Drama | USA/Großbritannien 2024 | 480 (acht Folgen) Minuten

Regie: Minkie Spiro

Zur Zeit der chinesischen Kulturrevolution sendet eine junge Physikerin auf einer geheimen Militärstation Nachrichten an eine außerirdische Zivilisation. Einige Jahrzehnte später werden die Folgen der Kontaktaufnahme erkennbar: Die Aliens bereiten eine Invasion vor. Die Teilchenbeschleuniger der Welt spielen verrückt, die theoretische Physik hat kein Fundament mehr, Wissenschaftler auf aller Welt begehen Suizid. Eine Gruppe hochbegabter Jung-Wissenschaftler:innen wird rekrutiert, um die Erde auf die Invasion vorzubereiten. Die hochbudgetierte Serien-Adaption der „Trisolaris“-Romantrilogie von Cixin Liu entspinnt sich als Science-Fiction-Thriller, der die Vorlage effizient, massen- und zeitgeisttauglich zusammenkürzt, dabei aber vieles vom Gewicht einbüßt, das die Vorlage hinter die historischen und kosmischen Umwälzungen bringt. - Ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
3 BODY PROBLEM
Produktionsland
USA/Großbritannien
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Plan B Ent./Primitive Steak/T-Street/Three-Body Universe
Regie
Minkie Spiro · Jeremy Podeswa · Derek Tsang · Andrew Stanton
Buch
David Benioff · D.B. Weiss · Alexander Woo
Kamera
Martin Ahlgren · P.J. Dillon · Richie Donnelly · Jonathan Freeman
Musik
Ramin Djawadi
Schnitt
Simon Smith · Katie Weiland · Anna Hauger · Michael Ruscio
Darsteller
Benedict Wong (Shi Qiang) · Jess Hong (Jin Cheng) · Jovan Adepo (Saul Durand) · Eiza González (Auggie Salazar) · John Bradley (Jack Rooney)
Länge
480 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Science-Fiction | Serie | Thriller
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Serie über eine Gruppe von Wissenschaftlern, die versuchen, die Invasion der Erde durch eine außerirdische Zivilisation zu verhindern, die durch eine unbedachte Nachricht ins All ausgelöst wurde.

Diskussion

Der zweite Knopfdruck besiegelt das Schicksal der Menschheit. Er lässt keine Atombombe detonieren, setzt keine Weltvernichtungsmaschine in Gang, es ist eine einfache Botschaft, die er ins All schickt: Ein einfaches Lebenszeichen. Doch jedes gehörte Lebenszeichen im Universum ist zugleich ein Todesurteil; wer sicher bleiben will, sollte potenzielle Feinde nicht auf sich aufmerksam machen. Cixin Liu, Autor der Romanvorlage „Die drei Sonnen“, nimmt diese Annahme als Grundlage für seine spektakuläre Lösung des sogenannten „Fermi-Paradoxons“ („Warum haben wir nie etwas von einer außerirdischen Zivilisation gehört, wenn das Universum endlos ist?“). Denn die Empfänger der Botschaft, eine viereinhalb Lichtjahre entfernte Alien-Zivilisation, werden, sobald sie eine zweite Botschaft und damit die genaue Position der Erde empfangen, umgehend mit einer Invasion beginnen.

Die chinesische Physikerin Ye Wenjie (Zine Tseng), die in „3 Body Problem“ die erste Nachricht zur Zeit der chinesischen Kulturrevolution ins All gesendet hat und nun eine Warnung als Antwort erhält, zögert trotzdem nicht lange, bevor sie die zweite losschickt. Die menschliche Zivilisation sei nicht mehr in der Lage, ihre eigenen Probleme zu lösen. Sie brauche eine fremde Kraft, um zu intervenieren.

Verdient die Menschheit ihren Platz auf der Erde?

In der Gegenwart sieht sich auch der Rest der Menschheit, der nun sukzessive mit seinem drohenden Schicksal vertraut gemacht wird, mit den Fragen konfrontiert, die Ye Wenjie längst für sich beantwortet hatte, als sie ein zweites Mal mit der fremden Zivilisation Kontakt aufnahm: Hat die Menschheit ihren Platz auf der Erde verdient? Steht die Menschheit im Angesicht der Invasion zusammen oder entzweit sie sich weiter? Falls sie zusammensteht: hinter welchen Werten? Welche Werte ist sie bereit, aufzugeben?

Die Fäden des bis zur Erbarmungslosigkeit pragmatischen Überlebenswillen der Menschheit laufen im Jetzt beim Chef der sogenannten Planetary Defense Council Thomas Wade (Liam Cunningham) zusammen. Die vom Geist des 1968er-Hippietums beseelte anti-humane (oder eben pro-außerirdische) Fraktion sammelt sich nicht allein um die mittlerweile im Ruhestand lebende Ye Wenjie (Rosalind Chao), sondern auch um den Milliarden-Erben Mike Evans (Jonathan Pryce), der vom Umweltaktivisten zum Menschenfeind geworden ist und die Alien-Unterstützer zu einer quasi-religiösen Gemeinschaft geeint hat.

