Gerichtsfilm | USA 2023 | 126 Minuten

Regie: Maggie Betts

Mississippi, Mitte der 1990er-Jahre: Als der in finanzielle Bedrängnis geratene Inhaber eines Familien-Beerdigungsunternehmens von einem Großunternehmer, der massenweise kleinere Betriebe aufkauft, betrogen wird, heuert er einen extravaganten afroamerikanischen Juristen an. Es entfaltet sich ein spannender Prozess, bei dem es eigentlich nur um Vertragsrechtsfragen geht, der Diskurs um ethnische Zugehörigkeit und strukturellen Rassismus aber eine entscheidende Rolle spielt. Ein souverän und dank der pointierten Figurenzeichnung mit komödiantischer Verve inszenierter Gerichtsfilm, der seiner klassischen „David gegen Goliath“-Konstellation einen interessanten zeitgemäßen Dreh verpasst. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BURIAL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Amazon Studios/Bobby Shriver/Double Nickel Entertainment/Foxxhole Productions/Maven Screen Media
Regie
Maggie Betts
Buch
Doug Wright · Maggie Betts
Kamera
Maryse Alberti
Musik
Michael Abels
Schnitt
Jay Cassidy · Lee Percy
Darsteller
Tommy Lee Jones (Jeremiah O'Keefe) · Jamie Foxx (Willie Gary) · Jurnee Smollett (Mame Downes) · Alan Ruck (Mike Allred) · Mamoudou Athie (Hal Dockins)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Gerichtsfilm
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Komödiantischer Gerichtsfilm nach einem realen Fall: Als der Inhaber eines Beerdigungsunternehmens in den 1990ern bei einem Deal betrogen wird, heuert er die Kanzlei eines extravaganten afroamerikanischen Juristen an.

Diskussion

„Geht es hier um Rasse?“, fragt Anwältin Mame Downes (Jurnee Smollett) an einem Punkt im Prozess Jeremiah O’Keefe gegen die Loewen-Gruppe, um den es in dem von Regisseurin Maggie Betts angezettelten „Krieg der Bestatter“ geht. Die von realen Ereignissen inspirierte Handlung spielt Mitte der 1990er-Jahre; zwischendurch sieht man kurze Ausschnitte der TV-Berichterstattung zu einem anderen Prozess jener Zeit, dem gegen O.J. Simpson – einem epochalen Medien-Ereignis, auch weil im Zug des Verfahrens Rassismusvorwürfe gegen die Ermittler laut wurden und breitenwirksam die Frage danach aufkam, wie sich die ethnische Herkunft auf Chancen und Benachteiligungen in der Strafverfolgung der USA auswirkt.

Mit dem Fall O’Keefe vs. Loewen hat das eigentlich wenig zu tun. Mame Downes ist der Beistand des Loewen-Konzerns, eines Beerdigungs-Großunternehmens aus Kanada, das gerade dabei ist, so viele kleinere Betriebe in den USA aufzukaufen, wie es bekommen kann. Jeremiah O’Keefe (Tommy Lee Jones), der eine Familien-Bestattungsfirma im Staate Mississippi betreibt und in finanzielle Engpässe geraten ist, war bereit, drei seiner Filialen an die Loewen Group zu verkaufen, um sich zu sanieren; der entsprechende Vertrag ist von O’Keefe längst unterschrieben, doch dann hat Konzernchef Ray Loewen (Bill Camp) es immer weiter hinausgezögert, das Geschäft mit seiner eigenen Unterschrift zu besiegeln. Offensichtlich hat er darauf spekuliert, O’Keefe erst in den Bankrott rutschen zu lassen und dann statt nur drei Filialen die ganze Firma für wenig Geld einzukassieren. Dagegen hat O’Keefe in Hinds County, Mississippi, nun geklagt. Sowohl der Ankläger als auch der Beklagte sind alte weiße Männer.

Rasse, Recht und Redegewandtheit

Trotzdem ist die Frage der Anwältin nach der Rasse, mit der sie die Anklagestrategie der Gegenseite bloßstellen will, durchaus begründet. Die ethnische Herkunft aller Beteiligten und der Ort des Prozesses, eine Region im Süden der USA, die mittlerweile zu rund 60 Prozent von Schwarzen bewohnt wird, von denen viele in wirtschaftlich prekären Verhältnissen leben, spielen in diesem Gerichtsverfahren eine entscheidende Rolle. Sowohl Mame als auch das sie unterstützende Juristen-Team als auch der Großteil der Vertreter der Anklage sind „People of Color“. Und das ist kein Zufall, sondern Strategie. Angestoßen wird sie von dem jungen schwarzen Anwalt Hal Dockins (Mamoudou Athie), einem Uni-Kumpel von einem der zahlreichen Kinder der O’Keefe-Familie. Er weist den Familienpatriarchen darauf hin, dass sich bei einem Prozess in Hinds County die Jury entsprechend der Bevölkerungsmehrheit großteils aus Afroamerikanern rekrutieren dürfte und dass O’Keefes altgedienter Familienanwalt Mike Allred (großartig: Alan Ruck), der sozusagen aus jeder Pore „White Privilege“ atmet (und, wie in einer süffisanten kleinen Szene zu sehen, schwarze Kellner mit „Boy“ anspricht), nicht der richtige Typ ist, um bei solch einer Jury einen guten Eindruck zu machen.

