Die „Lola“-Gewinner 2025 (© Deutscher Filmpreis/Eventpress Kochan)

Lola mit großem E

„September 5“ ist der große Gewinner bei den Deutschen Filmpreisen 2025. Insgesamt neun Auszeichnungen gingen an den Thriller über die Geiselnahme bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Veröffentlicht am
10.05.2025 - 15:57:43
Diskussion

Bei der 75. „Lola“-Verleihung dominierte der Olympia-1972-Thriller „September 5“ seine Mitkonkurrenten nach Belieben und fuhr mit neun Auszeichnungen einen Start-Ziel-Sieg ein. Aber auch „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ und andere Filme setzten Akzente bei der Verleihung, die erstmals von dem Schauspieler Christian Friedel moderiert wurde. Der Versuch, ernste Gesellschaftslage und fröhliche Feierstimmung zusammenzubringen, glückte angesichts der spürbaren Verunsicherung in der Branche und durch die Nachricht vom Tod Margot Friedländers allerdings nur teilweise.


Tägliche Not eines Filmemachers. Der Regisseur ist begierig darauf, mit seinem nächsten Film loszulegen, doch seine Ideen sind ungeordnet – und der Produzent ist kaum eine Hilfe. Zwar ist er grundsätzlich wohlwollend, doch seine Skepsis gegenüber dem Drehbuch der geplanten Komödie formuliert er unverhüllt: „Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht so richtig, was das sein soll. Ich fand’s überhaupt nicht lustig.“ Worauf der Filmemacher ziemlich verdattert reagiert und nur schwachen Widerspruch vorzubringen wagt, während der Produzent mit irritierendem Dauerlächeln dem Projekt einen verbalen Dolchstoß nach dem anderen versetzt.

Dieses lebensnahe, von bitterer Komik getragene Zwiegespräch aus Fabian Stumms „Sad Jokes“ war eine der erinnerungswürdigsten Szenen im deutschen Kino des Jahres 2024. So verwundert es kaum, dass diese auch auf die Mitglieder der Deutschen Filmakademie Eindruck machte und bei den „Lolas“ 2025 nicht unberücksichtigt blieb. Die feine Komik, die Godehard Giese in der Rolle des hintertriebenen Produzenten hineinzulegen versteht, brachte dem Schauspieler den Preis als bester Nebendarsteller ein. Damit wurde einer der umtriebigsten und am zuverlässigsten glänzenden deutschen Mimen der letzten Jahre geehrt. Zudem war es die einzige Auszeichnung für einen dezidiert „kleinen“, mit geringen Mitteln umgesetzten Film, was Giese in seiner Dankesrede auch betonte, als er „Sad Jokes“ als Werk charakterisierte, das „nur aus lauter Liebe zum Kino“ entstanden sei. Ein wenig hallte da auch noch eine weitere Mahnung seiner Produzenten-Figur nach, der Regisseur solle nur ja nicht das „E-Wort“, nämlich Empathie, vergessen – was aus dem Munde seiner nur bedingt empathischen Figur im Film eine herbe Note besitzt.

Moderator Christian Friedel bei der Eröffnung (© Deutscher Filmpreis/Eventpress Fuhr)
Moderator Christian Friedel bei der Eröffnung (© Deutscher Filmpreis/Eventpress Fuhr)


Sich in andere einfühlen

Die 75. Verleihung des Deutschen Filmpreises am 9. Mai 2025 im Theater am Potsdamer Platz in Berlin schien sich diesen Ratschlag jedenfalls zu Herzen genommen haben und machte Empathie gleichsam zu ihrem Leitbegriff. Der Schauspieler Christian Friedel, der die Gala erstmals moderierte, widersprach bereits in seiner Eröffnungsrede der Auffassung von Elon Musk, dass Empathie eine Schwäche sei: „Das ist falsch!“ Friedels unaufdringliche, grundsympathische Aura erwies sich als ideale Stütze, um den Appellen für den Zusammenhalt gegen autokratische Tendenzen und gegen die Einschränkung von Freiheit und Kunst Nachdruck zu verleihen.


     Das könnte Sie auch interessieren:


Damit war der Ton für den Abend bereits zu Beginn gesetzt. Auch wenn die Selbstfeier der Filmbranche durchaus nicht aus dem Blick geriet, blieb der Ernst der Weltlage spürbar. So präsentierte Iris Berben die Dokumentarfilm-Kandidaten, indem sie deren jeweilige humanistische, feministische und weitsichtige Botschaften unterstrich; der Preis ging denn auch mit „Petra Kelly – Act Now!“ über die frühe „Grünen“-Politikerin an den Film mit der klarsten, schon im Titel unmissverständlichen Aufforderung zum Engagement. Und auch die Ehrenpreisträgerin der Gala, die renommierte Casting-Direktorin An Dorthe Braker, brach eine Lanze für die Gabe, sich in andere Menschen „einfühlen zu können“. Schließlich sei gerade das auch die Kernkompetenz ihres Berufs.

