Drama | Deutschland 2023 | 80 Minuten

Regie: Hannes Schilling

Ein deutscher Journalist will über aufständische Rebellen in Südthailand berichten, dringt aber trotz guter Beziehungen zur Bevölkerung nicht zu ihnen durch. Als ihm Geldsorgen und private Probleme zusetzen, beginnt er Teile seiner Reportagen zu erfinden. Mit einfachen Mitteln präsentiert der schwarz-weiße Film, wie die Suche nach Wahrheit scheitern kann. Die oft mit der Handkamera aufgenommenen Bilder thematisieren die persönliche Einfärbung der Wahrnehmung und gleiten mitunter ins Träumerische. Die vermeintlich simple Frage nach den Fakten wird ästhetisch so in eine weit kompliziertere Wirklichkeit überführt. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Jost Hering Filme
Regie
Hannes Schilling
Buch
Ghiat Al Mhitawi · Hannes Schilling
Kamera
Falco Seliger
Musik
Lena Radivoj
Schnitt
Marie Fontanel · Paul Gröbel
Darsteller
Ilja Nikolai Stahl (Leo) · Sabree Matming (Marwan) · Dennis Scheuermann (Julian)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama

Ein deutscher Journalist biegt sich in seinen Reportagen über Aufständische in Thailand die Welt zurecht, bis ein Fotograf auftaucht, der die Rebellen auch im Bild festhalten will.

Diskussion

Die Relotius-Affäre im Herbst 2018 gab einem schon zuvor gärenden Unbehagen einen Namen. Wer vor den Enthüllungen rund um den Hamburger Journalisten „den Medien“ misstraute, sah sich bestätigt. Das Schimpfwort „Relotius-Presse“ war geboren. Eine Einzelperson verkörperte plötzlich die zunehmend divergierenden Vorstellungen von Wirklichkeit entlang gesellschaftlicher Konfliktlinien. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im Jahr 2016 hatte man den Journalismus noch zur letzten Brandmauer gegen die Barbarei erhoben; im Februar 2017 gab sich die „Washington Post“ den etwas pathetischen Slogan „Democracy dies in Darkness“ – im selben Jahr also, in dem auch die Formulierung „Fake News“ Einzug in den Duden fand.

Das Fenster zur Welt

Vielleicht ist es diese drohende Dunkelheit, die die Relotius-Chiffre Leo (Ilja Nikolai Stahl) in vielen Szenen von „Good News“ umschließt. Immer wieder zeigt Regisseur Hannes Schilling den Journalisten in nächtlicher Einsamkeit, nur von seinem Smartphone erleuchtet. Das ist zweifellos ein Gegenwartsbild: das umnachtete Individuum, dem nur noch ein handgroßes Fenster zur Welt zugestanden wird.

Leo ist in der südthailändischen Provinz Pattani und berichtet über eine Gruppe von Rebellen. Allzu detailliert erklärt der Film die politischen Umstände nicht, und so richtig scheint auch Leo das nicht zu erfassen. Obwohl er im regen Austausch mit Einheimischen wie dem offenherzigen Marwan (Sabree Matming) steht, kommt er den Aufständischen nicht näher. Das Geld wird knapp und die Familie in der Heimat ungeduldig. Deshalb beschließt er, die Fakten für seine Reportage ein wenig auszuschmücken.

Das ist eine riskante Abkürzung durch fremdes Terrain. Leos scheiternde Wahrheitssuche wird in einen künstlerischen Gestus überführt. Einfache, reduzierte Mittel beschreiben eine komplexe Situation. Der Film kreist um ein unerreichbares, vielleicht sogar leeres Zentrum. Alles, wonach gesucht wird, scheint im Dschungel verborgen zu sein; mit jeder Annäherung entzieht es sich nur noch mehr. Man wäre nicht überrascht, wenn sich der Journalist die Rebellen komplett ausgedacht und vielleicht sogar Pattani erfunden hätte. Denn „Good News“ erzählt auch von einem großen Ego, verborgen hinter biederer Durchschnittlichkeit. Solipsismus, der sich für einen Standpunkt hält.

