Coffee and Cigarettes

- | USA/Italien 1986-2003 | 96 Minuten

Regie: Jim Jarmusch

Kommunikation ist Kampf, Dialoge sind Duelle, Gesprächspartner Gegner - so stellt es sich zumindest in diesen elf Kurzfilmen dar, die Jim Jarmusch zwischen 1986 und 2003 drehte. Freunde, Weggefährten und Mitarbeiter des Regisseurs spielen in der Regel sich selbst und setzten sich, meist nur mit Kaffee und Zigaretten "bewaffnet", unbekannten Gesprächssituationen aus, wobei sie meist über Banales plaudern, um keine Geheimnisse preisgeben zu müssen. Die wunderbaren Episoden werden mit Liedern aus der Jukebox untermalt, die die jeweilige Situation akzentuieren und feinfühlig auf der Image der Redenden abgestimmt sind. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COFFEE AND CIGARETTES
Produktionsland
USA/Italien
Produktionsjahr
1986-2003
Produktionsfirma
Smokescreen/BIM
Regie
Jim Jarmusch
Buch
Jim Jarmusch
Kamera
Frederick Elmes · Ellen Kuras · Robby Müller · Tom DiCillo
Schnitt
Jay Rabinowitz · Melody London · Terry Katz · Jim Jarmusch
Darsteller
Roberto Benigni (Roberto) · Steven Wright (Steven) · Joie Lee (Goow Twin) · Cinqué Lee (Evil Twin/Kitchen Guy) · Steve Buscemi (Kellner)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.

Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD 5.0 engl.)
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Diskussion
Elvis hatte den ganzen Rummel satt. Deshalb begann er irgendwann, seinen Bruder, der ihm ähnlich sah, an die Öffentlichkeitsfront zu schicken und sich selbst unauffällig zurück zu ziehen. Dieser Bruder war es auch, der schließlich gestorben ist, was zugleich bedeutet: Elvis lebt. Dass die beiden schwarzen Gesprächspartner des weißen Elvis-Enthusiasten wenig für diese Legende übrig haben, zumal Elvis aus ihrer Sicht schwarze Bluesmusiker um ihre Tantiemen betrog, stoppt den aufdringlichen Kellner in seinem Redeschwall nicht. Auch der Junge mit der seltsamen elektronischen Maschine in Form eines Staubsaugers ist davon überzeugt, seiner momentanen Flamme Spannendes zu berichten, als er ihr, ebenfalls in einem Café, von der Funktionsweise der Tesla-Spule erzählt. Besessen davon, unbedingt etwas aus seinem Kumpel heraus locken zu müssen, nämlich ein Problem, dass dieser ganz sicher hat, lässt ein junger Mann nicht locker, bis sein Gegenüber völlig verzweifelt. Im Bewusstsein, unbedingt etwas sagen zu müssen, dem Gesprächspartner möglichst aber nichts Persönliches preiszugeben, treffen außerdem zwei nervöse Nichtstuer, zwei Rockmusiker, eine Filmdiva und ihre erfolglose Cousine, zwei eitle Schauspieler, zwei Rapper und ein Komiker aufeinander, während zwei alte Italiener und zwei in die Jahre gekommene Hausmeister offenbar Probleme damit haben, überhaupt noch aufeinander einzugehen.

Kommunikation ist Kampf, Dialoge sind Duelle, Gesprächspartner Gegner in den elf wunderbaren Kurzfilmen, die Jim Jarmusch zwischen 1986 und 2003 gedreht hat und die er nun unter dem Titel seiner ersten Werke gesammelt ins Kino bringt: „Coffee and Cigarettes“. Tatsächlich sind kaum mehr als diese Requisiten zu sehen in den statischen, schwarz-weißen Kleinoden, aufgenommen von Jarmuschs Wegbegleitern wie Tom DiCillo und Robby Müller: Koffein- und Nikotinhaltiges, ein Diner, ein Café oder eine Lounge, ein Kellner, und manchmal ein Tisch mit Schachbrettmuster. Denn wie beim Schach überlegen sich die Gesprächspartner jeden Zug sehr genau, beobachten misstrauisch ihr Gegenüber und lauern zwischen Angriff und Verteidigung. Um sich nicht zu offenbaren, wird über Banales geplaudert, und das oft ziemlich verkrampft. Worüber soll man schließlich reden, wenn die Situation sich durch die Umstände offenbar selbst definiert? Das schienen sich alle bisherigen Jarmusch-Helden zu fragen, und brachten damit Mitte der 1980er-Jahre die Sprachlosigkeit zurück ins amerikanische Kino. „Stranger than Paradise“ (fd 24 712) und „Down By Law“ (fd 25 870) waren in ihrer provozierenden Langsamkeit Ausdruck der Orientierungssuche einer „lost generation“; die sich selbst abhanden kam im sozialen Vakuum zwischen Revolutionsansatz und Gegenrevolte, urbaner Realität und subjektiven Träumen. Fast 20 Jahre sind seit den ersten „Coffee and Cigarettes“-Filmen vergangen, und manches hat sich seitdem verändert. Das ist auch Jarmusch nicht entgangen, weshalb sich seine raren späteren Filme wie „Ghost Dog: Der Weg des Samurai“ (fd 34 047) oder die Neil- Young-Dokumentation „Year of the Horse“ (fd 34 973) von der alten Unterkühltheit ein wenig verabschiedet haben. Aber einiges ist auch gleich geblieben: Eitelkeit zum Beispiel, die Iggy Pop und Tom Waits, die Rockstars, in einer Episode von damals aneinander geraten lässt, und die nun zum Bruch zwischen Alfred Molina und Steve Coogan, den Schauspielern, führt; oder Besserwisserei, die Roberto Benigni und Steven Wright einst im Bereich Alltagsdrogen an den Tag legten, genau wie heute die Italiener Joe Rigano und Vinny Vella sowie die Rapper vom Wu-Tang-Clan und Bill Murray. Neu ist allerdings die Verbitterung über die unterschiedlich verlaufenen Karrieren wie die der Cousinen, die beide von Cate Blanchett dargestellt werden. Außer in dieser Episode, in der nur die Filmdiva Cate heißt, tragen alle Darsteller ihre wirklichen Namen und spielen sich damit auch ein wenig selbst. Das erhöht den Eindruck des Spontanen und Zwanglosen, sodass sich Jarmuschs Gaststars – befreit von allen Rollenspielen – lustvoll (selbst-)darstellen können – was sie im Grunde bei Jarmusch schon immer getan haben, man denke nur an die obercoolen Musiker Tom Waits und John Lurie und den hyperaktiven Benigni in „Down By Law“. Besonders die älteren Beiträge sind als Nebenprodukte der Langfilme entstanden; die Stars der neuen Filme, wie Blanchett, Molina und Murray, waren schlicht Jarmuschs Wunschdarsteller. Und da ihnen allen ein gewisses Image zueigen ist, lässt Jarmusch zu jeder Episode ein passendes Lied aus der Jukebox ertönen, von Iggy Pop und den Stooges oder von Waits: Rock, Blues, Ska, Funk oder Jazz. So wirkt sein Film wie eine Musikkompilation, ein Konzeptalbum mit elf Titeln zu einem Thema, und da man Musik nicht synchronisieren sollte, kommt auch der Film mit Untertiteln ins Kino.

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