Eine Schwalbe macht den Sommer

- | Frankreich 2000 | 103 Minuten

Regie: Christian Carion

Ein alter störrischer Bauer verkauft seinen einsamen Berghof an eine junge Städterin, die daraus ein Feriendomizil macht. Stimmungsvolle, betonte naturalistisch gefilmte Geschichte der Annäherung zweier Generationen und ihrer Lebensauffassungen, die viel über das moderne Leben in Stadt und Land jenseits der gängigen Klischees aussagt. Ein bewegender Debütfilm mit glänzenden Schauspielern. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
UNE HIRONDELLE A FAIT LE PRINTEMPS
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2000
Produktionsfirma
Artémis/Cofimage 12/Le Studio Canal +/M.S./Mars/Nord-Ouest Prod./Procirep/Rhône-Alpes Cinéma/Région Rhône-Alpes/Studio Canal
Regie
Christian Carion
Buch
Christian Carion · Eric Assous
Kamera
Antoine Héberlé
Musik
Philippe Rombi
Schnitt
Andrea Sedlácková
Darsteller
Michel Serrault (Adrien) · Mathilde Seigner (Sandrine Dumez) · Jean-Paul Roussillon (Jean) · Frédéric Pierrot (Gérard) · Marc Berman (Stéphane)
Länge
103 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Diskussion
Dass es solche einsamen Bauernhöfe in den Bergen noch gibt, ist eigentlich verwunderlich. Hier, im Massiv von Vercors (nahe Grenoble), wo sich während des Zweiten Weltkriegs die Widerstandskämpfer versteckten, spielt der große französische Überraschungshit des vergangenen Jahres, ein Debütfilm, den zweieinhalb Millionen Besucher sahen: die Geschichte einer jungen Pariserin, die sich den Hof eines alten grantigen Bauern kauft, um daraus ein Touristenparadies zu machen – wobei sich die beiden ungleichen Protagonisten zwangsläufig näher kommen. Dass aus der einfachen Handlung ein so anrührender Film geworden ist, liegt an Regisseur Christian Carion, der weiß, wovon er spricht, weshalb nichts aufgesetzt wirkt. Wenn Sandrine, eine 30-jährige gestresste Informatikerin aus Paris, zu Beginn des Films im Auto durch die Gegend fährt und vom Landleben träumt, dann hat sie alles schon vor Augen: den hübsch hergerichteten Bauernhof mit den Apartments für die Touristen, die Kühe und Ziegen auf der Weide, die Bergtouren mit ihren Gästen und auch die selbst hergestellten Produkte, die sie übers Internet vermarkten will. Der Kurs an der Landwirtschaftsschule mit zugehörigem Schockpraktikum – die Aspiranten müssen beim Schlachten einer Kuh zusehen und danach das Blut wegbringen – führt sie zwar in eine weniger freundliche Realität, aber Sandrine ist der Typ zupackende Frau. Das neue Leben ist ihr wichtiger als ihr Freund, der eine Firma besitzt und in Paris bleibt; seine Warnungen wie auch die ihrer Mutter vor dem anstrengenden Landleben schlägt sie in den Wind. Adrien, der alte Bauer, lebt nach dem Tod seiner Frau allein auf dem Hof. Er hat hat Kinder und ist nur mit wenigen in der Umgebung befreundet, weil er so eigenbrötlerisch ist. Nachdem man ihm wegen der BSE-Seuche seine Kühe wegnimmt und er außerdem für eine Weile ins Krankenhaus muß, verliert er jede Lust an der Landarbeit. Die junge Frau, die sich für seinen Hof interessiert, mag er auch nicht, aber die lässt sich darauf ein, dass er noch mindestens ein Jahr im Wohnhaus neben dem Hof wohnen darf. Misstrauisch und entsetzt beobachtet er, wie Sandrine alles umbaut, wobei ihn auch Erinnerung an die Vergangenheit bedrängen, als seine Frau noch lebte und es dem Hof und ihm gut ging. Rechtzeitig zum Sommer ist die neue Idylle für die Städter fertig, die Urlaub machen wollen. Sandrine bewirtet sie nicht nur mit eigenhändig gemolkener Ziegenmilch, sie führt die Besucher auch persönlich durch die grüne Hügellandschaft. Im Winter allerdings quält sie das Alleinsein; außerdem spielt ihr Adrien Streiche, etwa, wenn er ihr heimlich den Strom abdreht, damit sie nach einer Weile frierend zu ihm kommt. Zum ersten Mal reden die beiden länger miteinander. Nach und nach lernen sie auch, freundlicher miteinander umzugehen. Doch bis Sandrine merkt, dass sie irgendwie an dem alten Mann hängt, muss sie in einem Anflug von Verzweiflung erst nach Paris fliehen und ihr altes Leben wieder aufnehmen. Als einer der Bauern beerdigt wird, kehrt sie zurück und schließt Frieden mit Adrien, der sie nun wie seine Tochter behandelt. Die geschickte Mischung aus quasi-dokumentarischen und wortkargen komödiantischen Szenen sorgt dafür, dass die über weite Passagen vorhersehbare Story niemals peinlich wird. Auch stellt Carion die beiden grandiosen Schauspieler eindeutig in den Mittelpunkt, die einen Generationenkonflikt der besonderen Art austragen. Michel Serrault (Jahrgang 1928) als kranker Mann, der nie ein anderes Leben als das auf dem Bauernhof kannte, muss im Alter, als er zum ersten Mal ins Krankenhaus kommt, mit der größten Umstellung seines Lebens fertig werden und spielt diesen, sich in Schüben vollziehenden Gesinnungswandel sehr überzeugend. Der burschikosen Mathilde Seigner (Jahrgang 1967), eine der vielseitigsten französischen Darstellerinnen, nimmt man ihre Spontaneität und ihre Gefühlsausbrüche in jedem Augenblick ab: ob sie freudig schreiend das Zicklein aus dem Bauch der Mutterziege zieht, Adrien einen wütenden Blick zuwirft oder einsam in ihrem riesigen Ein-Zimmer-Apartment in den Nachthimmel blickt. Carion hat für alles den richtigen Ton gefunden, ansprechende Landschaftsaufnahmen und der ungewöhnliche Schauplatz (wie alles im Film absolut authentisch) inklusive. Den im französischen Kinos seit fünf Jahren verstärkt anzutreffenden Filmen mit dem Motto „Zurück zur Natur“ hat er eine interessante Variante hinzugefügt. Nebenbei hat Christian Carion auch noch seine eigene Vergangenheit verarbeitet: Der kauzige Alte ist das Abbild seines eigenen Vaters; und im jungen Mann vom Landwirtschaftsamt, der zwischen den alteingesessenen Bauern und den frischen Agrarschulabsolventen zu vermitteln sucht, hat sich Carion selbst proträtiert, der als er PR-Mann fürs Landwirtschaftsministerium arbeitete, bevor er Regisseur wurde.
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