Biopic | Spanien/Italien 1999 | 104 Minuten

Regie: Carlos Saura

Das Leben des spanischen Malers Francisco de Goya, erzählt in einer Reihe von Rückerinnerungen, Visionen und Albträumen, die sich weitgehend im Kopf des genialen Malers abspielen, der als 82-Jähriger im französischen Exil stirbt. Das Porträt verdichtet sich zu einem faszinierenden Bilderbogen der spanischen Geschichte, die geprägt ist von Rückschrittlichkeit und Despotismus. Kein leicht konsumierbares Werk, das die Synthese von Film, Malerei und Theater wagt und durch eine meisterliche Fotografie visionäre Welten erschließt. Überzeugend auch als Künstlerbiografie unter dem Vorzeichen der Vergänglichkeit, die durch ihren Bildersog und ihre Darstellungskunst fasziniert. (Videotitel: "Goya in Bordeaux") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GOYA EN BURDEOS | GOYA
Produktionsland
Spanien/Italien
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Andrés Vicente Gómez/Lolafolms/Italian International Film
Regie
Carlos Saura
Buch
Carlos Saura
Kamera
Vittorio Storaro
Musik
Roque Baños
Schnitt
Julia Juáni
Darsteller
Francisco Rabal (Goya) · José Coronado (Goya als junger Mann) · Dafne Fernández (Rosario) · Maribel Verdú (Gräfin von Alba) · Eulalia Ramón (Leocadia)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 2.20:1, DD5.0 span./dt.)
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Diskussion
Ein alter Mann irrt im Nachthemd durch die nebligen, nächtlichen Strassen einer französischen Stadt. Ein Albtraum hat ihn erschreckt und er weiß kaum, wo er sich befindet. Francisco Rabal als der 82-jährige Maler Goya. Die Nacht, das Spiel von Licht und Schatten, eine unwirkliche Atmosphäre - Goya in Bordeaux: im französischen Exil, am Ende eines langen Lebens zwischen den Visionen seiner Vergangenheit und der Gegenwart mit seiner letzten Geliebten Leocadia Zorilla Weiss und der gemeinsamen kleinen Tochter Rosarito. Ein Greis, entwurzelt, gepeinigt von seiner Taubheit, die geistigen und körperlichen Kräfte kurz vor dem Erlöschen - doch immer noch mit einem starken Willen, der sich diesem Verfall nicht beugen will.

Das Leben des raubeinigen Malers Francisco de Goya, sein Aufstieg am Hofe Carlos IV., seine anklagenden Bilder gegen die Schrecken des Krieges und besonders seine Liebe zu Cayetana, der Gräfin von Alba, war schon häufiger Thema für Film und Literatur, etwa in Konrad Wolfs legendäre „Goya“-Verfilmung (fd 19173) nach dem Roman von Lion Feuchtwanger oder „Volaverunt“, Bigas Lunas Verfilmung des gleichnamigen Romans von Enrique Laretta, ein erotisches Historienspiel über den geheimnisvollen Tod der Gräfin von Alba. Goya verkörpert den Künstlers zwischen Genie und Anpassung, zwischen der Arroganz der Macht und der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks. Goya, der „trepa“, der rücksichtslose Aufsteiger; Goya der boshafte Beobachter, der sogar in den Porträts der königlichen Familie Karikaturen seiner Zeit schuf; Goya, der Schöpfer düsterer Visionen, die noch heute erschrecken und zugleich faszinieren. Goya steht aber auch für die Tragödie der spanischen Geschichte. Die Tragödie eines rückschrittlichen, im mittelalterlichen Klerikalismus erstarrten Landes, dem Geist der Inquisition, dem die Ideen der Moderne und der Aufklärung fremd geblieben sind. Ein Volk, das sich gegen die Moderne, gegen Napoleon erhebt und das nach dem Ende der Befreiungskriege unter Fernando VII in den finstersten Despotismus zurückfällt. „Der Schlaf der Vernunft gebiert Gespenster“; am Ende seines Lebens wird Goya von diesen Gespenstern verfolgt. Auf den beschlagenen Fensterscheiben zeichnet er mit dem Finger eine Spirale und sinniert: „Die Spirale ist wie das Leben“, und so ist auch Sauras Film keine lineare Geschichte, sondern die Spirale eines ganzen Lebens. „Goya“ ist kein Historienfilm, sondern eine Abfolge albtraumartiger Delirien der spanischen Geschichte: der Hass auf die Vernunft, die Kastration des Geistes, die Scheiterhaufen der Gegenaufklärung. Eine blutige Tragödie, sich im 20. Jahrhundert, in Bürgerkrieg und Diktatur, der grauenhaften Bombardierung Madrids, die Carlos Saura selber noch als Kind erlebte, spiegelt.

„Goya“ ist aber auch eine Hommage an die spanische Malerei. Carlos Saura hat den Film seinem verstorbenen Bruder Antonio gewidmet, einem der bedeutendsten Meister der neueren spanischen Malerei. Gemeinsam mit ihm entdeckte Saura das Werk Goyas in dem immer noch stark vom Krieg verwüsteten Prado in Madrid. „Mit Goya beginnt die moderne Malerei“, sagt er und hat er dessen Visionen des Schreckens, des Burlesken und des Grotesken jetzt in seinem 30. Film umgesetzt. Die „caprichos“, die schwarze Serie des Malers, die Majas, die Bildern von den Exekutionen der Widerstandskämpfer des 2. Mai durch die Truppen Napoleons in Madrid: „El milagro de San Antonio“ und „Los desastres de la guerra“, Bilder, die im Film auf beeindruckende Weise von der katalanischen Performance-Theatergruppe „La fura dels Baus“ in Szene gesetzt werden. „Goya“ ist erneut ein formales Experiment Sauras, die Synthese von Film, Malerei und Theater zwischen Wirklichkeit und Inszenierung - ein Film gegen jegliche folkloristische Plattitüden. Zum vierten Mal arbeitet Saura mit Vittorio Storaro zusammen, dem meisterlichen Kameramann, der Licht und Schatten virtuos setzt, Räume durch halbtransparente Wände erweitert. Die Originalmusik von Roque Baños hat Saura mit Stücken von Bocerini, Tschaikowsky und denen eines anonymen arabischen Komponisten aus dem 16. Jahrhundert verbunden. Großen Wert legt Saura auf den sozialen und politischen Hintergrund von Goyas Leben, die Zeit der Intrigen und Kriege, von Verrat und Revolution. Doch sein Goya ist seine eigene Schöpfung, ein Goya, der noch im Greisenalter von seinen drei Leidenschaften gequält wird: der Suche nach einer Malerei jenseits der physischen Realität; die Erinnerung an die große Leidenschaft seines Lebens, die Gräfin von Alba (faszinierend dargestellt durch Maribel Verdu) und an Spanien selbst, dieses zwischen Revolution und Repression zerissene Land. „Mein Goya - also Francisco Rabal“, sagt Saura, „ist eine Hommage an Luis Buñuel. Was der wirkliche Goya gesagt hat, wissen wir heute nicht mehr und so beruht fast alles, was Rabal als Goya sagt, auf persönlichen Gesprächen, die ich mit Luis Buñuel hatte.“ „Goya“ ist kein leicht konsumierbarer Film, kein Film der leichten Identifikation - vielmehr eine Vision von Licht und Schatten, von Vergänglichkeit, die besonders durch das Spiel der Darsteller und den Sog der Bilder fasziniert.
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