Drama | Deutschland/Österreich/Schweiz 2008 | 126 Minuten

Regie: Philipp Stölzl

Zwei erfahrene Bergsteiger wagen sich im Juli 1936 an die Erstbesteigung der Eiger Nordwand, wobei ihre Großtat vom NS-Reich propagandistisch ausgeschlachtet werden soll. Als sie beim Abstieg in einen Wetterumschwung kommen, wandelt sich der Gipfelsturm zur Tragödie. Perfekt ausgestattetes, emotional aufgeheiztes Bergdrama mit atemberaubenden Aufnahmen, das der Tradition dieses Genres und leider auch allzu sehr der filmischen Erzählzeit verhaftet ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
NORDWAND
Produktionsland
Deutschland/Österreich/Schweiz
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Dor Film-West/MedienKontor Movie/Dor Film/Triluna Film/Majestic Filmprod./Lunaris Film- und Fernsehprod./BR/ARD-Degeto/Schweizer Fernsehen/SRG SSR idée suisse
Regie
Philipp Stölzl
Buch
Christoph Silber · Rupert Henning · Philipp Stölzl · Johannes Naber
Kamera
Kolja Brandt
Musik
Christian Kolonovits
Schnitt
Sven Budelmann
Darsteller
Benno Fürmann (Toni Kurz) · Johanna Wokalek (Luise Fellner) · Florian Lukas (Andi Hinterstoisser) · Simon Schwarz (Willy Angerer) · Georg Friedrich (Edi Rainer)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die BD und DVD enthalten eine deutsche Audiodeskription für Sehbehinderte. Die Extras der Standard DVD enthalten weiterhin u.a. einen Audiokommentar von Benno Fürmann, Florian Lukas, Phillipp Stölzl und Boris Schönfelder, ein Feature mit sechs im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.) sowie ein ausführliches "Making Of" (44 Min.). Die Special Edition enthält zudem noch eine Hörbuch CD mit einer Reportage von Curt Schneider über die wahren, im Film dramatisierten Ereignisse, gelesen von Ulrich Tukur (37 Min.). Auf der BD fehlt hingegen der Audiokommentar. Die BD von Impuls Home ist in der Schweiz veröffentlicht.