Dockins überredet O’Keefe, den schwarzen Erfolgsanwalt Willie Gary (Jamie Foxx) hinzuzuziehen. Der ist zwar eigentlich nicht auf Vertragsrecht, sondern auf Schmerzensgeldfälle spezialisiert und nimmt keine weißen Klienten an (ein kurioser umgekehrter Rassismus), lässt sich von Dockins aber doch breitschlagen, den Fall zu übernehmen, schließlich könnte sich ein Kampf gegen das „Corporate Evil“, wie es der O’Keefe-Fall ist, positiv auf sein Prestige auswirken. Ray Loewen ist allerdings auch nicht dumm und kontert damit, seinerseits das Beste und Teuerste anzuheuern, was an schwarzen Anwälten zu haben ist.

Ein Krieg der Narrative

Und so beginnt vor Gericht ein Krieg der Narrative: Willie Gary und sein Team tun alles, um O’Keefe als grundanständigen Biedermann dastehen zu lassen, der sich schon zu seiner Zeit als Bürgermeister seiner Heimatstadt durch Widerstand gegen KuKluxKlan-Umtriebe als Freund der schwarzen Community hervortat und nun einem „Death Care“-Konzern zum Opfer zu fallen droht, der es vornehmlich darauf angelegt hat, die mehrheitlich schwarze Bevölkerung in Trauerfällen abzuzocken. Mame Downes wiederum lässt nichts unversucht, dieses Narrativ als Ballon darzustellen, argumentativ die Luft herauszulassen und stattdessen O’Keefe schlicht als schlechten Geschäftsmann bloßzustellen.

Regisseurin Maggie Betts, die zusammen mit Doug Wright auch das Drehbuch dieses klassischen „Courtroom Dramas“ geschrieben hat – das gar nicht nur dramatisch ist, sondern durch die pointierte Figurenzeichnung eine gewisse komödiantische Verve hat –, erzählt also nicht nur eine typische „David gegen Goliath“-Geschichte, in der sich ein betrogener Normalbürger gegen Konzern-Gier wehrt. Vielmehr gibt sie dem Ganzen mit ihrem ebenso humorvollen wie scharfen Blick darauf, welche Rolle der Rasse-Diskurs im Prozess spielt, einen höchst aktuellen Twist.

Große Bühne für Jamie Foxx

Ihr Herz scheint dabei am meisten für die Figur des Anwalts Willie Gary zu schlagen; jedenfalls bekommt der vortrefflich aufspielende Jamie Foxx von Drehbuch und Inszenierung die größte Bühne bereitet. Gary ist keine nobel-heroische Figur, wie sie etwa Chadwick Boseman im Biopic „Marshall“ über den schwarzen Anwalt Thurgood Marshall verkörpert hat, sondern wird von Foxx genüsslich als irritierend selbstverliebter Fatzke gespielt, dem es bei seinen Fällen mindestens so stark ums eigene Ego wie um die Klienten geht. Gary lässt keine Gelegenheit aus, um sich als reichen Selfmade-Mann zu inszenieren, und ist nicht nur äußerst eloquent, sondern hört sich offensichtlich allzu gern auch selbst reden. Und doch hat er sich dabei einen Sinn für Gerechtigkeit und fürs Gemeinwohl bewahrt, wie er dem ähnlich selbstverliebten und eitlen Ray Loewen vollkommen abgeht. Eine sympathisch unebene, schillernde Figur, die zudem ein vortreffliches Gegenstück zu dem von Tommy Lee Jones gespielten, völlig unprätentiösen und bodenständigen O’Keefe darstellt, zu dem Gary im Lauf des Films freundschaftliche Bande knüpft.

Als stillen Helden im Hintergrund lässt Betts außerdem Mamoudou Athie als Junganwalt strahlen: Hal Dockins weiß vielleicht noch besser als Gary, dieser schrille schwarze American Dream auf zwei Beinen, dass die Frage nach ethnischer Herkunft und strukturellem Rassismus durchaus nicht nur ein narrativer Ballon ist, mit dem sich strategisch arbeiten lässt, sondern dass (nicht nur) in Mississippi handfeste materielle Realitäten davon geprägt sind. Und dass das raubtierkapitalistische Gebaren von Loewen tatsächlich darauf abzielt, diese Realitäten auszunutzen und damit zu verfestigen. Und so verbeißt er sich unermüdlich in den Papierberg, in dem Informationen zu den Geschäftspraktiken der Loewen Group vergraben sind – und leistet damit Basisarbeit, die der Gegenanwältin Mame letztlich gefährlicher wird als der dick aufgetragene Showman-Charme, den Gary so reichlich versprüht.

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