Rasmus und der Vagabund (1981)

Kinderfilm | Schweden 1981 | 98 Minuten

Regie: Olle Hellbom

Ein siebenjähriger Junge bricht aus dem Waisenhaus aus, um sich selbst Eltern zu suchen. Er trifft auf einen netten Vagabunden, der ihm einige Tricks zeigt, bei dem der Junge aber auch Verantwortung und Selbstvertrauen entwickelt. Haarscharf entgeht der Vagabund dem Schicksal, fälschlicherweise für einen Bankraub eingesperrt zu werden, und am Ende finden beide, was sie suchen. Ein hübscher, im Sommer in den 20er Jahren spielender Film, der von einer romantischen Vorstellung des Vagabundendaseins geprägt ist. Die Entdeckungsreise des kleinen Jungen bietet zahlreiche neue Eindrücke, die ihn zu einer größeren Selbständigkeit führen. - Ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
RASMUS PA LUFFEN
Produktionsland
Schweden
Produktionsjahr
1981
Produktionsfirma
AB Svensk Filmindustri
Regie
Olle Hellbom
Buch
Astrid Lindgren · Olle Hellbom
Kamera
Rune Ericson · Bertil Rosengren
Musik
Gösta Linderholm · Allan Edwall
Schnitt
Susanne Linnman
Darsteller
Erik Lindgren (Rasmus) · Allan Edwall (Oskar) · Jarl Kulle (Hilding Lif, Dieb) · Olof Bergström (Länzmann) · Rolf Larsson (Polizist Berqvist)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Ufa (FF, Mono dt.)
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Diskussion
Zu den bisherigen Wiederaufführungen von Astrid-Lindgren-Verfilmungen wie "Wir Kinder von Bullerbü", "Ronja Räubertochter", "Madita" gesellt sich nun eine weitere, "Rasmus und der Vagabund". Wie die meisten anderen war der Film hierzulande bisher nur im Fernsehen zu sehen. Auch hier hat die Kinderbuchautorin selbst das Drehbuch (mit-)geschrieben; es handelt sich um die letzte Zusammenarbeit Lindgrens mit dem Regisseur Olle Hellbom, dem sie 25 Jahre lang ihre Stoffe anvertraut hatte und der 1982 gestorben ist.

Der siebenjährige Rasmus hat das Waisenhaus satt: Immer gibt es nur Grütze zu essen, und immer wollen die Erwachsenen nur Mädchen mit blonden Locken adoptieren. Er beschließt, sich auf eigene Faust Eltern zu suchen, obwohl er seinen besten Freund Gunnar zurücklassen muß, der sich die Flucht nicht zutraut. Gleich in der ersten Nacht trifft Rasmus auf einen Vagabunden, der sich Paradies-Oskar nennt. Auch wenn dieser sagt, kleine Kinder gehörten nicht auf "die Walze", nimmt er Rasmus mit auf seine Wanderschaft und zeigt ihm allerlei Tricks: wie man an Hand von Zeichen erkennt, an welchen Häusern es etwas zu holen gibt, wie man mit Geizkragen verfährt, daß man nie stehlen, sich aber trotzdem immer von der Polizei fernhalten soll. Eines Tages aber sehen sie zwei vermummte Gestalten sich verdrücken und gleich darauf die gefesselten Angestellten einer Bank. Sie machen sich aus dem Staub, denn "Landstreichern schiebt man immer alles in die Schuhe", sagt Oskar und hat recht. Er wird gefunden, verhört und schließlich, für eine ganz andere Tat, ins Gefängnis gesperrt. Da die beiden aber zufällig auf das Beuteversteck gestoßen sind und Oskar das Geld an einem sicheren Ort verstaut hat, nehmen die Räuber Rasmus als Geisel, befreien Oskar - und laufen in eine Falle. Am Ende zeigt sich, daß Oskar eine Frau und ein Zuhause hat, so daß Rasmus doch noch zu seiner Familie kommt.

Die Geschehnisse sind eingebettet in eine farbenfrohe ländliche Gegend im Hochsommer und zugleich in die nostalgischen Dekors und wehenden Kostüme der 20er Jahre. Ein Idyll, das viele kleine Geschichten bereithält, indem die Beschwerlichkeit des Obdachlosendaseins allerdings nur behutsam angedeutet wird. Es spiegelt sich hier vielmehr eine romantische Ausdeutung des Vagabundenlebens, die Vorstellung von einer Freiheit, nach eigenen Regeln zu leben. Das ist natürlich die ideale Voraussetzung für eine kindliche Entdeckungsreise, angeleitet von einem erfahrenen Mitreisenden: Oskar, einem herzensguten Vagabunden. Er kennt zu jeder Gelegenheit das passende Lied und nennt sich "Gottes Zugvogel", der, wie viele andere zu jener Zeit, den Traum hegt, eines Tages nach Amerika zu gehen. Rasmus lernt bei ihm Freigiebigkeit zu schätzen und Geiz ernst, aber nicht allzu übel zu nehmen, und sehr schnell erkennt er auch seine eigene Verantwortung: Als nur zwei Eier als Frühstück zur Verfügung stehen, die Oskar ihm beide gibt, behauptet er schon nach einem, satt zu sein. Die neuerworbene Selbständigkeit, die im Waisenhaus unterdrückt wurde, kommt ihm immer wieder zugute, insbesondere in dem trickreichen Kampf der beiden gegen die Räuber. Andererseits ist Rasmus, das zeigt schon sein Ausbruch, von vornherein ein ziemlich mutiger Junge, den sich Gleichaltrige als Vorbild nehmen können.

Die Welt der Erwachsenen teilt sich, wie bei Lindgren üblich, in diejenigen mit und diejenigen ohne Verständnis für Kinder. Im Waisenhaus dominieren die letzteren, auf den Landgütern die ersteren. Aber Kaltherzigkeit oder Hinterhältigkeit tauchen nicht auf; konsequent wurde die eigentliche Zielgruppe des Films berücksichtigt, die Vor- und Grundschulkinder. Die Schlechtigkeit der Welt zeigt sich in reichlich anderen Filmen; in "Rasmus" verkörpern sie nur die Räuber auf leicht clowneske Art, ähnlich wie in den Pippi-Langstrumpf-Geschichten. Olle Hellboms Arbeit zeugt auch hier - abgesehen von dem gewohnt souveränen Umgang mit Landschaften, mit Innenräumen, die immer etwas Luftiges haben, und mit den jungen und alten Schauspielern - von einem untrüglichen Blick für eine kindgerechte Erzählweise, die die Kinder nie für dumm verkauft. Dieser letzte Film von Hellbom zeigt insbesondere, daß sie nur dann glücklich werden können, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, über ihr Leben mitzubestimmen.
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