Die Filmbranche – nicht nur, aber gerade auch in Deutschland – steckt nach wie vor in einer Phase tiefer Verunsicherung. Davon kündete einmal mehr auch die „Lola“-Verleihung 2025. Viele Laudationes und Dankesreden berührten den weltweiten Aufstieg von Feinden freiheitlicher Gesellschaften, aber auch die hierzulande immer größer werdende Bedrohung, die sich mit aktuellen Ängsten unter Filmschaffenden verbanden. Der Vorstoß von US-Präsident Donald Trump, außerhalb der USA gedrehte Filme nur noch mit Zöllen von 100 Prozent ins Land lassen zu wollen, war dabei nur die jüngste Attacke. Auch die ewige, sich gefühlt immer höher schraubende Hürde „Filmförderung“ kam zur Sprache, aber auch die Sparvorgaben der deutschen Politik an die Kultur. Dem frisch eingeführten Kulturstaatsminister Wolfram Weimer wehte bei seiner ersten bedeutenden Amtsverpflichtung auch deshalb nicht nur freundlicher Wind entgegen. Seiner Selbstdarstellung als Kämpfer für die Kultur werden rasch Taten folgen müssen, zumal nach der hitzigen Kritik von Journalisten und Kulturschaffenden, dass sich der als wertkonservativ verstehende CDU-Politiker als Bedrohung für die Kulturfreiheit in Deutschland erweisen könnte.

Huldigung an Casting-Directorin An Dorthe Braker und ihr Metier (© Deutscher Filmpreis/Eventpress Fuhr)
Huldigung an Casting-Directorin An Dorthe Braker und ihr Metier (© Eventpress Fuhr)

Die „Lola“-Verleihung war mit alledem schon von Vornherein auf einen ernsten Ton hin angelegt. Hinzu kamen die den Abend prägenden Produktionen, insbesondere in der Hauptkategorie des besten Films. Mit „September 5“ über das Olympia-Attentat von 1972, „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ über die Unterdrückung von Frauen im Iran, dem NS-Widerstandsdrama „In Liebe, Eure Hilde“, dem rauen Debütfilm „Vena“ über eine drogenabhängige Schwangere und dem eleganten Thriller „Islands“ dominierten ernste bis bedrückende Stoffe. Lediglich „Köln 75“ präsentierte sich in dieser Auswahl mit der munteren Fabulierung um die Organisation des berühmten Keith-Jarrett-Konzerts als leichter daherkommende Unterhaltung.


Witz & ungewöhnliche Laudatoren

Christian Friedel hatte das in seiner Moderation durchaus berücksichtigt und suchte geradezu nach Momenten der Auflockerung und der Unbekümmertheit. Diese gelangen Friedel, der von seiner Band „Woods of Birnam“ begleitet wurde, denn auch vor allem musikalisch. So wurde die Ehrung von „Die Schule der magischen Tiere 3“ als besucherstärkstem Film durch eine Interpretation des Titelsongs eingeleitet, und auch auf die muntere, von tiefem Respekt zeugende Laudatio auf An Dorthe Braker durch Dominik Graf folgte noch ein Ständchen deutscher Schauspielprominenz um Meret Becker, Jan Josef Liefers, Heike Makatsch und anderen für die Casterin. Geistreichen Witz steuerten auch einige ungewöhnliche Laudatoren bei, etwa die Zukunftsforscherin Florence Gaub bei den Visuellen Effekten. Was im Verein mit einigen launigen Danksagungen durchaus auf eine geglückte Mischung nachdenklicher und unbeschwerter Augenblicke zusteuerte.

Nicht vorhersehbar war allerdings, dass die Show einen anderen hochemotionalen Moment bewältigen musste. Die Nachricht vom Tod der 103-jährigen Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer gelangte just während der Gala an die Öffentlichkeit und wurde dem Saalpublikum von dem Pianisten Igor Levit übermittelt. Nicht nur der jüdische Musiker kämpfte mit den Erinnerungen an die hochgeachtete Zeitzeugin, die ein Jahr zuvor auch beim Deutschen Filmpreis mit ihrem Appell gegen Hass beeindruckt hatte. Das Publikum zollte der Verstorbenen stehend Respekt; die Erschütterung war auch in dem Auftritt des Liedermachers Wolf Biermann im späteren Teil der Gala noch zu spüren. Biermanns Klassiker „Ermutigung“ erhielt dadurch noch einmal zusätzliche Intensität.

