Auf die Freude

Liebesfilm | Frankreich 2023 | 105 Minuten

Regie: Jérôme Bonnell

Als eine Anwältin im März 2020 ihre Eltern in Paris besucht, legt die Corona-Pandemie gerade das öffentliche Leben lahm. Während sich die junge Frau in der Wohnung einer abwesenden Freundin einnistet, lernt sie einen sympathischen Mann aus der Nachbarschaft kennen und beginnt mit ihm während des Lockdowns eine leidenschaftliche Beziehung. Ein tragikomischer und sinnlicher Liebesfilm über eine Zeit, in der sich alles ins Private zurückzieht und Intimität zum hohen Gut wird. Bisweilen etwas anbiedernd durch seinen vermehrten Einsatz bekannter Pandemie-Momente, aber stark in der Darstellung der scheinbar einer inneren Notwendigkeit folgenden Affäre sowie der persönlichen Zweifel und Ängste der Figuren. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
À LA JOIE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2023
Produktionsfirma
Arte France/Stromboli Films
Regie
Jérôme Bonnell
Buch
Jérôme Bonnell
Kamera
Pascal Lagriffoul
Musik
David Sztanke
Schnitt
Julie Dupré
Darsteller
Amel Charif (Véra) · Pablo Pauly (Sam) · Marie Desgranges (Hortense) · Caroline Baehr (Véras Mutter) · Raphaël Acloque (Mehdi)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Liebesfilm | Tragikomödie
Externe Links
IMDb | JustWatch

Tragikomischer Liebesfilm über ein Paar, das sich während des Corona-Lockdowns 2020 in Paris findet und die Zweisamkeit genießt, von der Dauernähe aber auch belastet wird.

Diskussion

Eigentlich ist Véra (Amel Charif) nur kurz in Paris, um ihre Eltern zu besuchen. Die freistehende Wohnung ihrer ehemaligen Professorin dient ihr als vorübergehende Herberge. Doch weil es März 2020 ist und die Corona-Pandemie gerade das öffentliche Leben lahmlegt, verlängert sich ihr Aufenthalt auf unbestimmte Zeit. Aus der Perspektive wenige Jahre danach wirkt die Covid-Frühphase hier durch unseren Wissensvorsprung teilweise komisch. Masken haben sich noch nicht durchgesetzt, Abstandsregeln werden wahlweise gar nicht ober völlig übertrieben umgesetzt und Desinfektionsflüssigkeit als Allheilmittel eingesetzt. Der zeitliche Abstand ist entscheidend für den Film des französischen Regisseurs Jérôme Bonnell, der sich diesem Kapitel leichtfüßig nähert und zum Anlass für eine Liebesgeschichte nimmt. Die Angst, das Leiden und die Toten bleiben zwar nicht ganz ausgespart, doch der Titel „Auf die Freude“ deutet an, dass die Ausnahmesituation hier in erster Linie eine Chance ist.

Die Protagonistin ist in der Tat ganz froh, eine Weile von ihrem Freund getrennt zu bleiben, der sie zu einer Adoption drängen wollte, weil Véra keine Kinder bekommen kann. Auch innerlich hat sie bereits Abstand von ihm genommen. Per SMS lügt sie ihn an, dass sie wegen des Chaos ihren Zug verpasst hat, und löscht kurz vor dem Versenden auch noch eine liebevolle Formulierung. Durch den sachlichen Ton deutet sich der Abschied schon an. Véra will einfach eine Weile für sich sein, und ihren Job als Anwältin kann sie vorerst auch problemlos im Home Office erledigen. Wäre da nur nicht die Einsamkeit.

Daten mit Abstand und Polizei-Beobachtung

Die Lücke in Véras Einsiedlerinnen-Leben füllt bald Sam (Pablo Pauly), ein zappeliger, aber liebeswürdiger Kasper mit spitzer Nase und roten Locken. Gern redet er sich um Kopf und Kragen, sucht Véras Nähe und geht dabei doch körperlich auf Distanz. Vor der Krankheit hat er Angst, will das aber aus männlichem Stolz nicht zugeben. Es ist nicht die beste Zeit, um sich näherzukommen. Als die beiden bei einem Date mit großem Abstand auf einer Parkbank sitzen, werden sie im Hintergrund kritisch von Polizisten beäugt.

Als sich Véra eines Tages verletzt und niemand anderen um Hilfe bitten kann, landet Sam in ihrer Wohnung und kurz darauf auch in ihrem Bett. Wie ausgehungert stürzen sich die beiden aufeinander. „Auf die Freude“ findet im Lockdown zunächst ein Paradies für Intimität. Die beiden nisten sich in ihrer Altbau-Liebeshöhle ein, albern wie Kinder herum, drücken ihre warmen verschwitzten Körper aneinander und wollen sich nicht mehr loslassen.

Der Sex spielt im Film eine wichtige Rolle, weil er ein kostbares Gut in Zeiten von Social Distancing ist, aber auch, weil er sich eine Zeit lang als Allheilmittel gegen Langeweile erweist. In den Gesprächen dazwischen offenbart sich unter anderem, dass Véra vielleicht manchmal zu abgeklärt ist und der scheinbar stets lustige Sam panische Angst davor hat, sein Leben nicht mehr meistern zu können. Weil er in der Gastronomie arbeitet, leidet er auch finanziell stärker als Véra. Nach einer Weile wird die Nähe schließlich zum Problem und die Stimmung beginnt zu kippen.

Ein großer Wiedererkennungswert

Nicht erst mit diesem Lagerkoller zielt Bonnell auf einen möglichst großen Wiederkennungswert bei den Zuschauern. „Auf die Freude“ bringt viele dieser ikonischen Momente, die fast jeder aus dem eigenen Lockdown kennt, in der Handlung unter: Das Anstehen am Supermarkt, private Peinlichkeiten bei Zoom-Konferenzen oder das gemeinsame Klatschen am offenen Fenster für das überarbeitete Krankenhauspersonal. In Verbindung mit den betont nahbaren Figuren und dem Anklingen aktueller gesellschaftlicher Themen wie veränderte Rollenbilder wirken diese Momente manchmal ein wenig anbiedernd.

Die Stärke des Films ist die Beziehung von Véra und Sam, die stets so dynamisch und von Spannungen bestimmt ist, dass der Film nicht wie das Kammerspiel wirkt, das er in Wahrheit die meiste Zeit ist. Die vertrauten, sinnlichen und ausgelassenen Momente sind letztlich so kostbar wie vergänglich. Eine Enthüllung lässt den ansonsten eher zurückhaltend dramatisierten Film am Ende ernster und trauriger werden. Dabei veranschaulicht diese Wendung jedoch nicht nur, dass sich durch die Pandemie das Leben von Véra und Sam verengt hat, sondern auch, dass man durch den radikalen Rückzug ins Private letztlich nur einen Ausschnitt aus dem Leben des anderen mitbekommen hat. Im Streit behauptet Sam einmal, die beiden würden nicht einander lieben, sondern nur die Situation, in der sie sich befinden. Das bittersüße Ende des Films lässt jedoch daran zweifeln.

Kommentar verfassen

Kommentieren