In seinem Coming-of-Age-Drama „Die Unschuld“ erzählt der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda aus drei unterschiedlichen Perspektiven die Geschichte zweier zehnjähriger Klassenkameraden, deren Verhältnis zueinander von einem Klima der Verdächtigungen, Gefahren und Gerüchte bedrängt wird. Der Film, der am 21.3.2024 in den deutschen Kinos startete, überzeugte die Jury der katholischen Filmkritik und ist neuer Kinotipp.
„Monster“ lautet der Originaltitel dieses Films, der in Deutschland unter dem Titel „Die Unschuld“ ins Kino kommt. Ein großer Kontrast, und doch passen durchaus beide Titel: Im Zentrum stehen zwei Kinder, etwa zehnjährige Jungs, die beide in dieselbe Klasse gehen, sowie einige Menschen – Eltern und Lehrer –, die für sie eine wichtige Rolle spielen, und es geht um die Frage, wer hier unschuldig ist und wer etwas Monströses getan hat. Ein Hochhaus ist in Flammen aufgegangen, und es könnte Brandstiftung gewesen sein. Einer der beiden Jungs, der vaterlos aufwachsende Minato (Soya Kurokawa) legt seltsame Verhaltensweisen an den Tag. Wird er von einem seiner Lehrer drangsaliert? Oder mobbt er gar selbst seinen Mitschüler, den mutterlos mit einem gewalttätigen Vater aufwachsenden Außenseiter Yori (Hinata Hiiragi)?
Regisseur Hirokazu Kore-eda und Drehbuchautor Yûji Sakamoto spüren diesen Fragen und dem Klima aus Verdächtigungen und Misstrauen, das die Jungs umgibt, in drei Kapiteln aus drei unterschiedlichen Perspektiven nach und entfalten dabei ein spannungsvolles Vexierspiel, bei dem sich Mutmaßungen immer wieder als falsche Fährten entpuppen – eine Wiederbelebung des „Rashomon“-Prinzips, wie es einst Akira Kurosawas Klassiker vormachte.
Die Jury der
katholischen Filmkritik überzeugte die kluge Art, wie sich „Die Unschuld“
dieses Erzählprinzip zu eigen macht, um einfühlsam Themen anklingen zu lassen
wie das Mobbing unter
Schüler:innen, die Überforderung von Eltern/Erwachsenen und deren Unfähigkeit,
ihre Kinder zu verstehen; sie kürte den Film anlässlich
seines deutschen Kinostarts am 21.3. zum Kinotipp.
„Sicher mag die Form, eine Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven darzubieten, schon oft verwendet worden sein, aber im Falle des japanischen Regisseurs wird nicht nur sein Lieblingsthema ‚Was ist Familie?‘ dadurch breiter aufgefächert, sondern sein tiefer Humanismus kommt noch mehr zur Geltung“, so die Jury. Nicht zuletzt durch das dritte Kapitel, das sich der Perspektive Minatos widmet, mache der Film deutlich, „wie unterschiedlich Menschen die gleichen Ereignisse/Worte/Handlungen wahrnehmen und interpretieren können.“ Insofern sei „Die Unschuld“ auch ein Plädoyer für Aufmerksamkeit, Verständnis und die Wichtigkeit von Kommunikation. Nicht zuletzt werde deutlich, dass der Respekt vor den Gefühlen von Menschen immer noch zu wenig Beachtung findet und gerade Heranwachsende in ihrer Sensibilität oft unterschätzt werden.
Die Menschlichkeit und Wärme, mit der die Filmemacher diese Geschichte erzählen, schlägt sich nicht zuletzt in der Zeichnung sämtlicher zentraler Figuren nieder: hier wird keiner zum „Monster“ gemacht, sondern den verhängnisvollen Wirkungen eines systemischen Drucks nachgespürt, der von schulischer Profilierungs- und Leistungsfixierung sowie der Schweige- und Ehrkultur der japanischen Gesellschaft ausgeht.
„Die Unschuld“ läuft ab 21.3. in den deutschen Kinos.