist, aber nicht plakativ ausgestellt wird. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
LA PANTHÉRE DES NEIGES
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Paprika Films/Kobalann/Arte France Cinéma/Le Bureau
Regie
Marie Amiguet · Vincent Munier
Buch
Marie Amiguet · Vincent Munier
Kamera
Marie Amiguet · Léo-Pol Jacquot · Vincent Munier
Musik
Warren Ellis · Nick Cave
Schnitt
Vincent Schmitt · Marie Amiguet
Länge
92 Minuten
Kinostart
10.03.2022
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
MFA (16:9, 1.85:1, DD5.1 frz./dt.)
Verleih Blu-ray
MFA (16:9, 1.85:1, dts-HDMA frz./dt.)
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Eine Expedition ins Hochland von Tibet sucht nach Schneeleoparden, lernt dabei aber vor allem das Warten und Schweigen kennen.

Diskussion

Die Wahrscheinlichkeit, in freier Wildbahn auf einen Schneeleoparden zu treffen, dürfte für Himalaya-Touristen ungefähr so hoch sein wie jene, von einem Yeti zum Tee eingeladen zu werden. Denn das Raubtier lebt als Einzelgänger in großen Höhen und ist in seiner Heimat Zentralasien überdies in seinem Bestand stark dezimiert. Experten gehen davon aus, dass es von den Großkatzen nur noch ein paar Tausend gibt. Für einen Tierfotografen wie Vincent Munier stand der Schneeleopard deshalb als Objekt seiner beruflichen Neugier schon immer ganz weit oben. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Gewohnheiten, allein auf Tour zu gehen, ließ er sich bei dieser Expedition von dem Reiseschriftsteller Sylvain Tesson und der Kamerafrau und Regisseurin Marie Amiguet begleiten.

In eisiger Höhe auf der Lauer

Tesson hielt ihre Erlebnisse anschließend in einem gleichnamigen Buch fest, das zum Bestseller avancierte, und Munier publizierte seine Fotos in dem opulenten Bildband „Zwischen Fels und Eis“. Das kann man eine effiziente Verwertungskette nennen. Der dazugehörige Dokumentarfilm ist aber ein durchaus eigenständiges Werk mit imposanten Bildern. Zwar ist die Frage, ob man die scheue Raubkatze tatsächlich vor die Linse bekommen hat, durch die beiden Buchveröffentlichungen im Kern schon beantwortet. Doch der Film nutzt eine andere Dramaturgie, bei der vor allem der Weg das Ziel ist. Und das heißt vor allem: Warten. Man sieht, wie sich Munier und Tesson in den frühen Morgenstunden immer wieder bei Eiseskälte in einer Höhe von über 4000 Meter auf den Weg machen und sich dann auf die Lauer legen. Um nicht entdeckt zu werden, dürfen sie allenfalls flüstern, was dem Fotografen nicht schwerfällt, den Autor aber vor Herausforderungen stellt.

Zwei Menschen beim Schweigen zuzusehen, wäre allerdings nicht sonderlich spannend. Doch die grandiose Umgebung sorgt dafür, dass man sich an den Bildern kaum sattsehen kann. Gigantische Gebirgszüge in Grau- und Brauntönen wechseln mit wüstenartigen Tälern, ein überwältigendes Wechselspiel von (Gegen-)Licht und Schatten, Totalen und Nahaufnahmen. Die gleichermaßen unwirtlich wie unwirklich anmutende Landschaft bietet einer erstaunlich vielfältigen Tierwelt ein Auskommen. Yaks, verschiedene Antilopenarten, Wölfe, Geier und selbst Braunbären tummeln sich in dieser eisigen Höhe. Und da der Film nicht zuletzt ein Plädoyer für das genaue Hinsehen ist, sieht man auch viele Kleintiere.

Das Warten und die Entschleunigung

Für den Schriftsteller Sylvain Tesson entwickelt sich die Expedition zum echten Selbsterfahrungstrip, wie er flüsternd vor der Kamera oder im Off erklärt. Bei seinen vielen Reisen rund um den Globus habe er offenbar nie wirklich etwas gesehen, weil er viel zu schnell unterwegs gewesen sei. Auch kommt ihm die Erinnerung, dass er jahrelang durch die Welt jettete, um Vorträge über Entschleunigung zu halten, als Wartender im Himalaya nun geradezu absurd vor.

Bisweilen nehmen sich diese Einsichten etwas pathetisch aus, doch Tesson widersteht der Versuchung, aus seinen neuen Erfahrungen gleich irgendwelche Patentrezepte zur Rettung der Welt abzuleiten. Die Mahnung zum Erhalt dieser (Natur-)Schönheit ist zwar ständig präsent, kommt aber ohne dicke Pinselstriche aus.

Am besten ist „Der Schneeleopard“ immer dort, wo überhaupt nicht geredet wird, sondern allenfalls der tosende Wind zu hören ist. Das verleiht den Bildern etwas Erhabenes und gleichzeitig Melancholisches, wie man es in anderen Himalaya-Dokumentationen noch nicht gesehen hat. Zur stillen Hymne an die Natur tragen auch Nick Cave und sein langjähriger Mitstreiter Warren Ellis mit einem Soundtrack bei, der sich auf sparsame, gelegentlich hingetupfte Piano- und Geigentöne beschränkt.

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