Sportfilm | Island/Finnland/Großbritannien 2005 | 88 Minuten

Regie: Róbert I. Douglas

Eine nur aus homosexuellen Spielern bestehende isländische Fußballmannschaft behauptet sich gegen alle Widerstände und erringt sportlich wie gesellschaftlich Akzeptanz. Das weitgehend auf Fußballszenen verzichtende Drama nutzt das Fußballfilm-Genre, um Wege zu skizzieren, wie ein homophobes Umfeld durch ein offenes Bekenntnis und Mannschaftsgeist zum Umdenken animiert werden kann. Der humorvolle Film will zur Auseinandersetzung anregen, wobei er sein Sujet geschickt als soziokulturellen Seismografen nutzt. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
STRÁKARNIR OKKAR
Produktionsland
Island/Finnland/Großbritannien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
The Icelandic Filmcompany/Solar Films/Film and Music Ent.
Regie
Róbert I. Douglas
Buch
Jón Atli Jónasson · Róbert I. Douglas
Kamera
G. Magni Ágústson
Musik
Bardi Jóhansson
Schnitt
Ásta Briem · Róbert I. Douglas
Darsteller
Björn Hlynur Haraldsson (Ottar Thor) · Helgi Björnsson (Pétur) · Arnmundur Ernst (Magnús) · Lilja Nótt Thórarinsdóttir (Gugga) · Sigurdur Skúlason (Eiríkur)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Sportfilm | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (1.78:1, DD2.0 dt.)
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Diskussion
Fußball schaut man sich nicht im Kino an! Wer live und hautnah dabei sein möchte, der setzt sich vor den Fernseher oder geht am besten gleich ins Stadion. Mit diesem Widerspruch hat der Fußballfilm – wie das Genre des Sportfilms überhaupt – seit jeher zu kämpfen. Die Lösung des Dilemmas gestaltet sich so simpel wie paradox: In den meisten Sportfilmen spielt das Sportereignis selbst nur eine Nebenrolle. Stattdessen dominiert der Blick hinter die Kulissen oder der Symbolwert des Sports – der „Spirit“. Das, wofür etwa der Fußball gerne stehen möchte, verdrängt das Spielgeschehen auf dem Rasen: „fairplay“, Teamgeist. Als Weltsportart Nummer 1, die in den verschiedensten Winkeln der Erde nach den selben Regeln ausgeübt wird, repräsentiert Fußball zudem die Gesellschaft in Nuce. Fußball bleibt im Kino nie bloß Fußball, sondern dient immer auch als soziokultureller Seismograf; besonders deutlich zeigt sich das bei Themen wie Rassismus, Sexismus oder Homosexualität. Entsprechend interessiert sich auch Regisseur Róbert I. Douglas in seinem Spielfilm über ein schwules isländisches Fußballteam weniger für spieltechnische Raffinessen oder taktische Feinheiten als für den Umgang der Isländer mit Homosexualität. Verschmitzt bemerkte Douglas in diesem Zusammenhang, dass in „11 Men Out“ zwar nur wenig Fußball-, dafür aber jede Menge Duschszenen zu sehen seien. Tatsächlich treibt der isländisch-irische Regisseur den Verzicht auf Fußball-Action auf die Spitze. Duschszenen bleiben aber ebenfalls Mangelware. Eine sinnlich-erotische Schaulust wird in dem angeblich ersten isländischen Film, der Homosexualität offen thematisiert, nicht gestillt. Im Mittelpunkt stehen vielmehr die sozialen und psychologischen Aspekte eines „klassischen“ Coming-Out-Films. Welche Hindernisse hat ein Schwuler zu überwinden, wenn er sich outet? Wie reagieren Kollegen, Freunde, Familie? Verhandelt werden diese Fragen vor der Folie eines typischen Underdog-Sportdramas. Als Fußballfilm erzählt „11 Men Out“ die Geschichte einer schwulen Fußballmannschaft, eines vermeintlichen Loser-Teams, das durch seinen Teamgeist über sich hinauswächst, um schließlich im Showdown einer arroganten und heterosexuellen Profi-Mannschaft Paroli bieten zu können. Fußball als Mannschaftssportart symbolisiert hier einen positiven sozialen Grundwert, einen Gemeinschaftssinn, dem die Egoismen karrierefixierter Clubspieler gegenüberstehen. Angeführt wird die Schwulen-Elf vom einst umjubelten Fußballstar Ottar Thor, der nach seinem homosexuellen Coming Out aus dem Proficlub flog, für den er bis dahin aktiv war. Björn Hlynur Haraldsson, der Ottar zwar recht unauffällig, aber glaubwürdig verkörpert, spielte übrigens selbst auf hohem Niveau Fußball, ehe er sich für den Schauspielberuf entschied. Am Ende darf das schwule Amateurteam, das sich zuvor langsam nach oben gekämpft hat, dann gegen Thors ehemaliges Team antreten. Bis dahin folgt der visuell zweitklassige Low-Budget-Film dem gängigen Underdog-Schema. Doch anschließend bricht Douglas gleich doppelt mit den Konventionen des Genres. Zum einen, weil er das Spiel der Spiele, das dramaturgische Finale, nicht zeigt, sondern lediglich die Anzeigentafel mit dem Endergebnis einblendet. Und zum anderen, weil auf dieser Anzeigentafel zu lesen ist, dass das schwule Team mit 0:8 verloren hat. „Dachtest Du etwa, dass wir gewinnen?“, hört man hinterher noch einen Spieler zum anderen sagen. Konsequent hat sich Douglas hier vom ergebnisorientierten Wettbewerb gelöst. Die schwulen Fußballer im Film nehmen ihre Sache zwar durchaus ernst. Ein Mitspieler betont, er sei hier nicht, um mit anderen Schwulen seine Freizeit zu verbringen, sondern um Fußball zu spielen. Dennoch kommt Fußball als Sport in „11 Men Out“ nur eine untergeordnete Rolle zu. Die wahren Siege werden außerhalb des Fußballfeldes errungen; im Verhältnis zwischen Ottar und seiner Familie. Mit viel Humor, mal lakonisch, mal albern, fast comicartig karikierend, inszeniert Douglas die sozialen Folgen von Ottars Coming Out. Einer der Vereinsbosse, die Ottar zuerst loshaben und später, als er mit seinem Schwulenteam für Schlagzeilen sorgt, wieder zurückhaben wollen, wirkt mit seiner geräuschvollen Atemmaske wie eine senile isländische Version von „Darth Vader“. Thors testosteronübersättigter Bruder kommt aus dem Fluchen nicht mehr raus und hat für seine Freundin nur zwei Worte übrig: „Shut up!“ Besinnlichere Töne schlägt der Film an, wenn es um das Verhältnis zwischen Thor, seiner Ex-Frau und ihrem gemeinsamen Sohn geht. Vor allem die Beziehung zwischen Vater und Sohn leidet unter Ottars neuer, offen schwuler Lebensweise, die er rücksichtslos gegen die Empfindungen des pubertierenden Jungen durchzieht. In der Schule wird der Junge gehänselt, und als er dann auch noch seinen Vater mit einem Liebhaber in flagranti ertappt, gerät er völlig außer sich. Douglas stellt sich in diesem vielschichtigen emotionalen Konflikt nicht einseitig auf die Seite des Vaters, sondern gibt beiden Recht. Am Ende ist es in einer Familie eben wie in einem Fußballteam: es geht nur miteinander.
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