WerAngstWolf

Drama | Schweiz/Italien 1996-2000 | 85 Minuten

Regie: Clemens Klopfenstein

18 Schauspieler durchqueren in Paaren, zu Dritt oder im Quartett die malerische Landschaft Norditaliens, deklarieren dabei klassische Verse und Textzeilen, u.a. von Shakespeare, Shaw, Aischylos und Albee. Natur wird zur Bühne, Alltagsgebärden verschmelzen mit der Kunstsprache, bilden einen neuen Raum, in dem sich die bisher gültigen Grenzen verwischen. Ein interessantes filmisches Experiment, hinter dessen improvisatorischen Elementen sich ein hohes Maß an Kunstfertigkeit verbirgt. Ein "Unterhaltungsfilm" im besten Wortsinn, wenn auch nicht unbedingt auf ein herkömmliches Unterhaltungsfilm-Publikum zugeschnitten. (O.m.d.U.) - Sehenswert.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
WHOAFRAIDWOLF
Produktionsland
Schweiz/Italien
Produktionsjahr
1996-2000
Produktionsfirma
Ombra-Films/Bevagna/DRS/Suissimage
Regie
Clemens Klopfenstein
Buch
Clemens Klopfenstein
Kamera
Clemens Klopfenstein
Musik
Ben Jeger
Schnitt
Nicola Bellucci · Vadim Jendreyko · Ben Jeger · Gerhard Grumbach
Darsteller
Mathias Gnädinger · Charlotte Heinimann · Caroline Redl · George Meyer-Goll · Max Rüdlinger
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
Entgegen den Assoziationen, die der Titel vielleicht weckt, hat der Film nichts mit Werwölfen oder dergleichen zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine Zusammenziehung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, dem Titel des Theaterstücks von Edward Albee, das 1965 von Mike Nichols verfilmt wurde. Der Text des Stücks bildet aber nur ein Element in diesem Schauspieler-Film, daneben finden sich Fragmente aus George Bernhard Shaws „Jungfrau von Orleans“, aus „Onkel Wanja“ von Anton Tschechow, „Nachtasyl“ von Maxim Gorki, „Prometheus gefesselt“ von Aischylos sowie William Shakespeares „Macbeth“ und Fjodor M. Dostojewskis „Der Großinquisitor“. 18 Schauspieler durchqueren in Paaren, zu Dritt oder im Quartett die malerische Landschaft Norditaliens, deklarieren Verse und Textzeilen.

Clemens Klopfenstein räumt ein, professionellen Darstellern lange misstraut zu haben: „Schauspieler sind zwar auch Menschen, aber man weiß nie, ob sie es ernst nehmen.“. Indem er sich nun mit einer Gruppe dieser Spezies in die Wildnis begibt, ihnen quasi als Reisegepäck klassische Zitate aufbürdet, die sie von ihren Bühnenauftritten kennen, unternimmt er ein klassisches Experiment. Wie ein Chemiker im Laboratorium bringt er unterschiedliche Substanzen zusammen, um ihre Reaktion aufeinander zu testen. Natur wird zur Bühne, Alltagsgebärden verschmelzen mit der Kunstsprache, bilden einen neuen Raum, in dem sich die bisher gültigen Grenzen verwischen. Natürlich handelt es sich im Ganzen auch um eine Inszenierung; als Zuschauer weiß man z.B. ganz genau, dass sich die eine Gruppe nicht wirklich im Gebirge verfährt und in einem Gasthof übernachten muss. Und Caroline Redl wird ja nicht tatsächlich von jenem arroganten Porsche-Fahrer irgendwo ausgesetzt. Dennoch bleibt der Reiz dieser ungewöhnlichen Konstellation bestehen. Als äußere Klammer der einzelnen Binnenhandlungen dient eine Einladung nach Rom, ins dortige Goethe-Institut (was einen Hauch kokett wirkt). Die Eingeladenen bewegen sich auf verschiedenen Wegen auf ihr Ziel zu, bekanntlich führen ja ohnehin alle dorthin. Zwischen den Gruppen besteht kein Kontakt, ihre Ankunft am Tiber wird dem Zuschauer vorenthalten. Denn, um eine weitere Binsenweisheit zu zitieren: der Weg ist das Ziel. Aus der Perspektive des Filmemachers heißt das, dass die äußere Handlung nur ein Gerüst zur Bündelung der einzelnen Fragmente darstellt. Wechsel von Landschaften, Tageszeiten und Witterungen treten an die Stelle einer klassischen Handlungsentwicklung. Und natürlich die Mimen mit ihren Texten. Es ist kein Zufall, dass Bruno Ganz und Tina Engel im Goldenen Schnitt des Geschehens ihren Part bekommen. Bei aller Hochachtung vor den übrigen darstellerischen Leistungen - ihr Auftritt ist einfach der markanteste des Films.

Klopfenstein operiert also mit Bausteinen dramaturgischer Substitution; an die Stelle einer eigentlichen Handlung treten andere szenische Reize. Das funktioniert über große Strecken ausgesprochen gut. Und wenn „WerAngstWolf“ auch von einem starken improvisatorischen Moment lebt, verbirgt sich dahinter doch ein hohes Maß an Kunstfertigkeit. Das Projekt kommt als „Unterhaltungsfilm“ im Wortsinn daher, ohne dass freilich ein konventionelles Unterhaltungsfilm-Publikum angepeilt werden würde. Von Reiz dürfte die Arbeit vor allem für passionierte Theatergänger sein, die sich gern auf das Quiz der Textzuordnung einlassen werden. Zu Buche schlägt auch Klopfensteins Vorgeschichte bzw. Doppelbegabung als Bildender Künstler. Jenseits der Texte und ihrer Interpretation graben sich einige großartige visuelle Lösungen in die Erinnerung ein, dies umso wirkungsvoller, je reduzierter sie daherkommen: ein Koffer in leerer Landschaft, in Schneewehen vergossener Rotwein, ein grüner Apfel auf roher Tischplatte. Und wenn Bruno Ganz und Tina Engel ihr Lager teilen, dabei nicht innehalten im Rezitieren, wirkt das weder theatralisch noch deplaziert. Als Zuschauer nimmt man hier Teil am Leben selbst und vergisst gern die alte Frage, ob Schauspieler dieses nun ernst nehmen oder nicht.
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