Die Zukunft hängt von coolen, diversen Nachwuchswissenschaftler:innen ab

Das eigentliche Herzstück der Serie aber bilden diejenigen, die zwischen beiden Fraktionen und zugleich direkt im Fadenkreuz der Alien-Invasion stehen: die Koryphäen der Wissenschaft. Für die Showrunner David Benioff, D.B. Weiss und Alexander Woo sind diese Protagonist:innen nicht die introvertierten, reflektierten und in den Strukturen von Forschung und Privatwirtschaft festgefahrenen und weitgehend vereinzelten chinesischen Wissenschaftler:innen der Vorlage, die unfreiwillig die Weltuntergangs-Bühne betreten und dabei mit (außer-)weltpolitischen Plänen konform gehen, unter die Räder geraten oder auf die eine oder andere Art Widerstand leisten. In „3 Body Problem“ sind sie coole, diverse Post-Doc-Kids: Jack Rooney (John Bradley), der reiche Nerd, der teuren Schnaps ebenso liebt wie „Star Wars“; sein Freund Will Downing (Alex Sharp), der auch ohne Weltuntergang mit der Tragik der Vergänglichkeit zu kämpfen hat, sowie Auggie Salazar (Eiza González), Koryphäe der angewandten Physik, die in der Serie gleichermaßen als Tech-Genie und Supermodell in entsprechenden Outfits auftritt.

Außerdem sind da noch der ebenso begabte Kollege Saul Durand (Jovan Adepo), der den Hedonismus doch ein wenig mehr liebt als die Wissenschaft, und nicht zuletzt ihre Kollegin aus der theoretischen Physik Jin Cheng (Jess Hong), die die Welt retten und nebenbei die Brücke zwischen den Kulturen schlagen muss, die die Serie massen- und zeitgeisttauglich zusammenbringt. Eine interessante Rolle im Angesicht des weit in der Ferne drohenden Weltuntergangs – die Aliens werden etwa 400 Jahre brauchen, um die Erde zu erreichen – spielen sie dennoch.

Wenn die Physik keinen Sinn mehr macht

Denn die Invasion beginnt lange vorher. Eine Reihe von Selbstmorden namhafter Wissenschaftler:innen kündigt sie an, ein nur für begabte Wissenschaftlerinnen wie die Nanotechnologie-Expertin Auggie sichtbarer Countdown setzt den Schrecken fort. Bald ergibt nichts mehr von dem, was die Wissenschaftselite erforscht, noch einen Sinn. Die Teilchenbeschleuniger in aller Welt bringen die gleichen, unsinnigen Versuchsergebnisse hervor. Experimente sind nicht mehr möglich, die Physik hat schlichtweg kein Fundament mehr. Die Ermittlungen übernimmt der grantige, aber doch gutherzige Da Shi (Benedict Wong).

Entlang der seltsamen Phänomene entspinnt sich „3 Body Problem“ als Science-Fiction-Thriller, der zwar wilde Abzweigungen nimmt, aber nie allzu sehr den Halt verlieren möchte. Die Physik mag plötzlich keinen Sinn mehr ergeben und die Menschheit ihrer eigenen Auslöschung entgegenblicken, aber mit einem Bier im örtlichen Pub, einem Whisky am Strand und gemeinsamem Katerfrühstück bleibt die Welt dann doch vertraut genug, dass niemand ganz ins Schwimmen gerät. Benioff, Weiss und Woo halten die Welt klein und übersichtlich, opfern Cixin Lius Gigantomanie für einen guten Drink und eine gefällige Vereinfachung.

Die Romanvorlage wird allzu rigoros eingedampft

Die Showrunner kürzen den ersten Roman der Trilogie recht effizient, aber doch allzu rigoros zusammen, um alles in acht Episoden unterzubringen. Zum Vergleich: Eine vom chinesischen Multimedia-Riesen Tencent produzierte Serienadaption des Stoffs nimmt sich dafür ganze 30 Episoden Zeit. Das eine oder andere Angebot, das Lius Prosa macht, um jene Wissenschaft, die Pfeiler der theoretischen Physik, aber auch die langsam und eigentümlich in die Erzählung dringende Soziologie zu erklären, schlägt die Netflix-Serie aus. Nicht aber die Kabinettstücke, die der spektakulären Theorie den angemessen gigantischen Rahmen geben: ein Elementarteilchen, das sich in den der Menschheit verborgenen Dimensionen zum weltumspannenden Supercomputer aufzufalten vermag; quasi unsichtbare kleine Nano-Fasern, die Fleisch und Metall gleichermaßen mühelos zu filetieren vermögen, und ein futuristisches Virtual-Reality-Spiel, das die Geheimnisse einer fremden Zivilisation in sich trägt. In eben diesen Spitzen des Spektakels ist die mit 160 Millionen Dollar budgetierte Serie deutlich eher in ihrem Element als in den Ereignissen, die ihr eigentlich Gewicht verleihen sollten.

Es fehlt das Gewicht hinter den Bildern

Allem voran steht dabei die Kulturrevolution, der Beginn von Lius grenzenlos ambitionierter Reise, den die Serie auf eine halbe Stunde eindampft. Der Knopfdruck, mit dem die junge Ye Wenjie bewusst das Ende der Menschheit besiegelt, wirkt hier weniger wie der geradezu erlösende Schlusspunkt eines langen Leidensweges, der beginnt, als die Roten Garden ihren Vater, einen berühmten Physiker, vor ihren Augen zu Tode prügeln, Ye Wenjie selbst foltern und sie schließlich in der inneren Mongolei ein ganzes Ökosystem per Hand vernichten lassen. Es fehlt das Gewicht hinter den Bildern, die diese kaum begreifbare historische Umwälzung wie einen tabellarischen Lebenslauf abhaken. Es fehlt die Schwere hinter dem Zorn, der tiefen Verbitterung und der Menschheitsmüdigkeit, die Ye Wenjie dazu bringen, ein zweites Mal den Knopf zu drücken und aus der großen irdischen die unvorstellbare kosmische Umwälzung zu machen.

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