Drama | Deutschland 1996/97 | 177 (88 & 89) Minuten

Regie: Heinrich Breloer

Zweiteiliges Dokumentarspiel über den "deutschen Herbst" 1977, der mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer am 5. September in Köln begann und mit der Erstürmung der Lufthansa-Maschine "Landshut" in Mogadischu endete. Ein faszinierendes Doku-Drama, das die Stellungnahmen und Erinnerungen vieler Beteiligter einfließen läßt und sich trotz Parteinahme für die Opfer um Objektivität bemüht. Bei aller Realitätsnähe werden auch - besonders im zweiten Teil - die Möglichkeiten des Genrekinos durchaus genutzt. (1. Teil: "Volksgefängnis", 2. Teil: "Entführt die Landshut") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1996/97
Produktionsfirma
WDR/NDR
Regie
Heinrich Breloer
Buch
Heinrich Breloer
Kamera
Hans-Günther Bücking
Musik
Hans Peter Ströer
Schnitt
Monika Bednarz-Rauschenbach
Darsteller
Hans Brenner (Hanns Martin Schleyer) · Manfred Zapatka (Helmut Schmidt) · Dieter Mann (Horst Herold) · Gerd Preusche (Hans Jürgen Wischnewski) · Sebastian Koch (Andreas Baader)
Länge
177 (88 & 89) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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IMDb | TMDB

Diskussion
Am 5. September 1977 entführten Mitglieder der Rote Armee Fraktion den Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer in Köln, wobei sie mehrere seiner Begleiter kaltblütig ermordeten. Die Täter verschleppten ihren Gefangenen in eine Wohnung in einem Kölner Vorort und forderten im Austausch für ihre Geisel die Freilassung mehrerer in Stuttgart-Stammheim inhaftierter RAF-Mitglieder. So begann, was später als "Der heiße Herbst" in die Geschichte der BR Deutschland eingehen sollte. Die Konfrontation zwischen Terroristen und Staatsmacht endete 45 Tage später mit dem Suizid der RAF-Gefangenen Ensslin, Baader und Raspe in Stammheim und der Ermordung Schleyers durch seine Entführer. Dazwischen lag eine Odyssee der Kidnapper, die mit ihrer Geisel zunächst in Holland und später in Belgien den Fahndern zu entkommen versuchten, und die dramatische Entführung einer Passagiermaschine durch ein arabisches Terrorkommando, das dadurch den Forderungen der deutschen Gesinnungsgenossen Nachdruck verleihen wollte, nachdem die Hinhaltetaktik des Bonner Krisenstabes allzu offensichtlich geworden war.

In seinem zweiteiligen Dokudrama zeichnet Heinrich Breloer die Ereignisse jenes Herbstes nach. Gestützt auf Polizeiberichte, Untersuchungsergebnisse, Archivmaterial und nicht zuletzt die Aussagen unzähliger Zeitzeugen setzt er ein faszinierendes Puzzle zusammen, in dessen erstem Teil die Entführung Schleyers im Vordergrund steht, während der zweite in erster Linie die Kaperung des Lufthansa-Jets und der dramatischen Befreiung der Passagiere auf dem Flughafen von Mogadischu gewidmet ist. Von Zuschauem und Kritik gleichermaßen gefeiert, gilt "Das Todesspiel" gemeinhin als das TV-Highlight des Jahres 1997. Breloer, für seine Filme über Personen und Skandale der jüngsten Geschichte der BR Deutschland vielfach ausgezeichnet, demonstriert hier seine Kunst, Archivmaterial mit Spielszenen - vielfach in Form eines scheinbar nahtlosen Ineinander-Übergehens - miteinander zu verweben, in frappierender Perfektion. Wobei er neben der minuziösen Nachzeichnung der Ereignisse mittels akribischer Recherche gleichermaßen auch dem inhärenten, eminent spannenden Krimistoff ausgiebig Tribut zollt. Vor allem im zweiten Teil inszeniert Breloer mit allen Mitteln des Action-Kinos in professioneller Manier einen Psychothriller von geradezu atemberaubender Intensität, dessen Spielsequenzen überdies das große Plus haben, nach allem, was man (bis) heute weiß, der damaligen Wirklichkeit zu entsprechen. Eine Intensität, an der, bis in die kleinsten Nebenrollen, hervorragende Darsteller (allen voran Hans Brenner als Hanns Martin Schleyer), einen wesentlichen Anteil haben. In den eingeschnittenen Interviewpassagen gelingt es Breloer nicht nur, damalige Fahndungspannen zu rekonstruieren, sondern auch die tragische Situation der seinerzeit politisch Verantwortlichen transparent zu machen. Hier die Staatsräson, die ausschloß, was man zuvor im Fall des entführten Abgeordneten Peter Lorenz noch praktiziert hatte: den Ausstausch der Geisel gegen Gefangene der RAR Da das Flehen der Angehörigen der Opfer, deren Leben zu schonen und den Forderungen der Terroristen nachzukommen. In den (teilweise nur stockend vorgebrachten) Erinnerungen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt wird diese Tragik auch 30 Jahre danach noch geradezu sinnlich nachvollziehbar.

