Drama | USA 2023 | 360 (sechs Folgen) Minuten

Regie: Peter Berg

Die Miniserie über die Ursprünge und Konsequenzen der Opioid-Krise in den USA zeichnet auf der Basis seines Sachbuchs akribisch nach, wie das US-Unternehmen Purdue Pharma das Suchtpotenzial seines Schmerzmittels Oxycontin systematisch herunterspielte und es mit fragwürdigen Methoden zum Verkaufsschlager machte. Das stark abhängig machende Medikament führte zu Hunderttausenden Toten. Die Serie beleuchtet auf drastische Weise die Praktiken des Pharma-Riesen und der hinter ihm stehenden Sackler-Dynastie, mit denen Einwände gegen das opiathaltige Mittel entkräftigt und die Öffentlichkeit manipuliert wurden. Recherchestark und akribisch, bisweilen jedoch etwas überzeichnet, entwickelt die Serie ein facettenreiches Panorama des Skandals. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
PAINKILLER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Netflix
Regie
Peter Berg
Buch
Micah Fitzerman-Blue · Noah Harpster
Kamera
Brendan Steacy
Schnitt
Garret Donnelly · Geofrey Hildrew
Darsteller
Matthew Broderick (Richard Sackler) · Uzo Aduba (Edie) · West Duchovny (Shannon Schaeffer) · Dina Shihabi (Britt Hufford) · Taylor Kitsch (Glen Kryger)
Länge
360 (sechs Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie

Dramaserie über den Pharmaskandal der Familie Sackler und das Schmerzmittel Oxycontin.

Diskussion

„Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu helfen, die unter Schmerzen leiden“. Das ist einer jener Sätze, die von Vertretern der US-Unternehmen Purdue Pharma häufig vorgebracht wurden, um den Einsatz ihres Schmerzmedikaments Oxycontin zu rechtfertigen. Die Dramaserie „Painkiller“ beleuchtet, dass hinter diesem altruistischen Mäntelchen ein perfides Geschäftsmodell steckte, mit dem sich die Milliardärsfamilie Sackler, der Purdue gehört, schamlos bereicherte.

Das eigentlich nur für Krebspatienten und gegen schwere chronische Schmerzen gedachte Präparat wurde in den späten 1990er-Jahren zum Verkaufsschlager, als Purdue begann, das Mittel auch für alltäglichere Schmerzen zu empfehlen. Viele Ärzte ließen sich in die Kampagne des Konzerns einspannen – zum Schaden von Millionen Patienten, da das Medikament stark abhängig macht und eine Schlüsselrolle bei der sogenannten „Opioidkrise“ spielt, dem drastischen Anstieg der Zahl von Drogenanhängigen und -toten in den USA.

„Painkiller“ erzählt mittels verschiedener Handlungsstränge von diesem Pharmaskandal und seinen Folgen. Recherchestark und akribisch, bisweilen jedoch etwas überzeichnet. Als Antagonistin trumpft die Schauspielerin Uzo Aduba in der Rolle der gegen Purdue ermittelnden Staatsanwältin auf.

Das „pain business“ war von Anfang an ein doppeltes Spiel, das zeigen die Serienschöpfer Micah Fitzerman-Blue und Noah Harpster in aller Drastik. Die vorgebliche Bekämpfung von Schmerzen wurde für Marketingzwecke instrumentalisiert, um systematisch neues Leid infolge der Abhängigkeit von der Droge „Oxy“ zu erzeugen. Denn etwas anderes ist das auch heute noch vermarktete Schmerzmittel nämlich nicht: ein hübsch verpacktes und mit Beipackzettel versehenes Suchtmittel. Bereits die Serie „Dopesick“ sowie der Dokumentarfilm „All the Beauty and the Bloodshed“ von Laura Poitras handelten von diesem Thema.

Facettenreiches Panorama der Opioidkrise

In dem Panorama, dass die Serie entwirft, spielen neben den Sacklers, ihren Helfershelfern und der Justiz auch leidgeprüfte Patienten eine Rolle. Etwa Glen Kryger (Taylor Kitsch), Inhaber eines familiengeführten Betriebes, dessen Leben nach einem Unfall aus der Bahn geraten war. Bei einem Sturz zog sich der Familienvater schwerwiegende Rückenverletzungen zu. Es folgten eine Operation, Reha und Schmerztherapie, die vieles mit sich bringen, jedoch keinen schnellen Behandlungserfolg. Erst die Medikation mit dem Schmerzmittel Oxycontin, verschrieben vom Hausarzt, verschafft Kryger Linderung. Auch seine Ehefrau Lily (Carolina Bartczak) ist von der schlagartigen Verbesserung beeindruckt. Dass mit der Ankunft der „Wunderpille“ Oxy der schwere Part ihres gemeinsamen Lebens keineswegs endet, sondern gerade erst begonnen hat, kann sie nicht ahnen.

Nicht alle Ärzte waren beim Verschreiben von opiathaltigen Mitteln so bereitwillig wie Krygers Hausarzt. Um skeptische Stimmen und wissenschaftsorientierte Bedenkenträger umzustimmen, unterhielt die Firma Purdue eine eigene Einheit. In der Serie wird sie von Madelaine West Duchovny und Ana Cruz Kayne verkörpert. Eine Ermittlerin bezeichnet die aufgedonnerten, gerne im Porsche vor den Arztpraxen vorfahrenden Beraterinnen von Purdue einmal als „Malibu Barbies“, was den mit der Überzeugungs- und Lobbyarbeit betrauten Phänotyp treffend beschreibt. „Die Droge, von der sie nie wussten, dass sie sie brauchen“, könnte das Leitmotto dieser Verkäuferinnen lauten. Sie werden zu Mitstifterinnen eines Systems, das sie und die Ärzteschaft zu Drogendealern macht und die Patienten zu Junkies.

