Vielleicht war das das Geheimnis der großen
französischen Filmemacherin Agnès Varda: Sie kam direkt zur Sache, sie machte
sich unbefangen, neugierig, undogmatisch an die Arbeit – nah am Leben. Sie
dachte nicht cineastisch wie Godard,
Chabrol, Rivette, Truffaut;
sie, die Fotografin von Jean Vilars Théâtre National Populaire, hat nicht wie
die Protagonisten der Nouvelle Vague auf den harten Holzsitzen der Cinémathèque
Française Filmgeschichte inhaliert; Begriffe wie Montage und Kameraeinstellung
waren ihr fremd, als sie 1954, vier Jahre vor den ersten Arbeiten der
Nouvelle-Vague-Regisseure, sogleich mit einem Spielfilm begonnen hat. Für „La pointe courte“ kehrte sie
nach Sète an der Mittelmeerküste zurück, wo sie aufgewachsen ist, und erzählte
dort die Geschichte eines Paares, das in literarischen Dialogen auf langen
Spaziergängen das Ende seiner Liebe reflektierte. Gleichzeitig zeigte sie die
Geschichte eines Ortes und seiner Bewohner, die um ihre Fischplätze kämpfen.
Diese Bewegung zwischen dem Dokumentarischen und dem Fiktiven, zwischen dem
Erfundenen und dem Vorgefundenen, ist dann zum Markenzeichen ihrer Filme
geworden.