Was die reine Faktenlage angeht, bietet der Film gewiß keine sensationellen Neuigkeiten. Aber die rückblickenden Einschätzungen der damaligen Ereignisse durch Zeitzeugen sind schließlich nicht minder interessant als der bloße Tathergang. Gleichwohl ist auch diese herausragende Fernsehproduktion nicht ohne Mängel. Etwa da, wo Breloer es bei der Faktizität beläßt, wo man auch Fragen hätte stellen können. Etwa die, ob der tragische Ausgang, möglicherweise durch den Versuch der direkten Kontaktaufnahme zwischen dem Krisenstab und den RAF-Mitgliedern, nicht hätte vermieden werden können. Desgleichen die Frage, ob hier nicht im Vorfeld der Eskalation eine (zumindest aus heutiger Sicht) irrationale Hysterie der Staatsmacht im Umgang mit der RAF um sich gegriffen hatte, die ein derartiges Procedere unmöglich machte. Daß Breloer seine Sympathien heute eindeutig den Opfern der terroristischen Gewalttaten zuteilwerden läßt, ist fraglos nachvollziehbar. Auf der anderen Seite hat diese Gewichtung in seinem Film u.a. zur Folge, daß vor allem die Entführer Schleyers kaum als individuelle Figuren in Erscheinung treten. Dabei wären doch gerade die Banalitäten eines terroristischen Alltags unter Extrembedingungen (Wer kauft ein, wer kocht, wer macht den Abwasch?) ein filmisch überaus lohnendes Sujet gewesen. So gesehen wurde beispielsweise die Tatsache, daß die Entführer den schwergewichtigen Arbeitgeber-Präsidenten anfänglich mit Babynahrung fütterten, weil diese ihnen auf Grund ihrer Verträglichkeit am risikolosesten erschien, hier seltsamerweise filmisch glatt verschenkt. Gemessen an den sonstigen herausragenden Qualitäten des Films sind diese Mängel fraglos kaum mehr als Marginalien. Doch gerade deshalb bleiben sie am Ende nicht minder irritierend. (Vgl. auch Artikel "Bilder aus bleiernen Zeiten" in fd 17/1997.)

Zweiteiliges Dokumentarspiel über den "Deutschen Herbst" 1977, der mit der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer am 5. September in Köln begann und mit der Erstürmung der Lufthansa-Maschine "Landshut" in Mogadischu endete. Ein faszinierendes Doku-Drama, das die Stellungnahmen und Erinnerungen vieler Beteiligter einfließen läßt und sich trotz Parteinahme für die Opfer um Objektivität bemüht. Bei aller Realitätsnähe werden auch - besonders im zweiten Teil - die Möglichkeiten des Genrekinos genutzt. - Sehenswert ab 16.
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