Ein schlabbriger Karrierist

Das Kino hat eine lange Tradition, Journalisten als nüchterne Helden zu inszenieren. Von „Die Unbestechlichen“ bis „Spotlight“ reicht eine Ahnenlinie, die manchmal Unauffälligkeit mit Selbstentsagung verwechselt. In gewisser Weise erscheinen Journalisten so als Hybride aus Mönchen und Beamten. „Good News“ hingegen zeigt die Figur anders. Nicht als finsteren Lügenpresse-Verschwörer, sondern deutlich komplexer, näher am Durchschnittsbürger, der im gleichen Maße überfordert, menschlich und egoistisch wie die meisten ist.

Aus Selfies lässt sich schwer ein Gesamtbild konstruieren. In Ermangelung von großen und vor allem klaren Bildern, die den Konflikt greifbar machen, zeigt die Kamera oft einfach nur Leo. Ilja Nikolai Stahl spielt ihn als Kumpeltypen und schlabbrigen Karrieristen. Er hat Preise gewonnen, aber das ist schon ein paar Jahre her. Etwas verloren steht er in den Bildern herum, dafür aber mit der dezent arroganten Gelassenheit des Weltenbummlers, der Geschichten von Orten zu erzählen weiß, die die meisten nicht einmal buchstabieren können. Ein Wohlstands-Hippie und verhinderter Weltenretter, bei dem die Schnittmenge von „gut gemeint“ und „gut gemacht“ geringer ausfällt als erhofft.

Marwan soll Leo den Weg zu den Rebellen ebnen, dafür will dieser ihm angeblich zu einem neuen Leben in Deutschland verhelfen. In den Dialogen zwischen den beiden erkennt man schnell, wie illusorisch dieses Versprechen ist. Leo ist es gewohnt, Menschen zu benutzen. Für ihn ist auch das fremde Land im Grund nur eine Verfügungsmasse, die in seinen Geschichten stärker deformiert wird, als er wohl zugeben würde.

Die „Wahrheit“ der Bilder

Die Bilder von „Good News“ sind in Schwarz-weiß gehalten, und die Aufnahmen, die nicht den Protagonisten zeigen, wirken wie aus einem gehobenen Reportagemagazin. Lokalkolorit und Alltagseindrücke, Märkte und Hütten, Kopftücher und Straßenverkehr. Doch die meisten Szenen werden von Handkameras festgehalten, und so geraten die Glanzbilder ins Zittern und Schlingern. Noch das Dokumentierte ist unsicher und persönlich eingefärbt. Hier zweifeln die Bilder für die Menschen mit.

Nach den ersten erfolgreichen Fälschungen wird Leo der Fotograf Julian (Dennis Scheuermann) an die Seite gestellt. Ein stürmischer, latent aggressiver Typ als Leos vulgärer und damit ehrlicherer Widergänger. Er soll die Rebellen fotografieren, und zwar möglichst bald. Der Autor gerät dadurch immer weiter unter Druck. Schon nach kurzer Zeit versucht er verzweifelt, die von ihm behauptete Wirklichkeit jenseits seiner Textdatei zu manifestieren – mit zunehmend grotesken Resultaten.

Wo „Good News“ seine Figuren endgültig in die handlungsarme Angstwelt des Dschungels führt, ist der Film ganz bei sich. Eine neue Verunsicherung macht die Gewalt sichtbar, die im Erzählen liegen kann. Ästhetisch stellt der Film die Frage nach dem Unterschied zwischen Form und Verformung. Realistische Bilder werden träumerisch. Das Resultat ist ein skeptisches „Zeigen“ in Anführungszeichen, das nicht weiter von den Relotius-typischen Textornamenten entfernt sein könnte. Echte Verunsicherung anstelle von falscher Gewissheit.

Die Leere nach dem Knall

Manche Pointen sind allerdings zu einfach; ihr Schrecken ist zu glatt und zu vordergründig. Sie mögen vielleicht konsequent sein, schaffen aber eine Eindeutigkeit, die nicht so recht zu dem vorhergehenden Drittel des Films passen will. Interessanter als all die großen und kleinen Schocks ist die Taubheit danach. Die seltsame Stille nach dem Knall. Genau wie bei der Affäre ist nicht der kurze Moment der Überraschung das Entscheidende, nicht die Implosion falscher Vorstellungen, sondern die diffuse Leere, die darauf folgt.

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