Eine Rückführung zum geplanten Ablauf des Abends konnte nach der Wucht dieser Zäsur nur holprig ausfallen. Auch Igor Levit fand nur schwer in seine Rolle als Laudator für die beste Filmmusik zurück. Die verdiente Auszeichnung für die Noir-artige Untermalung von „Islands“ durch die Komponistin Dascha Dauenhauer ging so ein wenig unter, was umso bedauerlicher war, als es die einzige „Lola“ Kategorie blieb, in der „September 5“ eine seiner Nominierungen nicht zum Gewinn führen konnte. Ansonsten erwies sich das kammerspielhafte Drama von Tim Fehlbaum als unschlagbar und heimste von der ersten Auszeichnung, die am Beginn der Show an Leonie Benesch als beste Nebendarstellerin ging, bis zum Ende knapp dreieinhalb Stunden später insgesamt neun Trophäen ein. Regie, Drehbuch, Kamera, Szenenbild, Schnitt, Tongestaltung, Maskenbild: stets verwies der auch international beachtete Spielfilm des gebürtigen Schweizers Fehlbaum die Konkurrenten auf die Plätze. Eine verständliche Ehrung für die spannende und vielschichtige Auseinandersetzung mit Aufgaben, Widersprüchen und Verfehlungen von Medien, die in den Zwiespalt zwischen exklusiver Berichterstattungsoption über die Olympia-Geiselnahme und moralischen Erwägungen gegenüber den Opfern geraten. Die in alter „Lola“-Tradition dominante Gleichförmigkeit, fast alle Ehre auf einen einzigen Film zu häufen, ist allerdings auch etwas fragwürdig.

Innehalten nach der Nachricht vom Tod Margot Friedländers (© Eventpress Fuhr)
Innehalten nach der Nachricht vom Tod Margot Friedländers (© Eventpress Fuhr)


Trend zu jüngeren Filmschaffenden

Immerhin wurden die anderen nominierten Werke nicht völlig ausgeschlossen. Insbesondere „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ des Iraners Mohammad Rasoulof fand reichlich Erwähnung durch seinen Schulterschluss mit den demonstrierenden Iranerinnen, die Umstände des Drehs und die Flucht Rasoulofs vor der Rache des Regimes. Auch hier drängte sich die Hoffnung auf Empathie zwangsläufig wieder in die Veranstaltung. Nach dem Gewinn der „Lola in Silber“ dankte Rasoulof allen Teammitgliedern, die sich für die Umsetzung des Films in Lebensgefahr begeben hatten, und erhielt für seinen Appell, den freiheitssuchenden Iranern beizustehen, Standing Ovations. Ähnlich bewegt nahm auch der aus dem Iran per Video zugeschaltete Missagh Zareh die „Lola“ als Hauptdarsteller entgegen.

Die vielleicht spannendste Kategorie der Gala war die Auswahl der besten Hauptdarstellerin, bei der am Ende Liv Lisa Fries für „In Liebe, Eure Hilde“ triumphierte, ihren ebenbürtigen Konkurrentinnen Mala Emde und Emma Nova aber ausdrücklich Reverenz erwies. „In Liebe, Eure Hilde“ setzte mit der „Lola in Bronze“ auch die Erfolgsstory von Andreas Dresen bei den Deutschen Filmpreisen fort, bei denen ansonsten eher ein Trend zu jüngeren Filmemachern und internationalen (Co-)Produktionen zu spüren ist. Gleichwohl gingen etablierte Regisseure wie Joachim A. Lang und das Duo Cyril Boss/Philipp Stennert mit ihren im deutschen Kino eher ungewöhnlichen Projekten „Cranko“ und „Hagen - Im Tal der Nibelungen“ nicht leer aus und gewannen je einen Preis (für Kostümbild beziehungsweise Visuelle Effekte). Und auch Veit Helmer, der seit seinen frühen, versponnenen Filmen wie „Tuvalu“ in den 1990er-Jahren ein Solitär im deutschen Kino ist, konnte für den Kinderfilm „Akiko, der fliegende Affe“ seine allererste „Lola“ entgegennehmen. Eine lange überfällige Anerkennung, auf die der Preisträger nachvollziehbar enthusiastisch und – natürlich – mit einem Lob der Empathie reagierte.


Die „Lolas“ beim Deutschen Filmpreis 2025 gingen an

Lola in Gold: September 5

Lola in Silber: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Lola in Bronze: In Liebe, Eure Hilde

Bester Dokumentarfilm: Petra Kelly - Act Now!

Bester Kinderfilm: Akiko, der fliegende Affe

Beste Regie: Tim Fehlbaum für „September 5“

Bestes Drehbuch: Moritz Binder, Tim Fehlbaum für „September 5“

Beste weibliche Hauptrolle: Liv Lisa Fries für „In Liebe, Eure Hilde“

Beste männliche Hauptrolle: Missagh Zareh für „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“

Beste weibliche Nebenrolle: Leonie Benesch für „September 5“

Beste männliche Nebenrolle: Godehard Giese für „Sad Jokes“

Beste Kamera/Bildgestaltung: Markus Förderer für „September 5“

Bester Schnitt: Hansjörg Weißbrich für „September 5“

Beste Tongestaltung: Lars Ginzel, Frank Kruse, Marc Parisotto, Marco Hanelt für „September 5“

Beste Filmmusik: Dascha Dauenhauer für „Islands“

Bestes Szenenbild: Julian R. Wagner, Melanie Raab für „September 5“

Bestes Kostümbild: Juliane Maier, Christian Röhrs für „Cranko“

Bestes Maskenbild: Sabine Schumann für „September 5“

Beste visuelle Effekte: Jan Stoltz, Franzisca Puppe für „Hagen - Im Tal der Nibelungen“

Ehrenpreis: An Dorthe Braker

Besucherstärkster Film: Die Schule der magischen Tiere 3

Kommentar verfassen

Kommentieren