Dokumentarfilm | Deutschland/Frankreich 1989-92 | 182 Minuten

Regie: Romuald Karmakar

Dokumentarfilm, in dessen Mittelpunkt ein deutscher Ex-Fremdenlegionär und ein englischer Söldner stehen, die über ihre "Arbeit" berichten. Der Film enthält sich eines Kommentars, läßt Bilder und abgebildete Menschen für sich sprechen. Durch eine subtile Montage gelingt der Brückenschlag von der Vergangenheit zur Gegenwart, und die scheinbar abstrakten Aussagen am Anfang finden zum Ende hin ihre konkrete Bestätigung durch Aufnahmen im umkämpften Kroatien. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
WARHEADS
Produktionsland
Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
1989-92
Produktionsfirma
Max Film/Eurocreation/WDR
Regie
Romuald Karmakar
Buch
Romuald Karmakar
Kamera
Michael Teutsch · Klaus Merkel · Reiner Lauter · Bruno Affret · Romuald Karmakar
Schnitt
Katja Dringenberg
Länge
182 Minuten
Kinostart
-
Genre
Dokumentarfilm
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Diskussion
Zwei Männer: Günter Aschenbrenner, ein Ex-Fremdenlegionär mit Einsätzen in Algerien, Djibouti, Tschad, Zaire, der Zentralafrikanischen Republik, später Sicherheitsberater der deutschen Atomfirma OTRAG; Karl aus Liverpool, ein Söldner, der für Geld überall für jeden kämpft. Zwei Leben, mit deren Existenz der Durchschnittsbürger nichts zu tun haben will - und die sein Leben doch symbolisieren: (Neo-)Kolonialismus, Gewalt, Kapital. Aschenbrenner war in der Fremdenlegion, als ihre Seele deutsch war, voller untergetauchter Soldaten aus dem Nationalsozialismus (während des französischen Indochina-Kriegs waren circa ein Drittel der dort eingesetzten Fremdenlegionäre Deutsche); Karl ist Söldner, wahrscheinlich weil er arbeitslos war, was in Liverpool nichts Besonderes wäre, oder weil er nicht so sein will wie die anderen; oder weil ihn der Krieg erregt, weil er da etwas spürt, was er sonst nicht findet. Männer, die ein Leben in der Negation, im Schatten geführt haben oder noch führen.

Romuald Karmakars Filme handeln alle von solchen Schatten-Wesen, von Menschen und ihren Ritualen, die man ansonsten gern übersieht oder verzerrt darstellt: Besitzer von Kampfhunden, Hahnenkämpfer und ihre Tiere, Soldaten, die ihre Köpfe gegen Schränke knallen. Karmakar sagt, seine wichtigsten Einflüsse seien Punk, Fußball, Werkstattkino und Filmmuseum München: eine kritische Intelligenz außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft.

Für "Warheads" hat er mit seinen Protagonisten nun zwei Vertreter ihrer Berufe gefunden, die eben nicht so sind, wie man sich das gern vorstellt. Aschenbrenner ist ein gemütlicher älterer Herr, der im Biergarten sitzt und erzählt, Karl ist ein intelligenter, reflektierender junger Mann. Aschenbrenner erzählt davon, wie er einmal einen Menschen in Algerien gefoltert hat und warum das richtig und wichtig war; er erzählt von dem Militärbordell, mit dem sich die Regierung den Sold wieder zurückholte, und er erzählt davon, daß die Angst immer am Ende des Einsatzes steht. Karl erzählt, wie er den Krieg mit Drogen übersteht, und wie er nur noch mit Drogen durch den Frieden kommt; wie er Arbeit findet; und wie er sich von der anderen Welt, die man für normal hält, entfernt hat. Seine Welt ist für ihn normal.

Karmakar gibt seinen Protagonisten reichlich Platz. Der Film ist fast ausschließlich in Halb-totalen gedreht, einer Einstellung, in der man den Menschen in seiner Umgebung sehen kann. Karmakar läßt seine Interviewpartner ausreden, er läßt sie zögern, Worte finden, sich selbst darstellen, er schneidet sie nicht auf eine Essenz zusammen; er spielt auch nicht mit der Kamera oder dem Ton. So gesehen ist der Film extrem einfach, schmucklos. Der Regisseur vertraut auf seine Bilder und Töne (bis auf den Abspann keine Musik) und glaubt an die Intelligenz des Zuschauers. Das bedeutet aber nicht, das er sich jedes Kommentars enthält. Der Kommentar liegt in der Montage, der Anordnung der Geschichten und Orte.

"Warheads" ist eine Reise, geografisch wie psychisch. Eine Reise in vier Länder (USA, Deutschland, Französisch-Guayana, Kroatien) wie auch in die Illegalität. Der Film besteht aus zwei Teilen, einer für einen Protagonisten. Zunächst Aschenbrenner, den als Fremdenlegionär die Genfer Konvention schützte; dann Karl, der außerhalb jeder Legalität steht, den keiner schützt. Es ist auch eine Reise aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Aschenbrenner erzählt aus einem gelebten Leben, von vergangenen Kriegen; für Karl ist der Krieg gegenwärtig, seine jetzige Arbeitsstätte ist Kroatien. Und es ist eine Reise von der Erzählung zur Reflexion: Aschenbrenner erzählt und rechtfertigt, Karl stellt dar, kommentiert und reflektiert. Zuletzt ist "Warheads" auch der Weg von der Simulation in die Realität. Aschenbrenners Geschichten werden kommentiert durch Bilder aus einem paramilitärischen Ausbildungscamp in Mississippi, Karls Darstellungen durch authentische Kriegsbilder.

Die Bilder aus Kroatien, vom Krieg, zeigen -nichts. Einmal ist man an der vordersten Gefechtslinie, und das einzige, das man sieht, sind drei Männer hinter Bäumen in einer schneebedeckten Landschaft, aus der Feme klingen Schüsse. Das ist der Krieg, wenn man nur durch die objektive Kamera blickt, gefiltert ein wenig durch die unvermeidliche Cadrierung. So wiedergegeben, ist der Krieg maßlos unproduktiv, stellt sich durch Pausen dar - ist mehr "dazwischen" als "dabei". Das Schlimme an diesen Aufnahmen ist jedoch etwas anderes: die Bilder von der Frontlinie sehen aus wie die Bilder aus dem Trainingscamp. Was anfangs als überflüssig erscheint, wird am Ende bitterer Ernst. Da schließt sich ein Kreis, da liegt im Abstrakten das Konkrete. Alles ist nur noch eine Frage, wie man es betrachtet. Karl entschuldigt sich nicht für sein Leben, er hat keinen Grund dazu; er weiß, das es eine andere Welt jenseits seines von Drogen und Krieg zerfurchten Lebens gibt, mit einem anderen Bewußtsein. Das ist auch genau Karmakars Blickpunkt. Er weiß, daß es ein anderes Leben gibt; "Warheads" zeigt dieses Leben, ohne es zu verurteilen, es allerdings kritisch kommentierend.

Am Ende handelt "Warheads" von jedem einzelnen, der im Kino sitzt und zusieht, zuhört, mitdenkt. Indem man mit diesen Menschen konfrontiert wird, zwingt Karmakar dazu, über sich selbst nachzudenken. Das Überprüfen der eigenen Position führt dazu, daß man die Gesellschaft, den Staat überprüft.
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