Verleih DVD
Majestic/Fox (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Majestic/Fox & Impuls Home (16:9, 2.35:1, dts-HD dt.)
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Diskussion
Die Eiger Nordwand, eine 1800 Meter steil in die Höhe ragende Felswand, ist die alpine Herausforderung schlechthin, oder war es zumindest bis zum Juli 1938, als eine aus zwei Deutschen und zwei Österreichern bestehende Seilschaft, unter ihnen der spätere Tibet-Experte Heinrich Harrer, mit der Heckmair-Route einen Weg auf den Gipfel fand. Philipp Stölzls „Nordwand“ spielt jedoch zwei Jahre früher, weshalb der Film auf ein dramatisches, ja tragisches Scheitern zielt. Im Frühjahr 1936 war das Deutsche Reich noch trunken von der eigenen Größe und fieberte den Olympischen Spielen entgegen, die seinen Ruhm mehren sollten. In diesem Rausch wurde die Idee geboren, den deutschen (!) Erstbezwingern der Eiger Nordwand eine Goldmedaille zu verleihen und das Großereignis publizistisch auszuschlachten. Federführend bei diesem Unternehmen ist die Berliner Zeitung, die mit ihrem Redakteur Arau nicht nur über einen „Überzeugungstäter“, sondern in Gestalt der Volontärin Luise auch über eine perfekte Strippenzieherin verfügt. Die junge Frau stammt nämlich aus Berchtesgaden und kennt die beiden führenden deutschen Bergsteiger nicht nur von Kindesbeinen an, sondern ist in einen von ihnen, Toni Kurz, nach wie vor heftig verliebt. In der Seilschaft mit Andi Hinterstoisser, einem verwegenen Kletterer, der mit Haken und Sicherungen nicht viel am Hut hat, bildet Kurz den besonnenen Part; die Volontärin lässt er zunächst nicht nur bergsteigerisch abblitzen. Natürlich lockt die beiden die alpine Herausforderung, obwohl sie zu den Nationalsozialisten eine eher ambivalente Haltung haben. Schließlich rauft man sich zusammen und schnürt das wenige Gepäck. Am 18. Juli 1936 beginnt unter den Augen der Weltöffentlichkeit nachts um zwei Uhr der Versuch der Erstbesteigung. Doch die deutsche Seilschaft ist nicht allein, ihnen folgen die Österreicher Rainer und Angerer, stramme SS-Leute, weshalb sie in den Augen Araus, der mit Luise den Kampf mit der Wand vom Tal aus beobachtet, keine wirkliche Konkurrenz sind. Der erste Tag ist zwar kein Zuckerschlecken, doch die Deutschen kommen gut voran und das Unternehmen könnte glücken, wenn sich Angerer nicht in Folge eines Steinschlags eine Kopfverletzung zuziehen würde. Die beiden Seilschaften schließen sich zusammen, nehmen notgedrungen das Tempo zurück und kommen dann auch noch in einen jener Wetterumschwünge, für die der Eiger berüchtigt ist. Nebel, Eis und Schnee machen den weiteren Aufstieg unmöglich. Am Mittag des 20. Juli beschließen sie den gemeinsamen Abstieg, bei dem der schwerverletzte Angerer abgeseilt werden muss. Ein unmögliches Unterfangen, das für Hinterstoisser und die beiden Österreicher tödlich endet. Kurz klettert weiter bergab, bis ihn die Kräfte verlassen. In Sichtweite des Einstiegs der Jungfraubahn bleibt er an einem Überhang hängen, gut gesichert, aber ohne Möglichkeit, seine Situation zu ändern. Luise kann zwar Schweizer Bergretter mobilisieren, doch auch denen sind angesichts der ausweglosen Lage die Hände gebunden. Ihr bleibt nicht mehr, als dem Geliebten Mut zuzusprechen und seinen Tod durch Erfrieren und Entkräftung hinzunehmen. Arau hat sich zu diesem Zeitpunkt längst zurückgezogen, denn das Scheitern an sich ist noch kein deutsches Thema; Luise kehrt der Zeitung den Rücken und geht nach New York. So richtig falsch hat Regisseur Stölzl eigentlich nichts gemacht, als er sich dem Bergfilm zuwandte und damit ein urdeutsches Filmsujet aufgriff. Mit stellenweise atemberaubenden Aufnahmen und einer Geschichte vom Kampf mit dem Berg und einer eingeschworenen Kameradschaft, bei der das Leben jedes einzelnen am Seil der anderen hängt, hat er sogar alles richtig gemacht. Er ist nicht der Versuchung erlegen, einen Heimatfilm zu inszenieren, sondern präsentiert einen lupenreinen Bergfilm in der Tradition von Arnold Fanck, Leni Riefenstahl und Luis Trenker – und genau hier liegt auch das Problem. „Nordwand“ ist auf eigentümliche Weise und völlig ungebrochen seiner filmischen Erzählzeit verhaftet; der Film feiert Manneskraft und deutschen Heldenmut, Opferbereitschaft und Durchsetzungswillen. Hier soll ein übermächtiger Gegner gegen alle Vernunft bezwungen werden. Ein solcher Plot ist an sich zwar unverfänglich, doch wenn die Inszenierung alles Bodenständige betont und die beiden Protagonisten zu alpinen „Botschaftern Deutschlands“ stilisiert, dann drängt sich unweigerlich ein Bezug zu jener „Blut und Boden“-Mentalität auf, die man längst überwunden glaubte. Sicher erfordert ein historischer Stoff auch die mentale Annäherung an den jeweiligen Zeitgeist, doch der zeitliche Abstand böte auch Gelegenheit, die Geschichte aus einer freieren, zeitgemäßeren Perspektive zu erzählen. All dies vermisst man in „Nordwand“, weshalb einen angesichts von zwei Stunden purem Bergdrama mit holzschnittartigen Charakteren das beklemmende Gefühl beschleicht, in eine andere Zeit geraten zu sein. Bei allem Bemühen um Authentizität ist dem gut ausgestatteten und perfekt fotografierten Film allerdings ein bezeichnender Lapsus unterlaufen: Während die österreichischen Bergsteiger ihr sprachliches Idiom pflegen und die Schweizer kaum verständlich vor sich hinnuscheln, sprechen die deutschen Helden lupenreine Hochsprache, was wenig glaubwürdig ist für zwei gestandene „Buam“ aus Oberbayern vor mehr als 70 Jahren.
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