Eine Staatsanwältin legt sich queer

Welches Ausmaß der verschreibungspflichtige Irrsinn schnell annimmt, erschüttert die Ermittlerin Edie Flowers (Uzo Aduba). Die Mitarbeiterin der Staatsanwaltschaft erlebt bei einem Apothekenbesuch, wie ein Oxy-Patient auf Entzug alles unternimmt, um sich den Stoff auch gegen Widerstand zu beschaffen. Flowers setzt fortan alles daran, der Firma Purdue das Geschäft mit der Substanz zu verhageln. Dort man in der Chefetage des Unternehmens aber längst die Zulassungsbehörde DEA ins Visier genommen, um etwaige rechtliche Hürden bei der Vermarktung von Oxycontin zu umgehen – eine besonders unrühmliche Episode, welche die Serie intensiv beleuchtet.

Die Selbstgewissheit des Familienoberhaupts Richard Sackler (Matthew Broderick) ist groß. Seine Anwälte beseitigt beflissen alle Markthindernisse, auch wenn sich seit einiger Zeit ein gewisses Störgeräusch ins Leben des Milliardärs geschlichen hat. Gleich zu Beginn sieht man in einer metaphorisch aufgeladenen Sequenz, wie Sackler in seiner Villa mit dem Rauchmelder ringt. Das durchdringende Piepen des Gerätes, unerreichbar an der hohen Decke angebracht, will einfach nicht stoppen, obwohl weit und breit kein Rauch zu sehen ist. Doch bald wird die Hartnäckigkeit der Staatsanwaltschaft, verkörpert durch Edie Flowers, dafür sorgen, dass Sackler und seinen Profiteuren tatsächlich Feuer unterm Hintern gemacht wird.

Die Überdosierung von Oxycontin hat bis heute rund 300.000 Amerikanern das Leben gekostet und das Dasein von Millionen Patienten und ihren Angehörigen zerstört. Als die Öffentlichkeit endlich beginnt, die epidemische Verschreibungswelle, ausgelöst durch Purdues permanentes Lobbying, zu hinterfragen, sind die moralisch Schuldigen schnell gefunden. Sie sitzen nicht in der Chefetage oder im Aufsichtsrat des Pharma-Riesen; es sollen vielmehr die Patienten selbst sein, die an ihrem Elend Schuld tragen. Es seien eben unverbesserliche Junkies, die das Wundermittel Oxy missbrauchten. „Hammer on the abusers“, lautet die interne Losung der PR-Abteilung, die sich auf die moralische Verdammung und Stigmatisierung von Suchterkrankten verlegt. Diese Niedertracht findet bei einer Anhörung im Kongress ihre Fortsetzung. Verteidiger der Firma verweisen auf die angeblich eindeutige Studienlage, die nahelegt, dass die Einnahme von Oxycontin lediglich bei einem Prozent der Patienten zu Abhängigkeit führe – was ein pure Lüge war, wie sich schnell herausstellte.

Bisweilen wird der Tonfall etwas schrill

„Da draußen ist ein Monster, lasst uns seinen Kopf abschlagen“, ist ein Satz, wie man ihn aus dem Mund eines Superhelden erwartet. Als Superheldin versteht sich Edie Flowers allerdings nicht; ihr bürokratisches Ethos und der beflissene Dienst an der Gemeinschaft reifen im Laufe der Serie aber fast zur Superpower heran. „Ich bin eine Bürokratin. Das ist es, was uns zusammenhält. Es ist das, was unsere Gesellschaft organisiert, funktionsfähig und in Bewegung hält.“ Irgendwann packen sie alle aus, die kleinen und mittleren Profiteure, die Mitläufer und Neunmalklugen, die die Bedenkenträger und ihre berechtigten Einwände schmähten. Das Sackler Empire steht am Ende in Flammen.

2017 gab das US-Magazin The New Yorker eine von zwei großen Reportagen heraus, die zur Vorlage für „Painkiller“ wurde. „The Family That Built an Empire of Pain“, lautete ihr Titel. Der von Peter Berg inszenierten Serie gelingt es in ihren akribischen Momenten eindrucksvoll, das Schmerzensimperium zu dekonstruieren und die Gemeinheit der Methode und die Geschäftemacherei bloßzustellen. Bisweilen wirken einige der Drogen-, Gewaltexzess- und „Große Sause“-Bilder der Profitgier aber allzu abgegriffen und überzeichnet. So wird die Purdue-Masche etwa mit dem Bild einer Atombombenexplosion illustriert; auch im Tonfall ist „Painkiller“ oft etwas schrill.

Edie Flowers lässt sich weder von den klagefreudigen Purdue-Anwälten noch von dem Museen, Stiftungstafeln und Universitätsgebäude zierenden Namen Sackler einschüchtern. Wenn die Ermittlerin auf ein Problem stößt, sucht sie den logisch naheliegenden Zug, um es zu beseitigen. Ohne Tamtam und ohne Dankbarkeit für ihr Schaffen einzufordern. „If you wanna take them down, find a crime“, hört man ihren Chef, den obersten Staatsanwalt, an einer Stelle zu ihr sagen.

Am Ende waren es Falschaussagen unter Eid, die Purdue und Sackler überführten. Das ironische Ende eines Lügengebäudes, dessen Einsturz in der Realität weit kostspieliger, aber vergleichsweise sanft war. Denn der Prozess um Purdue endete mit einem Vergleich. Derweil hält die Opiatkrise in den USA an; Oxycontin darf auch heute noch verschrieben werden.

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